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Krise hemmt Karriere

200 junge Molekularbiologen treffen sich an der Göttinger Universität, um ihre Zukunftschancen auf dem Arbeitsmarkt auszuloten. Dafür haben drei Göttinger Promotionsstudenten eigens eine Karrieremesse organisiert - mit potenziellen Arbeitgebern.

Von Carolin Hoffrogge | 09.09.2009
    Entschlossen steht Elzbieta Kowalska vor dem Stand der Firma Olympus im Göttinger Tagungsgebäude. Optikfirmen, Pharmaunternehmen und Unternehmensberater haben sich an zehn Ständen in dem hellen Foyer aufgebaut. Denn die jungen Molekularbiologen wollen sich nicht nur über ihre neueren Ergebnisse in der Krebs- oder Hirnforschung austauschen, sondern auch ihre Karrieremöglichkeiten ausloten. Für Elzbieta Kowalska von der Universität Zürich ist die Karrieremesse in Göttingen etwas Besonderes.

    "Erst mal hat es eine 'career fair'. Die meisten Meetings, auf denen ich in den USA war, in Harvard oder anderswo, die haben meistens nur 'talks' und ich dachte mir das ist hier mal was anderes. Denn 'Fellowship', das lernt man nicht an der Uni. Und Göttingen an sich ist ja auch bekannt für die Wissenschaften und für gute Max-Planck-Institute, gute Naturwissenschaften per se."

    Per se als Molekularbiologe Karriere zu machen, ist zurzeit nicht einfach, weiß Elzbieta Kowalska. Denn die Finanzkrise beutelt auch die Kassen der Forschungseinrichtungen.

    "Bei uns wurden einfach Gelder gestrichen. Wenn man schon länger im Labor ist und etwas am Laufen hat, es läuft und man publiziert, dann bleibt man. Aber wenn man etwas hat, was nicht so schnell und effizient läuft und man publiziert halt nichts, dann muss man gehen, bis wieder Geld reinkommt. Auch in der Schweiz fehlt es an Geld, auch dort wird vieles gestrichen, zehn bis 20 Prozent 'reduction of founding'."

    Mit einem soliden Studium und hohem Ehrgeiz während ihrer Promotion kommen die Molekularbiologen nicht unbedingt dahin, wo sie gerne wissenschaftlich wirken möchten, sagt Broder Schmidt. Der 24-Jährige hat die Göttinger Karrieremesse organisiert und weiß, dass viele Promovenden später gerne als Professoren arbeiten würden.

    "Das ist natürlich der große Traum, aber das ist ein steiniger Weg und hat auch viel mit Glück zu tun und mit Zufall. Wenn die Würfel richtig fallen, dann sprechen wir uns vielleicht später als Professor wieder."

    Broder Schmidt hat die besten Voraussetzungen, um später einmal Professor zu werden. Neben seinen 60 Wochenstunden im Labor, trainiert er sicheres Auftreten, eloquente Rhetorik und die Akquise von finanziellen Mitteln. Damit ist Broder Schmidt auf dem richtigen Weg, sagt einer, der es wissen muss, Professor Klaus Landfried. Denn Klaus Landfried hat als ehemaliger Präsident der Hochschulrektorenkonferenz maßgeblich am Bolognaprozess in Deutschland mitgearbeitet und damit daran, dass Studienabschlüsse international vergleichbarer werden.

    "Es wird Sie überraschen, wenn ich jetzt sage, dass für die Topleute, die hier zusammen kommen, die Frage, wie die Studienarchitektur ist, belanglos ist. Aber: In dem Bolognaprozess steckt ja noch eine ganz andere Idee. Lernen statt Belehrung, Selbstmachen und nicht Gemachtbekommen. Selbstständigkeit statt Abhängigkeit. Wenn Sie diese Begriffe nehmen, dann ist diese Tagung, die wir hier haben, ein Musterbeispiel für gelungenen Bolognaprozess. Nachwuchswissenschaftler machen etwas selbst."

    Von diesem "Selbermachen" sind Claudia Dittmann und Martina Grimm als Personalverantwortliche der Firma Roche begeistert. Sie werben auf der Göttinger Karrieremesse mit einem simulierten Vorstellungsgespräch um die besten Molekularbiologen. Dieses Gespräch findet vor allen Teilnehmern statt.

    Dittmann: "Die wird in die Mangel genommen. Die wird die Möglichkeit haben, unter relativ reellen Bedingungen ein Feedback zu bekommen, auf was man sich in einem solchen Interview vorbereiten muss und kann."

    Grimm: "Sehr viel Neugierde. Auch der Willen, etwas anderes zu lernen, Mobilität ist auch wichtig. Gute Englischkenntnisse, den Willen auch in einem Team zu arbeiten. Da wir eine internationale Firma sind, ist es auch gut, wenn man es gewohnt ist, in interkulturellen Teams zu arbeiten."

    Interkulturell und international, das sind auch für Klaus Landfried die zentralen Eigenschaften, mit denen sich jungen Nachwuchswissenschaftler heute wappnen müssen, denn:

    "Die Möglichkeit in der Forschung oder in der Hochschule zu arbeiten, existiert allenfalls für 25 Prozent, wohl gemerkt hoch qualifizierte, promovierte Leute. Die anderen müssen in andere Berufe, und sie dafür vorzubereiten, auch das ist etwas, was zum Bolognaprozess gehört, was in die sogenannten strukturierten Doktorandenprogramme reingehört, auch in entsprechende Masterprogramme. Dazu gehört lernen, sich auf andere Sprachcodes einzulassen. Also so zu sprechen wie Leute jenseits des Fachzaunes, jenseits des Nationalzaunes reden."