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Krise in Kamerun
Mit harter Hand gegen Separatisten

In Kamerun häufen sich jüngst Anschläge. Diesmal nicht im Norden, wo Boko Haram wütet, sondern im Südwesten, wo eine englischsprachige Minderheit mit der Abspaltung liebäugelt. Die Regierung um Paul Biya reagiert mit Repressionen und scheint überhaupt wenig um Deeskalation bemüht.

Von Stefan Ehlert | 02.12.2017
    Dutzende Polizisten gehen auf einer Straße.
    Kameruns Regierung reagiert mit Repression auf Abspaltungsbestrebungen des englischsprachigen Südwestens – und treibt die Separatisten damit tiefer in die Radikalisierung. (AFP)
    Die Turbinen liefen noch, als Paul Biya aus dem Flugzeug stieg und abgab, was kamerunische Journalisten anschließend als Kriegserklärung des Präsidenten verbreiteten:
    "Ich denke, es liegt für die ganze Welt klar auf der Hand: Kamerun wurde zum wiederholten Mal das Opfer einer Bande von Terroristen, die behaupten, sie gehörten einer Unabhängigkeitsbewegung an."
    Zwei blutige Anschläge hatten Kamerun zuvor in dieser Woche erschüttert, und zwar nicht im Norden, wo die Islamische Terrororganisation Boko Haram seit Jahren schwere Anschläge verübt. Sondern im anglophonen Südwesten. In der Stadt Mamfe und einem kleinen Ort in der Nähe, Otu, wurden nach Regierungsangaben bei zwei Angriffen vier Soldaten und zwei Polizisten erschossen. Das war die Lage, als Paul Biya am Donnerstagabend vom EU-Afrika-Gipfel in Abidjan zurückkehrte.
    Er werde alle zu seiner Verfügung stehenden Mittel einsetzen, erklärte der 83-Jährige, um die Kriminellen zur Strecke zu bringen und Frieden und Sicherheit im gesamten nationalen Territorium zu bewahren.
    Englischsprachiger Teil Kameruns fühlt sich benachteiligt
    Alle zur Verfügung stehenden Mittel - für die englischsprachige Minderheit Kameruns lässt die neue Eskalationsstufe nicht Gutes erwarten. Seit gut einem Jahr halten die Proteste in den Regionen Süd- und Nordwest an. Sie richten sich gegen die Zentralregierung in Jaunde.
    Der Vorwurf: Der anglophone Teil Kameruns werde benachteiligt. Im Oktober gab es Tote, als die Polizei auf Demonstranten schoss. Von 17 Toten sprach Amnesty International, etwa zehn seien es, räumte die Regierung ein. Monatelange Internetsperren brachten die Bevölkerung in Rage. Inzwischen herrscht ein Gefühl allgemeiner Verunsicherung, seit Mitte November in Bamenda in Nordwest mehrere selbst gebastelte Sprengsätze explodierten und kurz darauf der Schlaftrakt einer Oberschule in Flammen aufging.
    Wir haben Angst, weil sie unsere Schule angezündet haben, sagt die Schülerin Monja Lydian, aber wir haben im Moment vor allem eins im Kopf: Wir müssen unsere Prüfungen ablegen, also sind wir mutig und gehen weiter zur Schule. Ansonsten verlöre ihre Abschlussklasse ein ganzes Schuljahr.
    Ausgangssperre beeinträchtigt Wirtschaft und Sozialleben
    Die Ausgangssperre in den betroffenen Provinzen beeinträchtigt längst das das soziale und wirtschaftliche Leben des ganzen Landes. Der nächtliche Waren- und Personentransport liegt brach. Für den Fuhrunternehmer Manfred Massango ist das eine Katastrophe:
    Vorher hatten wir 35 Fahrzeuge auf der Strecke Kumba – Douala, jeden Morgen von Montag bis Freitag. Jetzt sind es nur noch 15 oder zehn. Die Leute haben Angst ihr Geld in Geschäfte zu stecken, sie wissen nicht, was morgen kommt.
    Victor Mukete betreibt in Bamenda einen kleinen Laden, und wie er sagt, vielleicht nicht mehr lange:
    "Ich muss dicht machen, ich sehe hier niemanden. Morgens trage ich meine Ware nach draußen und abends wieder rein. Ich verdiene nicht mal 5000 Francs, um meine Familie zu ernähren."
    Umgerechnet keine sieben Euro am Tag verdiene er. Auch deshalb, weil er seinen Laden wegen der Ausgangssperre abends spät nicht mehr betreiben darf. So wie Victor Mukete drohen viele Kameruner ins Elend abzurutschen, wenn die anglophone Krise, wie sie sie nennen, anhält.
    Beobachter drängen auf Vermittlung in der Krise
    Seit langem drängen Experten und Beobachter darauf, dass die Internationale Gemeinschaft in dem Konflikt vermittelt. Hans de Marie Heungoup von der Denkfabrik International Crisis Group wies bereits im Oktober darauf hin, dass die Krise eine kaum mehr zu bremsende Dynamik entwickelt habe:
    "Die Lage wurde schlimmer, seit die Regierung im vergangenen Oktober einfach bestritten hat, dass es Probleme in der Region gibt. Sie reagierte mit Repression und wies alle Beschwerden aus der englischsprachigen Region zurück. Als sie dann schließlich begann, einige der Forderungen ernst zu nehmen – da war es schon zu spät. Die Leute waren zunehmend radikalisiert."
    Kameruns Präsident, der seit 35 Jahren an der Macht ist, verfügt durchaus noch über Mitstreiter, die gut vernetzt sind im anglophonen Kamerun und dort vermitteln könnten. Doch seine jüngsten Ankündigungen lassen nicht darauf schließen, dass er viel auf Gespräche gibt, während die Stütze seiner Macht, Militär und Polizei, unter Beschuss gerät.
    Außenminister macht klar: Vermittlung unerwünscht
    Was er von der Idee einer Abspaltung ganzer Landesteile hält, von einer freien Republik Ambazonien, wie sie die Separatisten fordern, das ließ er in dieser Woche durch seinen Außenminister Lejeune Mbella Mbella mitteilen:
    "Kein Staat auf der Welt, keine Nation, keine Institution kennt, was man Republik Ambazonien nennt. Kamerun bleibt Kamerun und der einzige Ansprechpartner für die internationale Gemeinschaft ist unsere Regierung, sie verdient Unterstützung."
    Vermittlung unerwünscht, anders lässt sich das Statement des Außenministers kaum verstehen.
    Wohin wird uns das führen, fragt sich Victor Mukete, der Ladenbesitzer aus Bamenda. Und spricht damit aus, was viele wohl Kameruner in diesen Tagen denken.