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Kristallklarer Blick auf das Leben

Der diesjährige Chemienobelpreis geht zu gleichen Teilen an eine Israelin, einen Briten und einen Amerikaner: Ada Yonath, Venkatraman Ramakrishnan und Thomas Steitz wurden für ihre Arbeiten zur Entschlüsselung von Struktur und Funktion der Eiweißfabriken in unseren Zellen ausgezeichnet: der Ribosomen.

07.10.2009
    Die drei haben mithilfe der sogenannten Röntgenstrukturanalyse herausgefunden, wie der Bauplan des Lebens - die Erbsubstanz DNA - in den Zellen tatsächlich zum Leben erweckt wird. Die frischgebackene Nobelpreisträgerin Ada Yonath vom Weizmann-Institut im israelischen Rehovot erklärt das so:

    "Die Ribosomen sind sehr wichtig. Ohne sie wäre die DNA völlig wertlos. Sie wäre nur ein Buch voller Anweisungen. Ohne die Ribosomen gäbe es kein Leben."

    Mit 70 Jahren ist Yonath die älteste der drei Gewinner. Sie war es auch, die vor 30 Jahren als Erste auf den Plan trat, um Antworten auf eine grundlegende Frage zu finden: Wie wird die in der DNA gespeicherte Information in den Zellen lebender Organismen in die Proteine übersetzt, die unseren Stoffwechsel und unsere Immunabwehr steuern.

    Diese Aufgabe übernehmen die Ribosomen. Sie sorgen dafür, dass die rund eine Milliarde Eiweißmoleküle, die in unserem Körper jeweils vorliegen, entstehen. Dazu gibt es Hunderttausende Ribosomen in jeder Zelle. Wie molekulare Fabriken setzen sie den Bauplan aus dem Erbgut in fertige Produkte um und sind dazu in verschiedene Untereinheiten aufgeteilt. Diese Untereinheiten übernehmen auch unterschiedliche Aufgaben bei der Produktion von Eiweißen: Sie sorgen für die Anlieferung der Rohstoffe, positionieren die einzelnen Bauelemente oder kümmern sich um die Qualitätsprüfung, indem sie ausmessen, ob alles richtig zusammengesetzt wurde - Bauen ist gut, Kontrolle ist besser.

    Entschlüsselt haben diese komplexe Struktur die drei Chemie-Nobelpreisträger. Sie fanden heraus, wie diese zellulären Proteinfabriken im Detail funktionieren. Bis Anfang der 1980er-Jahre galt das als völlig hoffnungslos. Die Ribosomen waren eine Art Blackbox, deren Inneres keiner je gesehen hatte. Ada Yonath trat an, das zu ändern. Ein langjähriger Kollege von ihr ist Dr. Hans-Dieter Bartunik vom Deutschen Elektron-Synchrotron Desy in Hamburg, er leitet dort die Arbeitsgruppe Proteindynamik. Der wesentliche neue Ansatz von Yonath sei gewesen, Kristalle der Ribosome zu erhalten, sagt Bartunik:

    "Man kann dreidimensionale Informationen von komplexen Systemen auch zum Beispiel mit Hilfe von Elektronenmikroskopie bestimmen, aber das nur bei niedriger Auflösung. Man kann dann so was wie äußeren Abmessungen eines Moleküls bestimmen, die Form, und das kann sehr, sehr wichtig sein. Aber nur, wenn man Kristalle, Einkristalle, hat, kann man tatsächlich bis in den atomaren Auflösungsbereich vorstoßen."

    Die Herstellung dieser Kristalle war aber der eigentliche Knackpunkt. Niemand habe damals geglaubt, dass das Erfolg haben könne, erinnert sich Bartunik, das scheinbar nutzlose Unterfangen habe anfangs auch viel Kritik einstecken müssen:

    "Es hat dann auch vieler Versuche bedürft, um dann tatsächlich Kristalle zu bekommen und die Qualität der Kristalle in Schritten soweit zu erhöhen, dass sie tatsächlich für Strukturarbeiten genutzt werden konnten."

    Das gelang Ada Yonath als Erster. Ihre beiden Mitlaureaten Venkatraman Ramakrishnan und Thomas Steitz traten erst viel später auf den Plan, so Bartunik:

    "Sie wurden dann wichtig bei der eigentlichen Strukturlösung. Steitz war der Erste, der die korrekte Struktur eines ribosomalen Partikels aufklärte."

    Im Jahr 2000, gut 20 Jahre nachdem Yonath den ersten Ribosom-Kristall hatte wachsen lassen, veröffentlichten Steitz, Ramakrishnan und auch Yonath genaue Analysen der atomaren Struktur von Ribosomen-Untereinheiten.

    [Quellen: Ralf Krauter, Hellmuth Nordwig]
    Die israelische Chemikerin Ada Yonath arbeitet am Weizmann Institut in Rehovot.
    Die israelische Chemikerin Ada Yonath arbeitet am Weizmann Institut in Rehovot. (AP)
    Der Wissenschaftler Venkatraman Ramakrishnan erhielt den Nobelpreis für Chemie.
    Venkatraman Ramakrishnan (AP)
    Thomas A. Steitz wurde der Nobelpreis für Chemie zuerkannt.
    Thomas A. Steitz. (AP)