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Kritik an 5G
Gesundheitsgefahren nicht absehbar

Kritiker wollen 5G am liebsten sofort stoppen – sie fürchten, dass die Strahlung unfruchtbar machen oder Krebs auslösen könnte. Dass es dafür keine belastbaren Belege gibt, halten sie für eine Taktik der Mobilfunkanbieter.

Von Volkart Wildermuth | 19.05.2019
Auf einem Protestschild steht: Keine Mobilfunksender in unserem Dorf! Sie gefährden unsere Gesundheit!
Kritiker befürchten schwere gesundheitliche Folgen durch den Ausbau der Handy-Netze (imago images / Michael Eichhammer)
Handystrahlung gehört rein physikalisch zu den Mikrowellen und die können bekanntlich Gewebe erhitzen. Die aktuell gültigen Grenzwerte sollen diesen sogenannten "thermischen Effekt" begrenzen. Das reicht aber nicht aus, meint der Architekt und Baubiologe Jörn Gutbier, Vorsitzender des Vereins "diagnose:funk":
"Wir wissen, dass es spezifische Wirkungen gibt der Mobilfunk-Strahlung auf das Nervensystem, auf das Gehirn. Dass es das Hormonsystem beeinflusst, dass es DNA und Zellen grundlegend verändern kann und vor allen Dingen haben wir einen sehr klares Bild in Bezug auf die Belastung und die Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit bei Männern und bei Frauen. Und deshalb fordern wir ein Moratorium zum Ausbau des 5G Mobilfunknetzes."
Einseitige Auswahl
"Wir wissen" das klingt erst einmal überzeugend. Auf der Webseite von "diagnose:funk" finden sich auch Studien über Studien und sie alle sollen eines zeigen: Handystrahlung ist gefährlich. Es fällt auf, dass Studien mit anderen, eher beruhigenden Ergebnissen fehlen, zum Beispiel das "Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm". Nun kommt es bei wissenschaftlichen Studien nicht auf die Masse an, sondern auf die Qualität. Kürzlich ist eine Überblicksarbeit zum Thema DNA-Schäden erschienen. Es gab über 200 Studien. Auffällig war, dass vor allem sehr kleine Studien DNA-Schäden beobachteten. Die aber sind anfällig für statistische Fehler. Große, gut kontrollierte Studien dagegen können keinen Effekt der Handystrahlung auf das Erbgut nachweisen. Diesen Trend beobachtete die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz Inge Paulini generell bei Forschungen zu den nicht thermischen Effekten.
"Diese Studien überzeugen uns dann erst, wenn sie nach gängigen wissenschaftlichen Qualitätskriterien durchgeführt sind und wenn sie reproduzierbar sind. Und das ist in der Regel nicht der Fall. Der einzige Effekt, den wir kennen, ist tatsächlich der thermische Effekt."
Strategie der Mobilfunkfirmen
"Genau das ist ja die Kernfrage der Auseinandersetzung: was ist Evidenz. Diese Aussage, es gebe kein konsistentes Bild, ist eine der Strategien, um die Debatte offen zu halten", kontert Jörn Gutbier. Eine Strategie der Mobilfunkfirmen, die von den Regulierungsbehörden mitgetragen würden. Für besonders problematisch hält er die Rolle der "Internationale Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung" (ICNIRP), auf deren Empfehlungen die Grenzwerte in den meisten Ländern beruhen.
"Das Interessante ist ja: wer ist die? Die ist ein privater Verein mit Sitz in München. Wir haben in der Regel 12 bis 14 Mitglieder sind keiner Kontrolle unterworfen und auch niemanden Rechenschaft schuldig."
Das Journalistenteam "Investigate Europe" hat vielfältige Verflechtungen zwischen ICNIRP und den zuständigen Börden nachgewiesen. Das ist allerdings wenig überraschend, denn ICNIRP wurde ursprünglich zur Koordination eben dieser Behörden gegründet. Die Vorwürfe gegen das ICNIRP hält Sahra Drießen vom EMF-Portal für überzogen.
"ICNIRP besteht in jedem Fall aus renommierten Wissenschaftlern, die sicher alle einen guten Job machen. Aber ich verstehe, dass die Kritiker sich da zu wenig berücksichtigt fühlen. Trotzdem bin ich überzeugt, von der Arbeit, die dort gleistet wird."
Streit umd die Grenzwerte
Die besteht vor allem in der Festlegung von Grenzwerten. Jörn Gutbier verweist auf die Schweiz, die deutlich geringere Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung hat. Das stimmt. Entscheidend für das Risiko sind aber nicht die Grenzwerte, sondern die tatsächlich Strahlenbelastung und die liegt auch in Deutschland unter den Schweizer Grenzwerten, sagt Inge Paulini.
"Wir sind mit den Strahlungsintensitäten, die tatsächlich zu geben, die auf unseren Körper einwirken, weit, weit unterhalb der bei uns geltenden Grenzwerte. Und deswegen ist es nicht so, dass ein bisschen niedriger angesetzte Grenzwerte ein höheres Sicherheitsniveau bieten sondern die Frage ist ja, was wird tatsächlich durch die Strahlungsintensität ausgeschöpft."
Kritiker sagen: das in Europa gültige Vorsorgeprinzip verlangt, dass der Ausbau von 5G gestoppt wird, bevor nachgewiesen ist, dass es keinerlei Schäden verursacht. Hundertprozentige Sicherheit aber kann niemand garantieren, nicht beim Mobilfunk und auch sonst nicht im Leben. Inge Paulini vom Bundesamt für Strahlenschutz plädiert für einen vorsichtigen, aber pragmatischen Ansatz.
"Wir können jetzt ja noch nicht Alarm schlagen für etwas, wo wir noch gar nicht wissen, wo wir keine Hinweise haben, dass es gesundheitliche Wirkung gibt bei den höheren Frequenzen sie demnächst angewendet werden sollen. Und da wollen wir zur Sicherheit noch weitere Forschung betreiben. Im Moment gibt es keinen Grund für Alarm."