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Kritik an der Aktion der Cap Anamur

Friedbert Meurer: Auf Sizilien gibt es heute endlich, nachdem es mehrfach verschoben wurde den Haftprüfungstermin für den Vorsitzenden der Hilfsorganisation Cap Anamur Elias Bierdel, den Kapitän des Schiffs und den ersten Offizier. Die Cap Anamur war mit 37 afrikanischen Flüchtlingen an Bord in einen sizilianischen Hafen eingelaufen, anschließend hatte die italienische Polizei Elias Bierdel und die beiden Seeleute festgenommen. Dies sei, sagt Bierdel, wider aller Absprachen gewesen und wider aller Zusicherungen. Ich spreche mit Freimut Duve, er ist Mitglied im Förderkreis von Cap Anamur und war lange Jahre für die SPD im Bundestag. Guten Morgen Herr Duve.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Freimut Duve: Guten Morgen.

    Meurer: Welche Entscheidung erwarten Sie heute von der italienischen Justiz?

    Duve: Also ich kann mir nicht vorstellen, dass die italienischen Behörden und Italien insgesamt diese drei Inhaftierten im Gefängnis lässt. Ich bin fest davon überzeugt, dass es zu einem Freispruch kommt. Mit welcher Begründung dann auch immer werden wir im Laufe des Tages hören. Aber das ist skandalös, diese drei Leute zu inhaftieren und anzuklagen.

    Meurer: Wieso halten Sie das für einen Skandal?

    Duve: Wenn es zutrifft - und das müssen wir einfach bei dem, was wir von Cap Anamur wissen und was wir von Lebensrettern im Mittelmeer und in andern Meeren wissen - dass sie die Leute rausgefischt haben aus einem Schlauchboot, dann haben sie Lebensrettung betrieben und sie haben die Leute an Bord genommen und mussten an irgendeinem Punkt dann - über die Inhalte weiß ich nichts - aber dann sagen wir, müssen sie sie jetzt an Land bringen.

    Meurer: Es gibt ja in den letzten Tagen vermehrt Kritik an der Aktion der Cap Anamur. Finden Sie, Herr Duve, dass diese ganze Aktion von Elias Bierdel, dem Vorsitzenden, und der Cap Anamur richtig war?

    Duve: Ich glaube man muss unterscheiden zwischen dem, was ich eben gesagt habe. Man muss sie jetzt freilassen. Aber dann habe ich auch meine Kritik. Cap Anamur - ich bin von Anfang an dabei, ich habe die ersten Frauen und Kinder damals in Cuxhaven mit nach Hamburg gefahren, die aus Vietnam kamen. Das heißt, man darf niemals das Unglück und die Lebensrettung, die man betrieben hat - womit auch eine Geschichte verbunden ist - für neue Public Relation gebrauchen oder gar missbrauchen. Und wenn es sich herausstellt, - das unterstelle ich jetzt nicht den Cap Anamur-Leuten - dass diese Leute nicht aus dem Sudan oder aus dem Krisengebiet stammen, dann wäre das ein Missbrauch des ungeheuren Leidens im Sudan zur Zeit, wo die Menschen keine Chance haben über irgendein Meer zu fliehen, sondern wo sie am Verhungern sind, wo ein Völkermord im Gange ist. Und dieses darf niemand, in der ganzen Welt nicht, für irgendein anderes Interesse missbrauchen. Auch kein Nigerianer, auch kein Kenianer, der seinerseits verfolgt wird. Da bin ich sehr hart, weil der Missbrauch vom Leid anderer für den Vorteil von einem selbst, selbst wenn man selber leidet, menschenunwürdig ist. Da bin ich sehr empfindlich. Und ich hoffe sehr, dass sich nicht herausstellt, dass diese Angaben, es handele sich um Sudanesen, falsch ist. Es gibt noch einen zweiten Punkt, der mich schon als es losging irritiert hat. Wie kann man seine Frauen und Kinder, die vertrieben werden, die am Verhungern sind, als Männer, als Väter, als Brüder - wenn sie das denn sind - verlassen und alleine woanders hinfliehen und dieses Unglück im Sudan und in der Wüste und im Tschad den Frauen und Kindern alleine überlassen? Das heißt, welche Verantwortung haben dann die - wenn diese Männer aus dem Sudan stammen - für das, was an dramatischem Genozid-Leid dort passiert? Da bin ich sehr, sehr empfindlich und ich hoffe sehr, dass in der Diskussion nach der Freilassung klar wird, dass dies keine Fehlansage von Mitarbeitern von Cap Anamur war.

    Meurer: Wie legitim wäre es denn, Herr Duve, wenn Elias Bierdel sagt oder beabsichtigt hat: "Wir wollten hier mit dieser Aktion darauf aufmerksam machen, was sich tagtäglich, Woche für Woche auf dem Mittelmeer an Dramen abspielt."

    Duve: Dann ist jede Assoziation mit dem Massenverbrechen im Sudan unmöglich. Was immer man tut, wir haben ein dramatisches Elend im gesamten Kontinent Afrika und das eigentliche Elend ist vor Ort. Das ist die Aufgabe Europas und auch die Aufgabe Amerikas hier viel intensiver Hilfe zu schaffen, aber auch dieser Staaten. Und natürlich gibt es immer wieder Menschen, denen es gelingt, aus dem Süden an die Mittelmeerküste zu fliehen, nach Marokko und so weiter und sich auf Boote zu setzen. Das ist auch ein Elend und da geben ich denen Recht, auch da muss man etwas tun. Aber die Assoziation in diesem Fall mit dem Sudan kann ich nicht akzeptieren.

    Meurer: Wenn Bierdel zurückkommt aus Sizilien, werden Sie vom Förderkreis Cap Anamur Rechenschaft verlangen von ihm?

    Duve: Ich denke, dass die das schon untereinander machen und ich werde meine Meinung dazu sagen. Aber ich denke der Förderkreis wird sich da zurückhalten. Es ist ja auch meine persönliche Meinung. Wir haben kein Gremium in dem Sinne und ich hoffe sehr, dass das ernst genommen wird.

    Meurer: Die Hilfsorganisation Cap Anamur wollte vom Selbstverständnis Rupert Neudecks her schon immer anders sein als andere Hilfsorganisationen, schneller, unbürokratischer. Ist die Organisation noch auf dem richtigen Weg?

    Duve: Insgesamt denke ich schon. Aber ich bin jetzt sechs Jahr in Wien in einem anderen Amt gewesen, ich habe das nicht im einzelnen verfolgt, auch den Übergang nicht. Ich kümmere mich ein bisschen um die neueren Aktivitäten von Rupert Neudeck, die ich für sehr interessant halte. Also ich hoffe sehr, dass sie auf dem richtigen Weg ist.

    Meurer: Das war Freimut Duve, Mitglied im Förderkreis von Cap Anamur. Herr Duve, besten Dank und auf Wiederhören.