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Kritik an der sudanesischen Regierung

Silvia Engels: Seit gestern verhandeln sie über einen Frieden im West-Sudan, die Vertreter der sudanesischen Regierung und die der Rebellengruppen aus der westlichen Region Darfur. Der Kampf dieser Rebellengruppen gegen die zentrale Regierung waren seinerzeit der Anlass oder der Vorwand für die arabischen Dschandschawid-Milizen, die schwarzafrikanische Bevölkerung in Darfur zu töten oder zu vertreiben. Bis zu 50.000 Menschen sollen nach Schätzungen der UNO bislang umgekommen, 1,2 Millionen vertrieben worden sein. In der nigerianischen Hauptstadt Abuja vermittelt nun die Afrikanische Union zwischen den Konfliktparteien. Am Ende soll die Forderung der UNO erfüllt werden, zehntausende von Flüchtlingen in eine sichere Heimat in Darfur zurückzulassen. Doch wird das gelingen? Am Telefon ist nun der Politikwissenschaftler und Sudan-Kenner Professor Rainer Tetzlaff von der Universität Hamburg. Glauben Sie, Herr Tetzlaff, an Frieden und eine sichere Rückkehr der Flüchtlinge?

Moderation: Silvia Engels |
    RainerTetzlaff: Nein, daran ist zurzeit nicht zu glauben, weil die Regierung in Abuja wieder mal deutlich gemacht hat, die Regierung vom Sudan, dass sie im Grunde internationale, sogar auch afrikanische Intervention, ablehnt. Sie will das alles autonom gestalten. Aber ein Friedenswille ist tatsächlich nicht erkennbar.

    Engels: Das heißt, das ist jetzt nur eine Scheinverhandlung Ihrer Ansicht nach, damit Sudan diesem Ultimatum der UNO zur Entwaffnung der Dschandschawid-Milizen, das ja Ende des Monats ausläuft, etwas entgegensetzen kann?

    Tetzlaff: Das muss man leider so deuten. Seit Monaten wird international Druck gemacht auf dieses Regime in Karthum, sich zu bewegen, das heißt die eigene Bevölkerung vor dem Hungertod und vor dem Tod des Verdurstens zu bewahren und da wieder einigermaßen zivile Verhältnisse einkehren zu lassen. Sie sträuben sich ja nach Strich und Faden, und inzwischen sterben die Menschen in großer Zahl, vor allem Greise und Kinder. Nun war der Druck so groß geworden, auch von afrikanischer Seite, dass man wenigstens den Anschein geben musste, man ist zu Verhandlungen bereit. Aber letzte Nacht zu kommen und zu sagen, nein, wir lehnen jede internationale Intervention ab, auch die von afrikanischer Seite, obwohl das ja eigentlich ganz harmlose Sachen waren und nicht die befürchteten Wirtschaftssanktionen, davor haben sie wirklich Angst. Der Druck ist nicht groß genug, um das Regime in Karthum irgendwie zu einer Konzession zu bewegen.

    Engels: Wenn ich Sie recht verstehe, müssten Wirtschaftssanktionen dazukommen, damit Karthum zu echten Verhandlungen bereit ist. Warum tut das denn die UNO nicht?

    Tetzlaff: Die UNO hat das versucht, sogar die Amerikaner – man muss wirklich mal lobend sagen, dass sie es sehr ernst gemeint haben, eine Resolution durch den Sicherheitsrat zu bringen, die eben auch Wirtschaftssanktionen vorgesehen hat, die Engländer waren auch noch stärker bereit, Wirtschaftssanktionen wirken zu lassen – aber es gab zwei Staaten, die das verhindert haben: Das ist China, die große Erdölinteressen haben im Sudan, und Pakistan, das islamische Land, das sich im Weltsicherheitsrat gesträubt hat und gesagt hat, nein, keine Sanktionen, und vor allen Dingen darf das Wort "Genozid" nicht vorkommen, wozu die Amerikaner bereit waren, dies in die Resolution aufzunehmen, was nämlich bedeutet hätte, dass militärisch hätte interveniert werden müssen im Sinne von Blauhelmen nach Darfur.

    Engels: Welche Rolle kann denn die Afrikanische Union spielen? Offiziell vermittelt sie ja und sie ist auch bereit, Friedenstruppen zu stellen. Kann diese Afrikanische Union etwas bewegen?

    Tetzlaff: Ja, das ist an sich politisch der richtige Ansatz. Die afrikanischen Großprobleme müssen vor allen Dingen von afrikanischen Organisationen, das heißt von der Afrikanischen Union und deren Diplomaten und ihren Blaupausen für solche Konflikte gelöst werden. Das ist die richtige Adresse. Wir können dann logistisch helfen, das durchzusetzen. Aber wir müssen weiterhin auch Druck oder Ermutigungen aussprechen, dass die afrikanische Diplomatie, die OAU, weitermacht, dass die Afrikanische Union jetzt weitermacht, Karthum unter Druck zu setzen. Ich bin ja nach wie vor dafür, dass was Kofi Annan, was Joschka Fischer, was Kerstin Müller in Deutschland ins Gespräch gebracht haben, nämlich dass ernsthafte Wirtschaftssanktionen aufrecht erhalten werden, diese Drohkulisse, und dann wirklich mal ernst gemacht wird. Es müssten Konten eingefroren werden, damit eben dieser Völkermord gestoppt wird.

    Engels: Für wie realistisch halten Sie es, dass das umgesetzt wird?

    Tetzlaff: Zurzeit sehe ich da bis Ende des Monats noch gar keine Chancen, denn das ist jetzt das verbesserte Ultimatum durch die UNO, dass die Sudanesen Zeit haben, die Entwaffnung der 60.000 Dschandschawid vorzunehmen. Die Regierung hat versprochen, ja wir werden es tun, aber es passiert gar nichts. Wir haben jetzt Menschenrechtsberichte von Überlebenden aus den Gebieten, wo diese Massaker passieren, die gesagt haben, es ist eine Komplizenschaft zwischen den Helikoptern und den Antonow-Flugzeugen der Regierung und deren Truppen und den Dschandschawid. Gemeinsam werden diese Dörfer überfallen und mit schwerem Gerät niedergemäht. Also es ist leider noch überhaupt nicht zu sehen, dass sich da etwas tut.

    Engels: Das heißt aber umgekehrt, dass die Dschandschawid-Milizen nach diesen Einschätzungen zumindest tatsächlich komplett unter der Kontrolle der Zentralregierung von Karthum stehen, das heißt, sie könnte etwas tun.

    Tetzlaff: Man könnte was tun. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass es ein paar versprengte Gruppen gibt von den vielen arabisierten Nomadenstämmen dort, die nicht sofort kontrollierbar wären. Aber natürlich könnte man etwas tun, indem man in den größeren Ortschaften sagt, Waffen abgeben, jegliche Aktionen werden gestoppt und die Flugzeuge der sudanesischen Armee dürfen nicht mehr eingesetzt werden für solche Zwecke wie bisher, der Vertreibung. Es geht ja um Land. Früher hatte man Sklaven gejagt und wollte die Menschen haben und nicht das Land. Heute ist es umgekehrt, heute will man das Land haben und die Menschen vertreiben. Die werden ja gehindert, aus dem Tschad zurückzukommen. Die Absicht wird jetzt sehr deutlich, es geht letztlich um die Ressourcen Wasser, Land und politische Macht.

    Engels: Die Situation im Sudan und die wenig hoffnungsvollen Aussichten. Wir sprachen mit Professor Rainer Tetzlaff von der Universität Hamburg, er ist Politikwissenschaftler und Sudan-Kenner, vielen Dank für das Gespräch.