Heinlein: Am Telefon nun Markus Meckel, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Herr Meckel, nun ist es perfekt, die PDS an der Macht im Roten Rathaus, für Sie ein schwarzer Tag?
Meckel: Ich halte das für ein Ergebnis, von dem klar war, dass es kommen wird. Man hat jetzt auch zur Vergangenheit eine Präambel gemacht, die ich, nach allem, was ich weiß - ich kenne den Wortlaut noch nicht -, im Einzelnen für sehr vernünftig halte. Es ist ein Tag, der absehbar war, dessen Probleme aber, die ich sehe, in den Folgen für den Bund, in den Folgen für die Entwicklung in der Parteienlandschaft in Deutschland, insbesondere für die SPD, viel früher seine Wurzeln haben. Ein Tag, von dem man sehen muss, wie jetzt die Berliner Politik aussehen wird.
Heinlein: Hätten Sie 1989 erwartet, dass eine Nachfolgepartei so rasch an die Macht in Berlin zurückkehrt?
Meckel: Das hätte ich nicht gedacht. Ich hätte nicht geglaubt, dass so viele Berlinerinnen und Berliner dieser Partei Vertrauen schenken könnten. Hier sind durchaus manche Fragen an die gesamtdeutschen Parteien zu stellen, denn das ist die PDS ja noch nicht, und dies ist gerade meine Kritik an dieser Entwicklung, auch in meiner eigenen Partei, dass man der PDS gewissermaßen einen Steigbügel für die Westausdehnung gibt, um dann wirklich zu einer gesamtdeutschen Partei zu werden, und das halte ich für hochproblematisch, da es künftige Mehrheitsbildungen für sozialdemokratisch geführte Bundesregierungen erschweren wird.
Heinlein: Diese Kritiker werden Ihnen nun wiederum entgegenhalten, dass der neue Senat das ehrliche Spiegelbild des Widerwillens in Gesamtberlin ist.
Meckel: Auch in Ostberlin, wo etwa 47 Prozent für die PDS waren, muss man ja deutlich sagen, dass es dort offensichtlich 53 Prozent waren, die nicht die PDS wollten, und das ist eine deutliche Mehrheit. Insofern gilt das so einfach dann eben auch nicht, und es gibt mit den entsprechenden%en nur das Anrecht auf entsprechende Repräsentanz im Abgeordnetenhaus, und da bin ich schon immer für ein faires Miteinanderumgehen gewesen, nicht für ein Beschimpfen, nicht für Ausgrenzung, sondern für eine vernünftige, ordentliche parlamentarische Arbeit. Ich denke aber, für die Zukunft wird es wichtig sein, dass man bestimmte Dinge vermeidet, und hier ist mir noch nicht klar, wie die SPD das tun will, denn die zweite große Gefahr, die ich neben der Westausdehnung sehe, ist, dass nun ein öffentliches Bild entsteht, die SPD stünde für den Westen und die PDS für den Osten. Man macht damit genau die Ost-SPD zu einem Problem. Deshalb halte ich es für wichtig - und ich habe es vor längerer Zeit schon gefordert -, dass wenigstens zwei von den Senatorenposten mit Sozialdemokraten aus Ostdeutschland besetzt werden, denn es muss ganz klar sein, die ostdeutsche Sozialdemokratie ist eine wichtige Stimme innerhalb der Sozialdemokratie, und man braucht für den ostdeutschen Anteil der Politik nicht die PDS.
Heinlein: Wenn Sie über die bundespolitischen Auswirkungen dieser neuen Koalition nachdenken, befürchten Sie auch Auswirkungen auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf Ihrer Partei, der Sozialdemokraten?
Meckel: Es wird natürlich den Wahlkampf erschweren, weil man dies in Teilen der CDU zum Thema machen wird, insbesondere dort, wo es überhaupt gar kein Thema ist, in Bayern und in anderen Bereichen Süddeutschlands. Auch Frau Merkel wird es versuchen. Insofern wird es den Wahlkampf durchaus erschweren, und wenn wir mit Herrn Stoiber rechnen müssen - und davon gehe ich aus -, dann wird es mit Sicherheit ein großes Thema für die CDU sein. Ich glaube aber nicht, dass das die Wählerinnen und Wähler in erster Linie interessiert. Meine Kritik bezieht sich vor allem auf die Perspektive dieser Stadt und auf die bundespolitische Auswirkung. Letzteres - wie gesagt - halte ich für problematisch, insbesondere für die SPD, für künftige Strategien von Mehrheitsfähigkeit. Da sehe ich ein Problem, und ich sehe natürlich, dass das, was die PDS jetzt zur Vergangenheit unterschrieben hat, noch nicht wirklich in der PDS verarbeitet worden ist. Wie so oft gab es Initiativen - und Gysi hat hier eine wichtige Rolle gespielt -, die Vergangenheit aufzuarbeiten, und er ist bisher an seiner Partei gescheitert. Diesmal wird er an der Partei nicht scheitern, weil sie diese Präambel im Zusammenhang der Regierungsbeteiligung mitentscheiden müssen, und diese Regierungsbeteiligung ist ihnen mehr Wert, als alles andere, weil sie genau wissen, dass es ein wichtiger Startschuss für die Westausdehnung ist.
Heinlein: Herr Meckel, sprechen wir über diese Präambel, auch wenn Sie den Wortlaut noch nicht genau kennen. Es ist keine Entschuldigung - so viel ist klar - aber ein Eingeständnis von Schuld für die Maueropfer und die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED. Meinen Sie denn, dass die Maueropfer und die Leidtragenden der SED-Diktatur insgesamt mehr verdient hätten, als dieses Eingeständnis von Schuld, nämlich eine klare Entschuldigung?
Meckel: Ich weiß nicht, ob der Unterschied so wahnsinnig groß ist. Ich denke, dass ein Eingeständnis von Schuld und eine Feststellung, dass dieses Regime ein Unrechtsregime war - von dem ich nicht weiß, ob das drinsteht, denn bisher hat Frau Zimmer dies immer abgelehnt -, eine wichtige Aussage wäre, weil ja mit dem Unrechtsregime nicht gesagt ist, dass alles in der DDR Unrecht gewesen wäre, sondern es meint die Unrechtsförmlichkeit dessen, was getan wurde, d.h. dass Recht jederzeit im Staatsinteresse gebrochen werden konnte und gebrochen wurde, und dass zahlreiche Unrechtshandlungen von Anfang an zum Wesen dieses Systems gehörten. Das wäre eine zentrale und wichtige Aussage, die bisher von der PDS nicht zu bekommen war, die aber eine wichtige Grundlage für eine demokratische Entwicklung und für eine Verlässlichkeit in Bezug auf Fragen der Demokratie ist. Deshalb schaue ich natürlich auch mit einer gewissen Skepsis auf die Mitspracherechte der PDS in Bezug auf die Besetzung des Justizsenators. Auch da wird man noch einmal genau hinsehen müssen, weil es natürlich nicht sein kann, dass über den Justizsenator eine Entschuldung, auch in Bezug auf Personen, stattfindet, und dass man versucht, diesen ganzen Bereich herauszuhalten.
Heinlein: Aber Sie haben doch gerade den Herrn Strieder gehört. Ist das, was er gesagt hat, durchaus in Ihrem Sinne?
Meckel: Das, was er gesagt hat, ist durchaus in meinem Sinne, und ich muss hier ganz klar sagen, dass diese Aussagen wichtige Aussagen sind, von denen ich jetzt hoffe, dass sie bei dem auch implementiert werden, was in der PDS künftig diskutiert und beschlossen wird, auch unabhängig von dieser Frage der Regierungsbeteiligung. Es muss auch natürlich etwa bei der Finanzierung von Gedenkstätten und von der Aufarbeitung im Haushalt für den Stasi-Beauftragten in Berlin implementiert werden, wo vieles getan wird für Gruppen und Initiativen, die sich mit dieser Aufarbeitungsfrage beschäftigen. Wir brauchen eine andere Atmosphäre und politische Kultur von Seiten der PDS in diesen Fragen.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Meckel: Ich halte das für ein Ergebnis, von dem klar war, dass es kommen wird. Man hat jetzt auch zur Vergangenheit eine Präambel gemacht, die ich, nach allem, was ich weiß - ich kenne den Wortlaut noch nicht -, im Einzelnen für sehr vernünftig halte. Es ist ein Tag, der absehbar war, dessen Probleme aber, die ich sehe, in den Folgen für den Bund, in den Folgen für die Entwicklung in der Parteienlandschaft in Deutschland, insbesondere für die SPD, viel früher seine Wurzeln haben. Ein Tag, von dem man sehen muss, wie jetzt die Berliner Politik aussehen wird.
Heinlein: Hätten Sie 1989 erwartet, dass eine Nachfolgepartei so rasch an die Macht in Berlin zurückkehrt?
Meckel: Das hätte ich nicht gedacht. Ich hätte nicht geglaubt, dass so viele Berlinerinnen und Berliner dieser Partei Vertrauen schenken könnten. Hier sind durchaus manche Fragen an die gesamtdeutschen Parteien zu stellen, denn das ist die PDS ja noch nicht, und dies ist gerade meine Kritik an dieser Entwicklung, auch in meiner eigenen Partei, dass man der PDS gewissermaßen einen Steigbügel für die Westausdehnung gibt, um dann wirklich zu einer gesamtdeutschen Partei zu werden, und das halte ich für hochproblematisch, da es künftige Mehrheitsbildungen für sozialdemokratisch geführte Bundesregierungen erschweren wird.
Heinlein: Diese Kritiker werden Ihnen nun wiederum entgegenhalten, dass der neue Senat das ehrliche Spiegelbild des Widerwillens in Gesamtberlin ist.
Meckel: Auch in Ostberlin, wo etwa 47 Prozent für die PDS waren, muss man ja deutlich sagen, dass es dort offensichtlich 53 Prozent waren, die nicht die PDS wollten, und das ist eine deutliche Mehrheit. Insofern gilt das so einfach dann eben auch nicht, und es gibt mit den entsprechenden%en nur das Anrecht auf entsprechende Repräsentanz im Abgeordnetenhaus, und da bin ich schon immer für ein faires Miteinanderumgehen gewesen, nicht für ein Beschimpfen, nicht für Ausgrenzung, sondern für eine vernünftige, ordentliche parlamentarische Arbeit. Ich denke aber, für die Zukunft wird es wichtig sein, dass man bestimmte Dinge vermeidet, und hier ist mir noch nicht klar, wie die SPD das tun will, denn die zweite große Gefahr, die ich neben der Westausdehnung sehe, ist, dass nun ein öffentliches Bild entsteht, die SPD stünde für den Westen und die PDS für den Osten. Man macht damit genau die Ost-SPD zu einem Problem. Deshalb halte ich es für wichtig - und ich habe es vor längerer Zeit schon gefordert -, dass wenigstens zwei von den Senatorenposten mit Sozialdemokraten aus Ostdeutschland besetzt werden, denn es muss ganz klar sein, die ostdeutsche Sozialdemokratie ist eine wichtige Stimme innerhalb der Sozialdemokratie, und man braucht für den ostdeutschen Anteil der Politik nicht die PDS.
Heinlein: Wenn Sie über die bundespolitischen Auswirkungen dieser neuen Koalition nachdenken, befürchten Sie auch Auswirkungen auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf Ihrer Partei, der Sozialdemokraten?
Meckel: Es wird natürlich den Wahlkampf erschweren, weil man dies in Teilen der CDU zum Thema machen wird, insbesondere dort, wo es überhaupt gar kein Thema ist, in Bayern und in anderen Bereichen Süddeutschlands. Auch Frau Merkel wird es versuchen. Insofern wird es den Wahlkampf durchaus erschweren, und wenn wir mit Herrn Stoiber rechnen müssen - und davon gehe ich aus -, dann wird es mit Sicherheit ein großes Thema für die CDU sein. Ich glaube aber nicht, dass das die Wählerinnen und Wähler in erster Linie interessiert. Meine Kritik bezieht sich vor allem auf die Perspektive dieser Stadt und auf die bundespolitische Auswirkung. Letzteres - wie gesagt - halte ich für problematisch, insbesondere für die SPD, für künftige Strategien von Mehrheitsfähigkeit. Da sehe ich ein Problem, und ich sehe natürlich, dass das, was die PDS jetzt zur Vergangenheit unterschrieben hat, noch nicht wirklich in der PDS verarbeitet worden ist. Wie so oft gab es Initiativen - und Gysi hat hier eine wichtige Rolle gespielt -, die Vergangenheit aufzuarbeiten, und er ist bisher an seiner Partei gescheitert. Diesmal wird er an der Partei nicht scheitern, weil sie diese Präambel im Zusammenhang der Regierungsbeteiligung mitentscheiden müssen, und diese Regierungsbeteiligung ist ihnen mehr Wert, als alles andere, weil sie genau wissen, dass es ein wichtiger Startschuss für die Westausdehnung ist.
Heinlein: Herr Meckel, sprechen wir über diese Präambel, auch wenn Sie den Wortlaut noch nicht genau kennen. Es ist keine Entschuldigung - so viel ist klar - aber ein Eingeständnis von Schuld für die Maueropfer und die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED. Meinen Sie denn, dass die Maueropfer und die Leidtragenden der SED-Diktatur insgesamt mehr verdient hätten, als dieses Eingeständnis von Schuld, nämlich eine klare Entschuldigung?
Meckel: Ich weiß nicht, ob der Unterschied so wahnsinnig groß ist. Ich denke, dass ein Eingeständnis von Schuld und eine Feststellung, dass dieses Regime ein Unrechtsregime war - von dem ich nicht weiß, ob das drinsteht, denn bisher hat Frau Zimmer dies immer abgelehnt -, eine wichtige Aussage wäre, weil ja mit dem Unrechtsregime nicht gesagt ist, dass alles in der DDR Unrecht gewesen wäre, sondern es meint die Unrechtsförmlichkeit dessen, was getan wurde, d.h. dass Recht jederzeit im Staatsinteresse gebrochen werden konnte und gebrochen wurde, und dass zahlreiche Unrechtshandlungen von Anfang an zum Wesen dieses Systems gehörten. Das wäre eine zentrale und wichtige Aussage, die bisher von der PDS nicht zu bekommen war, die aber eine wichtige Grundlage für eine demokratische Entwicklung und für eine Verlässlichkeit in Bezug auf Fragen der Demokratie ist. Deshalb schaue ich natürlich auch mit einer gewissen Skepsis auf die Mitspracherechte der PDS in Bezug auf die Besetzung des Justizsenators. Auch da wird man noch einmal genau hinsehen müssen, weil es natürlich nicht sein kann, dass über den Justizsenator eine Entschuldung, auch in Bezug auf Personen, stattfindet, und dass man versucht, diesen ganzen Bereich herauszuhalten.
Heinlein: Aber Sie haben doch gerade den Herrn Strieder gehört. Ist das, was er gesagt hat, durchaus in Ihrem Sinne?
Meckel: Das, was er gesagt hat, ist durchaus in meinem Sinne, und ich muss hier ganz klar sagen, dass diese Aussagen wichtige Aussagen sind, von denen ich jetzt hoffe, dass sie bei dem auch implementiert werden, was in der PDS künftig diskutiert und beschlossen wird, auch unabhängig von dieser Frage der Regierungsbeteiligung. Es muss auch natürlich etwa bei der Finanzierung von Gedenkstätten und von der Aufarbeitung im Haushalt für den Stasi-Beauftragten in Berlin implementiert werden, wo vieles getan wird für Gruppen und Initiativen, die sich mit dieser Aufarbeitungsfrage beschäftigen. Wir brauchen eine andere Atmosphäre und politische Kultur von Seiten der PDS in diesen Fragen.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio