Lange: Die Wirtschaft sagt, die Regierung ist Schuld mit ihrer politisch gewollten Belastung der Energiepreise, die Regierung sagt, es sind die Konzerne, die jetzt zulangen. Wer hat Recht oder haben beide Recht?
Vahrenholt: Also zunächst mal hat aktuell die Regierung Recht, weil sich diese Lasten seit dem letzten Jahr überhaupt nicht verändert haben, deswegen kann man das damit nicht begründen. Was wir feststellen ist in der Tat ein gestiegener Gaspreis, insofern kann man Eons Preiserhöhung etwas nachvollziehen, bei der RWE sind die Steinkohlepreise gestiegen und zwar auch die Importkohlepreise. Wir haben mittlerweile einen fast doppelt so hohen Steinkohlepreis wie noch vor einem halben Jahr. Was man nicht verstehen kann ist die Wattenfall, die hat überhaupt keinen Grund die Preise anzuheben, denn sie lebt nachhaltig von Braunkohle und Kernenergie und beide Komponenten haben sich nicht verteuert. Insofern wird glaube ich ein Argument hergeholt, um mitzuschwimmen, um Preise zu erhöhen kurz bevor der Regulator einen solchen Monopolpreisanstieg verhindern kann im nächsten Jahr.
Lange: Also damit teilen Sie auch die These von Umweltminister Trittin, der genau dies behauptet hat, bevor die Regulierungsbehörde ihre Arbeit aufnimmt, wird noch mal kräftig hingelangt.
Vahrenholt: Es geht ja nicht nur um die Strompreise, man erhöht ja auch die Durchleitungsentgelte. Wenn ein Wettbewerber - sagen wir ein holländisches Unternehmen oder ein belgisches Unternehmen - einen deutschen Energieverbraucher beliefern will, eine Kupferhütte, dann muss er in Zukunft mehr Durchleitungskosten bezahlen. Das behindert den Wettbewerb. Es zeigt sich schon, dass hier die vier Oligopole ihre Monopolstellung massiv ausbauen wollen, Wettbewerb wird ausgeschaltet und insofern ist es dringend Zeit für eine Regulierungsbehörde, wie wir sie auch bei der Telekom kennen. Ich glaube aber, dass die Strategen bei den Energiekonzernen hier ihre Monopolstellung zu früh ausgereizt haben. Monopole machen ja bequem, auch beim Denken und offenbar haben sie das ausgeschaltet, denn jetzt haben sie Politik auf den Plan gerufen, und dass selbst eine Opposition, eine CDU, in deren Wirtschaftsrat Energiekonzerne reichlich vertreten sind, nach Verschärfung ruft, damit hatten sie glaube ich nicht gerechnet. Das war insofern eine sehr unkluge Aktion der Manager insbesondere von Wattenfall und RWE, Eon hält sich da ja etwas zurück und ist sicherlich durch den Gaspreis am meisten getroffen.
Lange: Herr Vahrenholt, es hat eine Liberalisierung des Strommarktes gegeben vor einiger Zeit. Der Verbraucher kann wählen zwischen verschiedenen Anbietern. Warum funktionieren diese Marktmechanismen bis jetzt offenbar trotzdem nicht?
Vahrenholt: Es hat eine Zeit des heftigen Wettbewerbs gegeben und dann hat man festgestellt, dass das zu Lasten der Gewinne geht. Es gibt vier große Energiekonzerne in Deutschland, neben den drei genannten gibt es noch die NBW in Baden-Württemberg und das ist ein informelles Kartell. Man macht keinen Wettbewerb, man schlägt kein Wettbewerbsunternehmen mehr zu Lasten auch des eigenen Bestandes, das respektiert man, die früheren Monopolgrenzen respektiert man mehr oder weniger. Man hält die Durchleitungskosten hoch und dadurch verhindert man das und das muss beides auf den Prüfstand. Preise müssen vorher geprüft werden, bevor man die Anträge stellt und ich denke das wird die Regulierungsbehörde tun. Was mich besonders ärgert, das muss ich Ihnen allerdings sagen, ist, dass dann mit solchen fadenscheinigen Argumenten argumentiert wird. Naja, jetzt sind die regenerativen Energien so viel teuer geworden, deswegen hauen wir da mal vier bis fünf Prozent drauf. 0,4 Prozent macht erneuerbare Energie, macht Windenergie in Deutschland bei den Strompreisen aus. Das zeigt die Absicht und man ist verstimmt und ich kann die Politik verstehen, dass sie verstimmt ist, ich kann aber auch die Bürger verstehen, die verstimmt sind und ich glaube, das wird ein ganz übler Phyrrussieg für die Energiekonzerne, die sich damit keinen Gefallen getan haben. Wir brauchen alles andere als Preiserhöhungen auf der Stromseite.
Lange: Da sprach jetzt zum Teil der Chef von Repowersystems, der auch seine eigenen Interessen tangiert sieht. Aber um noch mal auf die Regulierungsbehörde zurückzukommen: Was kann und sollte die bewirken? Sind die Erfahrungen der Telekom und der Regulierungsbehörde so positiv - das geht ja sowieso unter ein Dach - sind die wirklich so positiv, dass man das so fortschreiben kann?
Vahrenholt: Nun muss man sagen, dass die Preise der Telekom seit Einrichtung der Regulierungsbehörde dramatisch heruntergedrückt worden sind, es hat Wettbewerb gegeben. Sie wissen um die langen Auseinandersetzungen der Telekom über die Durchleitungsgebühren, das hat bewirkt, dass insgesamt die Preise gesenkt wurden. Das muss dringend kommen.
Lange: Das glauben Sie auch, dass das kommt?
Vahrenholt: Ja, da bin ich ganz sicher, das Gesetz ist auf dem Weg, es steht jetzt im Bundesrat. Bis jetzt war ja zu befürchten, dass die Zweidrittelmehrheit der CDU das verhindert, beziehungsweise nicht die Zweidrittelmehrheit aber die deutliche Mehrheit, sie brauchen ja auch die Mehrheit des Bundesrates - Zweidrittel wird es ja hoffentlich so schnell nicht geben. Aber das bedeutet, dass jetzt die CDU auch wach geworden ist und mit Sicherheit eher noch Verschärfung einbringen wird und ich finde es gut so.
Lange: Gehen wir noch mal auf die anderen Preise ein. Für den Laien ist ja nicht ganz verständlich: Erdgas ist politisch gewollt an den Preis von Erdöl gekoppelt. Muss das so sein oder ist es endlich mal an der Zeit das aufzuheben?
Vahrenholt: Das muss nicht so sein, das ist richtig, weil die Einsatzgebiete völlig unterschiedlich sind. Das ist eine Tradition, an der sich insbesondere Russland ein großes Stück vom Kuchen abschneidet, denn die Ölpreise sind massiv gestiegen. Dass die Erdgaspreise parallel so massiv steigen, dafür gibt es keinen Grund. Natürlich wird jetzt auch mehr Erdgas verbraucht, es ist auch ein Ersatz teilweise für Öl. Das ist ein Punkt, den man aber nicht in Deutschland regeln kann. Das ist ein Punkt, den man durch die Weltmärkte regeln kann. Nur das können Sie nicht regeln, wenn Knappheit da ist. Im Augenblick haben wir Knappheit an Öl und dann kann man natürlich nicht auf dem Weltmarkt solche Veränderungen herbeiführen. Ich glaube aber auch nicht, dass wir wieder neue Zustände bekommen, wo Überschuss an Öl da ist. Ich kann also insofern den Verbrauchern in Deutschland nicht viel Positives für die Zukunft prognostizieren. Wir werden mit sehr hohen Ölpreisen und damit verbunden hohen Gaspreisen und hohen Steinkohlpreisen zu rechnen haben, weil der Bedarf, der Energiehunger Chinas und Indiens uns die Energiemärkte leer schlürft und die Ölförderländer können den Bedarf nicht mehr befriedigen. Die sind am Ende. Auch mit vielen neuen Ölvorkommen wird es nicht zu befriedigen sein. Wir müssen schon zehnmal die Nordsee finden, um alleine das zu ersetzen, was in den nächsten Jahren wegfällt. Wir werden uns mit steigenden Energiepreisen zu befassen haben. Das heißt, effizienter sein, Wärmedämmung in den Häusern, Automobile kaufen, die effizient Energie verbrauchen.
Lange: Noch ein Wort zur Steinkohle. Durch die höheren Preise wird ja auch die deutsche Steinkohle wieder wettbewerbsfähiger. Wird das Auswirkungen haben müssen auf zum Beispiel die Subventionspolitik?
Vahrenholt: Ja absolut. Deutschte Steinkohle kostet 120 Dollar pro Tonne, 40 Dollar kostete die Importkohle, jetzt kostet sie schon 80 Dollar. Das freut natürlich Herrn Eichel, denn er braucht nicht mehr so viele Subventionen zu zahlen. Das spart Deutschland insgesamt sicherlich anderthalb Milliarden pro Jahr und das ist noch nicht am Ende. Das ist noch nicht das Ende zu glauben, dass wir die Ruhrkohle irgendwann mal wettbewerbsfähig bekommen, da muss ich sagen müssen wir noch ein bisschen warten, aber es ist nicht ausgeschlossen. Ich kann mir gut vorstellen, 50 bis 60 Dollar pro Barrel und ein Steinkohlepreis von 100 Dollar pro Tonne und dann werden wir auf einmal in einer veränderten Welt wieder aufwachen und uns fragen, inwieweit wir es geschafft haben, so importabhängig zu sein von Ländern, die uns die Energie ja nicht schenken wollen.
Lange: In den Informationen am Morgen war das Fritz Vahrenholt, er ist zur Zeit Vorstandschef von Repower Systems, ehemaliger Chef der Shell. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Vahrenholt: Danke auch.