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Kritik an Fokus auf Forschung

Der Wissenschaftsrat berät die Regierungen von Bund und Ländern zu Fragen rund um Hochschulen, Wissenschaft und Forschung. Heute legt er seinen Bericht zu den Hochschulen vor. Darin wird laut Wissenschaftsjournalist Armin Himmelrath harsche Kritik geäußert am Zustand der Lehre an den deutschen Unis. Der Rat fordere insgesamt 1,1 Milliarden Euro mehr pro Jahr für die Verbesserung der Lehre, so Himmelrath.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Der Wissenschaftsrat berät die Regierungen von Bund und Ländern zu Fragen rund um Hochschulen, Wissenschaft und Forschung. Heute legt er seinen Bericht zu den Hochschulen vor. Das Gremium, bestehend aus Wissenschaftlern, Experten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, meldet harsche Kritik an. Die Qualität der Lehre an Universitäten und Hochschulen sei teilweise miserabel. Ins Studio gekommen ist Armin Himmelrath, Wissenschaftsjournalist aus unserer Redaktion "Campus und Karriere". Was läuft denn nach Ansicht des Rates so verkehrt?

    Armin Himmelrath: Der Wissenschaftsrat sagt, im Wesentlichen wird an den Universitäten und Fachhochschulen auf die Qualität der Forschung geachtet. Forschung steht im Mittelpunkt, wenn es darum geht, einen Professor, eine Professorin zu beurteilen, zu gucken wie gut arbeiten die eigentlich. Und der andere wichtige Teil, der eben bei der Arbeit vorkommt, nämlich die Lehre, die Ausbildung der Studierenden, der spielt im Grunde gar keine Rolle und entsprechend schlecht sei diese Lehre auch an den Hochschulen. Diese Kritik ist nicht ganz neu. Das wird schon länger gesagt. Auch der Wissenschaftsrat hat sich immer mal wieder dazu geäußert, aber noch nie so klar, wie das heute bekannt gegeben werden wird beziehungsweise wie es am Wochenende dann schon durchgesickert ist. Die Ansage des Wissenschaftsrates lautet einfach: Hier muss die Politik, die Wissenschaftspolitik in Bund und Ländern massiv gegensteuern, um endlich die Lehre auf ein international vergleichbares und damit auch gutes Niveau zu bringen.

    Engels: Das heißt viele Professoren tun alles für ihre Forschung, aber nicht so viel für ihre Studenten. Kann man die denn stärker unter Druck setzen?

    Himmelrath: Das ist ein bisschen das Problem. Das ist einer der Kritikpunkte, den der Wissenschaftsrat auch angesprochen hat. Er sagt in seiner Stellungnahme, die Professoren können sich im Grunde alles leisten und müssen trotzdem gar keine Konsequenzen irgendwelcher Art befürchten oder nur sehr, sehr spät. Das heißt sie müssen schon monatelang, vielleicht jahrelang ihre Vorlesungen ausfallen lassen, aber solange sie formell die Vorlesungen abhalten - das kann auch zu unmöglichen Zeiten sein, das kann langweilig sein bis dort hinaus, das kann einfach schlecht vorbereitet sein -, solange sie das formell korrekt machen, kann man ihnen im Grunde kaum an den Karren fahren. Da, sagt der Wissenschaftsrat, muss einfach mehr Druck her.
    Er möchte aber auf der anderen Seite auch die Wissenschaftspolitik in die Pflicht nehmen und sagen gut, wir brauchen auch mehr Geld, um dort etwas zu erreichen. Wir brauchen insgesamt etwas über 1,1 Milliarden Euro - und zwar nicht einmalig, sondern pro Jahr -, die alleine in diesen Lehrbetrieb hineinfließen, um zum Beispiel bessere Betreuungsverhältnisse für die Studierenden an den Massenuniversitäten herzustellen.

    Engels: Das Betreuungsverhältnis zwischen Professoren und Studenten gilt ja nach wie vor in vielen Bereichen als nicht optimal. Sind viele Professoren vielleicht auch überfordert?

    Himmelrath: Davon kann man ausgehen. Es ist bisher so, dass wir im Moment etwa ein Betreuungsverhältnis über alle Fächer im Durchschnitt von 1 zu 60 haben. Das heißt auf einen Professor kommen 60 Studierende. Vor 30 Jahren waren wir bei 1 zu 40. Also das hat sich massiv verschlechtert. Und es ist halt so: Durch die Unterbewertung der Lehre beziehungsweise andererseits die Überbewertung der Forschung ist es einfach so: Wer gute Forschung macht, kann im besten Fall den Nobelpreis bekommen. Wer gute Lehre macht, bekommt im besten Fall noch mehr Arbeit, weil dann nämlich noch mehr Studierende kommen. Die bringen Hausarbeiten mit. Die bringen Examensarbeiten mit, die betreut werden müssen. Von daher ist es für Professoren bisher auch unattraktiv, gut zu lehren, weil sie haben einfach kein Plus.

    Engels: Wie könnte man denn einen Anreiz für die Lehre setzen?

    Himmelrath: Es könnte zum Beispiel eine Möglichkeit sein, dass man sagt, wer gute Lehrqualität abliefert, wer ein gutes Feedback von den Studierenden bekommt und auch auf anderer Ebene zeigt, dass er in der Vermittlung seiner Inhalte gut ist, der wird zum Beispiel in bestimmten Bereichen der Forschung etwas freigestellt. Der muss einfach nicht mehr so viel forschen. - Jetzt ist es allerdings so, dass viele Professoren sagen, wir würden lieber forschen als lehren. Aber der Wissenschaftsrat sagt, das ist im Grunde der richtige Weg. Wir brauchen Leute, so genannte Lehrprofessoren, die tatsächlich schwerpunktmäßig in der Lehre eingesetzt werden, und natürlich wird es die geben. Nur bisher haben Menschen, die an den Hochschulen unterrichten wollen, im Grunde keinen Anreiz, in diese Karriere eines Professors hineinzutreten, weil es dort in erster Linie um Forschung geht. Genau das will der Wissenschaftsrat ändern.

    Engels: Sie haben es angesprochen: Der Wissenschaftsrat fordert eine gute Milliarde Euro mehr - und zwar pro Jahr. Da fasst sich doch der Beobachter etwas an den Kopf. War da nicht viel die Rede von Exzellenz-Initiativen, von Elite-Universitäten und nicht zuletzt auch von Studiengebühren. Warum nützt denn das ganze Geld nichts?

    Himmelrath: Der ganze Bereich der Exzellenz-Initiative und der Elite-Universitäten, über den wir in den vergangenen zwei Jahren ja relativ häufig auch berichtet haben, richtet sich tatsächlich nur auf die Forschung. Das ist das, was im Grunde etwas fortsetzt - wir haben es eben angesprochen -, was schon seit Jahrzehnten üblich ist. Die Forschung ist wichtig an den Unis; die Lehre ist nur zweitwichtig. Das will der Wissenschaftsrat jetzt ändern. Die Studiengebühren sind ein etwas anderer Fall. Das sind etwas weniger Gelder. Da sagen die Landesgesetze ja, dieses Geld muss in die Lehre gehen. Aber das kann natürlich nicht auf diese Summe von einer Milliarde Euro oder mehr pro Jahr kommen. Deshalb sagt der Wissenschaftsrat: jetzt ein politisches Zeichen. Wir müssen hier etwas tun. Wir müssen die Lehre tatsächlich verbessern. Letztlich müssen wir ein Gegengewicht setzen zu dieser Schwerpunktsetzung auf die Forschung, wie wir es in den letzten zwei Jahren mit dem Elite-Wettbewerb erlebt haben.

    Engels: Der Wissenschaftsrat verlangt Verbesserungen der Lehrqualität an den deutschen Universitäten. Armin Himmelrath ordnete für uns die Kritik ein, die heute vorgelegt werden wird. Der genaue Bericht und die Einzelheiten wird natürlich auch ein Thema in "Campus und Karriere" sein, unserer Sendung ab 14:35 Uhr.