Donnerstag, 28. März 2024

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Kritikergespräch
Neue Literatur von Thomas Klupp und Wolf Haas

Zwei rasante Romane über Jugendliche, mit Ironie durchtränkt und versetzt mit Jugendjargon, die dennoch beide keine Jugendromane sind. Ein verlogenes, bürgerliches Milieu wird ausgestellt - und eine Sehnsucht nach Liebe und Leben.

Katharina Teutsch und Tobias Lehmkuhl im Gespräch mit Hubert Winkels | 13.03.2019
Buchcover links: Thomas Klupp: „Wie ich fälschte, log und Gutes tat“, Buchcover rechts: Wolf Haas: „Junger Mann“
Thomas Klupp: „Wie ich fälschte, log und Gutes tat“ und Wolf Haas: „Junger Mann“ (Buchcover links: Berlin Verlag, Buchcover rechts: Hoffmann und Campe, Hintergrund: Gerda Bergs)
Mit dem Jugend-Roman "Paradiso" wurde der Hildesheimer Literaturdozent Thomas Klupp 2009 schlagartig bekannt. Fast zehn Jahre später nun erscheint der Roman: "Wie ich fälschte, log und Gutes tat"; er spielt wiederum in Weiden in der Oberpfalz. Weiden ist eine Vorzeigekleinstadt: Die Wirtschaft brummt, von den Lady-Lions gibt es Charity-Barbecues für Flüchtlinge, die Oberschule ruft eine Leistungsinitiative in den MINT-Fächern aus, die Tennisjugend gewinnt das Landesfinale.
Benedikt Jäger und seine Kumpels Vince und Prechtl stecken mittendrin in dieser schönen Welt, die alle Abgründe vertuscht: nämlich die Lügen, auf denen die bürgerlichen Existenzen aufgebaut sind. Und Benedikt Jäger steckt mittendrin in einer familiären Lügenkette und führt sie weiter mit diversen Arten des Schulbetrugs. Vorwiegend heiter ist das erzählt, in einem an aktuelle Jugendsprache angelehnten Kunst-Jargon.
Beide Kritiker bemängeln, dass diese Stillage, aber auch die Entwicklung von Handlung und Figur keine wirkliche Dramatik zukommt, keine Fallhöhe.
Thomas Klupp: "Wie ich fälschte, log und Gutes tat"
Berlin Verlag im Piper Verlag, München/Berlin. 256 Seiten, 20 Euro.
Das sehen die beiden Kritiker beim durchaus vergleichbaren Roman "Der Junge Mann" von Wolf Haas durchaus anders. Hier erkennen sie eine coming-of-age-Geschichte, eine Entwicklung der unterschiedlichen Charaktere und einen zarten Witz.
In "Der junge Mann" erzählt der übergewichtige und drunter leidende Ich-Erzähler vom Österreich des Jahres 1973, dem Jahr der ersten Ölkrise, mit Energieferien und autofreien Tagen. Ausgerechnet da jobbt der Teenager als Tankwart. Dabei hat er es nicht nur mit "Teheranfahrern" wie dem elf Jahre älteren Lastwagenlenker Tscho zu tun, sondern erblickt auch bald die Frau, die sein Leben durcheinanderbringt. "Noch nie hatte ich so ein Lächeln gesehen. Überhaupt noch nie so ein Gesicht. Diesem Gesicht sah man unzweifelhaft an, dass meine fensterputzerische und eiskratzerische Hingabe geschätzt und gewürdigt wurde."
Mit seinen dreizehn Jahren beginnt er in den Sommerferien eine radikale Abmagerungskur. Weil ihn unvorbereitet dieses zauberhafte Lächeln getroffen hat. Das Problem am Verlieben: Der Ehemann der Schönen, der Lastwagenfahrer Tscho. Eines Tages taucht der gefürchtete Lastwagenfahrer überraschend zwischen Diesel-Zapfsäule und Tankstellenshop auf und macht dem jungen Mann ein Angebot für eine Reise, das er nicht ablehnen kann.
Einen "verhaltenen", einen "zärtlichen" Roman nennt Tobias Lehmkuhl Wolf Haas´ "Der junge Mann: Und Katharina Teutsch sieht die Entfaltung der Figuren ganz in der souveränen Sprachgestaltung entwickelt, die einer jugendlichen Weltsicht entspricht.
Wolf Haas: "Junger Mann"
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg. 240 Seiten, 22 Euro.