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Kubicki: Kieler Koalition seit Jahren inhaltlich am Ende

Die schleswig-holsteinische FDP will nach den Worten ihres Fraktionschefs Wolfgang Kubicki alles daran setzten, eine Neuauflage der Großen Koalition zu verhindern. Zugleich wies Kubicki Vorwürfe zurück, seine Partei habe den Bruch des Bündnisses in Kiel zusammen mit der CDU geplant. Er sei genauso überrascht gewesen wie die anderen Abgeordneten, als Ministerpräsident Carstensen die Zusammenarbeit mit der SPD für beendet erklärt habe.

Wolfgang Kubicki im Gespräch mit Mario Dobovisek. Moderation: Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Einschätzungen vom schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki hat in unserem "Journal vor Mitternacht" mein Kollege Mario Dobovisek eingeholt. Ob es sich um ein Trauerspiel, ein Drama oder gar eine Lachnummer handele, das hat er ihn als Erstes gefragt.

    Wolfgang Kubicki: Es war ein Trauerspiel, denn nach der Kündigung der Koalition am letzten Mittwoch durch CDU und Ministerpräsident hat die Chance bestanden, am Montag auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrages von allen Fraktionen außer der SPD den Landtag aufzulösen. Das ist bedauerlicherweise nicht gelungen, das wäre der parlamentarisch saubere Weg gewesen. Stattdessen erleben wir seit Mittwoch letzter Woche wechselseitige Schuldzuweisungen, obwohl wir wissen, dass eine zerrüttete Ehe beendet werden kann und man sich der Zukunft zuwenden muss. Also es war ein Trauerspiel.

    Mario Dobovisek: Und das Ende der Großen Koalition sei von langer Hand geplant gewesen, von Verschwörung ist die Rede, dabei fällt auch hin und wieder Ihr Name, Herr Kubicki. Was wussten Sie von Carstensens Plänen und vor allem wann?

    Kubicki: Überhaupt nichts. Ich glaube, da leidet jemand unter Verfolgungswahn. Ich bin am Mittwochnachmittag genau wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen des Landtages völlig überrascht worden von der Entscheidung der CDU und von Ministerpräsident Carstensen. Das war eine Spontanreaktion wohl auf die letzte Beleidigung des Fraktionsvorsitzenden der SPD in Richtung CDU, sie mit der Barschel-Affäre des Jahres 1987 zu vergleichen, und der Bitte darauf, klarstellend zu reagieren, ist er nicht nachgekommen. Ich nehme an, das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.

    Dobovisek: Eine Überreaktion?

    Kubicki: Die Koalition ist seit mehreren Jahren bereits inhaltlich am Ende. Wir hatten ja wöchentlich die Aufführung der Dokusoap, der Ministerpräsident Carstensen droht mit dem Ende der Koalition und Ralf Stegner entschuldigt sich. Da ging es sogar so weit, dass die Oppositionsfraktionen aus FDP und Bündnis 90/Die Grünen sich schon geweigert haben, das noch zu kommentieren. Wir hatten ja gemeinsam, also FDP, Bündnis 90 /Die Grünen und SSW als Hilferuf bereits im Mai die Aufhebung des Landtages begehrt. Damals haben sich CDU und SPD noch verweigert, jetzt ist es so weit.

    Dobovisek: Kein Vertrauen für Peter Harry Carstensen, auch nicht von den Abgeordneten der FDP, trotzdem wollen sie nach den Wahlen mit Carstensen koalieren, wie passt das zusammen?

    Kubicki: Na ja, die Vertrauensfrage ist zunächst eine Frage der Regierung insgesamt an das Parlament, ob das Parlament noch eine Mehrheit sicherstellen kann, die Politik, die bisher von der Regierung vorgenommen worden ist, fortzusetzen. Es war klar, dass die Opposition grundsätzlich schon, weil sie Opposition ist, nicht zustimmen kann.

    Dobovisek: Aber die Frage stellt der Regierungschef.

    Kubicki: Ja, das muss ja so, das steht in der Verfassung, aber er stellt sie sozusagen als Vertrauensfrage für die gesamte Regierung. Nachdem nun feststeht, dass die Große Koalition am Ende ist, der wir ohnehin kein Vertrauen ausgesprochen hätten, bestand auch keine Veranlassung, das Vertrauen ihr zu erklären, denn wir wollen Neuwahlen und so schnell wie möglich, die Bürgerinnen und Bürger auch. Wir wollen mit der Union gemeinsam regieren nach der nächsten Wahl, wenn die Menschen in Schleswig-Holstein das wollen, um eine handlungsfähige Mehrheit herzustellen. Wir glauben, dass wir die Union eher auf den Pfad der Tugend zurückbringen können, als mit den Sozialdemokraten vernünftig zu reden, denn das ist unter der Führung von Ralf Stegner schlicht und ergreifend ausgeschlossen.

    Dobovisek: Nun ist aber Peter Harry Carstensen in der öffentlichen Meinung sichtlich angeschlagen, kann es da überhaupt eine bürgerliche Mehrheit von CDU und FDP geben?

    Kubicki: Das werden die Menschen entscheiden bei der Wahl. Wir werden darum kämpfen, dass wir möglichst viele Stimmen für die FDP erhalten, denn wir sind der einzige Garant dafür, dass es keine Neuauflage einer Großen Koalition gibt, kein neues Gewürge der letzten Jahre, die für Schleswig-Holstein verlorene Jahre waren. Alles Weitere sehen wir dann am Wahlabend.

    Dobovisek: Momentan steht die CDU bei rund 36 Prozent, das klingt nicht gut.

    Kubicki: Die FDP steht bei rund 15 Prozent, das klingt aus unserer Sicht sehr gut, und wir werden darum kämpfen, noch mehr Menschen von unserer Leistung zu überzeugen, denn die Menschen in Schleswig-Holstein haben wirklich Besseres verdient als das, was ihnen in den letzten Jahren geboten wurde.

    Dobovisek: Trotzdem könnte es nicht reichen, dann Jamaika an der Waterkant, also eine Zusammenarbeit mit den Grünen. Können Sie sich das vorstellen?

    Kubicki: Momentan will ich mir das nicht vorstellen, weil ich darum kämpfe, dass die FDP so stark wie möglich wird. Aber ich habe zur Kenntnis genommen, dass der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Herr Habeck, öffentlich erklärt hat, er kann sich eine Zusammenarbeit mit der FDP vorstellen, die ja sozialliberaler sei als die Bundes-FDP, und auch ein Wolfgang Kubicki sei nicht so ein Neoliberaler wie Guido Westerwelle. Ich habe das mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, aber ich kann mir vorstellen, dass wir alles daran setzen müssen, eine neue Große Koalition zu verhindern.

    Dobovisek: Das heißt, Sie wollen nicht, aber Sie könnten?

    Kubicki: Ich schließe das jedenfalls nicht aus, denn wir hatten dieses Angebot bereits nach der letzten Landtagswahl unterbreitet und auch im Zwischenstadium unterbreitet, da waren die Grünen noch nicht so weit. Aber schauen wir mal, wie sich die weitere Lage entwickelt.

    Dobovisek: Sonst bliebe noch eine Neuauflage der Großen Koalition, die SPD-Fraktionschef Stegner übrigens nicht ausschließen will. Für mich klingt das nach absurdem Theater. Wie klingt das für Sie?

    Kubicki: Ich habe heute Morgen im Landtag gesagt, nachdem ich diese Meldung gelesen habe, habe ich mehr das Gefühl, das ist "Neues aus der Anstalt" und nicht Neues aus dem Parlament. Man kann sich doch nicht wie die Kesselflicker streiten. Man kann doch nicht ein schäbiges Bild in der Öffentlichkeit bieten, und zwar beiderseitig, und anschließend erklären, möglicherweise machen wir zusammen weiter. Das ist wirkliches absurdes Theater.

    Dobovisek: Aber Streit ist Demokratie, Demokratie ist Streit.

    Kubicki: Ja, Streit in der Sache ist das eine, persönliche Verletzungen, Eitelkeiten, Beleidigungen sind das andere. Wer wie Herr Stegner heute dem Ministerpräsidenten attestiert, er sei unwürdig, er würde lügen, er sei inkompetent, er sei nicht in der Lage, das Land zu führen, der kann doch nicht ernsthaft glauben, dass er unter diesem Ministerpräsidenten erneut in eine Regierungsverantwortung gerufen würde.

    Dobovisek: Eine der Ursachen für den Bruch der Großen Koalition ist neben den persönlichen auch der Streit um die angeschlagene Landesbank, die HSH Nordbank. Wer trägt die Schuld an dieser Affäre?

    Kubicki: Ach, wissen Sie, das ist zu früh zu sagen, wer trägt die Schuld. Wir wissen, dass Ralf Stegner als Finanzminister und Aufsichtsratsmitglied der HSH Nordbank viele von den Maßnahmen mitgetragen hat, die die hohen Verluste eingebracht haben. Er saß im Risikoausschuss 2004, als das Schnellankaufverfahren vorgestellt und genehmigt wurde. Ich finde es nachgerade peinlich, dass sich ausgerechnet Herr Stegner jetzt als Chefaufklärer in der HSH-Nordbank-Affäre hinstellt. Aber sicher ist auch, dass die CDU für die Landesregierung unter Carstensen und Wiegard, dem Finanzminister, in dieser Affäre kein glückliches Bild ergibt. Insbesondere Minister Wiegard hat das Parlament über die wahren Verhältnisse bei der HSH Nordbank lang im Unklaren gelassen. Und was die 2,9 Millionen Euro Sonderzahlung an Herrn Nonnenbacher angeht, tragen beide in gleicher Weise Verantwortung, aber ich hätte mir gewünscht, dass der Finanzminister unseres Landes eher die Interessen des Landes als die Interessen der Bank im Auge hat.