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Külahci: Gemeinsam die siegreiche Mannschaft feiern

Ahmet Külahci, Deutschlandkorrespondent von "Hürriyet", hält es für selbstverständlich, dass deutsche und türkische Medien zur Besonnenheit vor dem Spiel beider Länder aufrufen. Zum friedlichen Miteinander müssten beide Seiten eine Menge beitragen. Die Integration der Türken in die Bundesrepublik sei weiter vorangeschritten, als manche Medien und Politiker meinten, betonte Külahci.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: In Basel entscheidet sich heute Abend, wer ins Finale der Fußballeuropameisterschaft einziehen wird, die Türkei oder Deutschland. Der Sieger aus der Partie wird dann am Sonntag im Endspiel antreten müssen, entweder gegen Spanien oder gegen Russland. Anpfiff des Halbfinales heute Abend ist um 20:45 Uhr. In Basel dabei der türkische Staatspräsident Gül, nicht aber Regierungschef Erdogan. Das Interesse bei den 70 Millionen Türken ist mit Sicherheit nicht kleiner als hierzulande.

    Die Begegnung heute Abend ist mehr als ein ganz normales Fußballspiel, was natürlich vor allem daran liegt, dass in Deutschland etwa 2,8 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben. Die "Bildzeitung" hat die Parole ausgegeben "am Ende siegt die Freundschaft" und Politiker beschwören die Völker verbindende Kraft des Fußballs nicht zuletzt für die Integration. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereitheute Morgen im Deutschlandfunk:

    O-Ton Wowereit: Ich sehe dauernd in Berlin Autos, wo beide Flaggen zu sehen sind. Und ich bin auch stolz und zufrieden darüber, dass sehr viele türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger hier immer erklärt haben, egal wer gewinnt, wir gewinnen ja sowieso. Wir sind Vertreter beider Mannschaften und das ist ein schönes Zeichen.

    Spengler: Der Regierende Bürgermeister Berlins. - Am Telefon ist nun Ahmet Külahci, Deutschlandkorrespondent von Hürriyet. Guten Tag Herr Külahci!

    Ahmet Külahci: Hallo!

    Spengler: Ist Klaus Wowereit da etwas blauäugig, wenn er behauptet, dass die Deutschtürken hierzulande die Einstellung hätten, egal wer gewinnt, wir gewinnen ja sowieso, wir sind Vertreter beider Mannschaften?

    Külahci: Ich meine im Grunde genommen hat er Recht, aber selbstverständlich wünschen sich die Türken in der Bundesrepublik Deutschland und in der Türkei, dass die türkische Mannschaft weiterkommt, und das Gegenteil ist auch der Fall bei der deutschen Bevölkerung, dass die deutsche Mannschaft natürlich aus diesem Spiel als Sieger herausgeht.

    Spengler: Selbstverständlich! Wenn Politiker die deutsch-türkische Freundschaft hochleben lassen, wenn sogar Boulevard-Zeitungen betonen, dass die Rivalität zwischen Türkei und Deutschland zurückgegangen sei, dass heute die Freundschaft gewinnen müsse und gewinnen werde, muss man da nicht auch ein bisschen misstrauisch werden?

    Külahci: Ich weiß nicht, ob man das überhaupt so nennen soll. Ich bin sehr froh, dass sowohl die türkischen Medien als auch die deutschen Medien versuchen, eine ganz normale Deeskalationslinie zu fahren, und wir als "Hürriyet" sind auch dabei. Unsere gestrige Überschrift war "Hand in Hand mit zwei Fahnen zu diesem Spiel". Das war also ein Appell vom türkischen Botschafter hier in Berlin. Und heute steht als Überschrift "Die Bruderschaft über alles" sowohl in der Türkeiausgabe als auch in der Europaausgabe.

    Spengler: Ja und Ihr Chefredakteur von "Hürriyet" hat gemeinsam mit dem Chefredakteur der "Bildzeitung" auf Deutsch und auf Türkisch an die Fans appelliert, gemeinsam die siegreiche Mannschaft zu feiern, und hat auch betont, dass unabhängig vom Ausgang des Spiels die Sieger Freundschaft und Miteinander heißen müssen. Das finde ich alles wunderbar, aber sind solche Beschwörungen nötig?

    Külahci: Nein! Normalerweise sollte es nicht nötig sein. Aber ich finde, dass auch so etwas gemacht wird. Wir sind mindestens dafür, dass diese Menschen hier in der Bundesrepublik Deutschland, die türkischstämmigen Menschen, doch zum friedlichen Zusammenleben eine ganze Menge beitragen sollen und auch hier friedlich leben. Das soll auch so weitergehen.

    Spengler: Fürchten Sie denn, dass es Krawalle geben könnte?

    Külahci: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Die Türken haben in der letzten Zeit gezeigt, dass sie ganz fröhlich und friedlich feiern können. Das hat man nicht nur hier in Berlin gemacht, sondern auch in den anderen Orten in der Bundesrepublik Deutschland - zum Beispiel in Hamburg, in München, in Frankfurt und so weiter. Von daher bin ich davon überzeugt, egal wie das Spiel heute Abend ausgeht, die Türken werden genauso gut feiern können wie wenn die deutsche Mannschaft siegt. Deswegen, weil die türkische Mannschaft doch so weit gekommen ist. Man hat nicht damit gerechnet, dass die Türkei so weit kommt. Wir stehen jetzt im Halbfinale. Das ist eine großartige Sache.

    Spengler: Herr Külahci, nehmen wir einmal das Unvorstellbare an, dass die Türkei heute Abend gewinnt. Wie sieht es denn dann mit den deutschen Fans aus? Würden Sie auch sagen nein, da wird es keine Krawalle von frustrierten deutschen Fans geben?

    Külahci: Das hoffe ich nicht. Ich meine auch nach den deutschen Siegen hat es an manchen Orten hier in der Bundesrepublik Deutschland irgendwelche Krawalle gegeben. Ich wünsche es mir nicht, egal ob die Türkei oder die deutsche Mannschaft gewinnt, dass es zu solchen Krawallen kommt. Ich meine, das ist ein Fußballspiel. Das soll fair laufen. Und auch nach dem Fußballspiel soll man fair sein können. Das gilt sowohl für Türken als auch für Deutsche.

    Spengler: Wird dem Spiel möglicherweise zu viel gesellschaftspolitische Bedeutung beigemessen?

    Külahci: Das auf jeden Fall und auch zurecht glaube ich. Ich meine das spielt selbstverständlich eine sehr große Rolle, was Gesellschaftspolitik betrifft. Aber ich wünsche es mir wie gesagt, dass das Zusammenleben in der Bundesrepublik Deutschland nicht negativ beeinträchtigt wird durch dieses Spiel.

    Spengler: Das ist die Frage, ob es das wird. Wenn alles gut geht, ist das dann ein Zeichen dafür, dass wir hier alle ausländerfreundlich sind und dass die Integration gelungen ist, und wenn es dann umgekehrt Krawalle gibt, ist das dann ein Zeichen dafür, dass doch Ausländerfeindlichkeit herrscht und dass die Integration gescheitert ist, oder ist das alles übertrieben?

    Külahci: Nein. Das kann man durch ein Spiel nicht sagen, weder in negativer noch in positiver Hinsicht. Die Integration der Türken hier in der Bundesrepublik Deutschland ist selbstverständlich viel weiter, als manche Medien und auch manche Politiker meinen oder darstellen wollen. Wenn es also irgendwo oder von irgendwelchen dummen Menschen zu irgendwelchen Krawallen kommt, dann kann man auch nicht sagen, dass die Deutschen ausländerfeindlich sind. Nein! Das hat überhaupt nichts mit einem Spiel zu tun.

    Spengler: Warum gibt es noch keinen türkischstämmigen deutschen Nationalspieler?

    Külahci: Das ist eine sehr schöne und sehr gute Frage. Es hätte beinahe einige türkischstämmige deutsche Nationalspieler geben können, aber man hat nicht davon Gebrauch gemacht glaube ich. Ich meine wir wissen ja, dass in der Bundesliga gute türkischstämmige Spieler spielen. Sie haben alle die deutsche Staatsangehörigkeit. Diese Menschen sind hier geboren und aufgewachsen. Sie würden auch gerne hier spielen, aber die Frage sollten Sie an die deutsche Seite richten.

    Spengler: An den DFB also, den Deutschen Fußballbund?

    Külahci: So ist es! Der DFB und die anderen Verantwortlichen sollten diese Frage beantworten.

    Spengler: Danke schön! - Das war Ahmet Külahci, Deutschlandkorrespondent von Hürriyet. Wir wünschen uns ein gutes Spiel, Herr Külahci.

    Külahci: Das auf jeden Fall!

    Spengler: Tschüß!

    Külahci: Tschau.