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Künstler und Filmemacher
Die smarte Rebellion in Saudi-Arabien

In Saudi-Arabien geben Künstler und Filmemacher Impulse für eine andere, offenere und demokratischere Gesellschaft. Die aufblühende Kunstszene setzt sich offensiv mit den sozialen Problemen des Landes auseinander - zu dem Kreis zählen auch Künstler wie Ahmed Mater oder der Filmemacher und Regisseur Mahmoud Sabbagh.

Von Werner Bloch | 31.05.2016
    Das Kunstwerk "Illumination" des Künstlers Ahmed Mater
    Ahmed Mater gehört zu den Stars der zeitgenössischen Kunst Saudi-Arabiens. (picture-alliance/ dpa /epa / Ali Haider)
    Dschedda – eine weiße, moderne Stadt am Roten Meer, Eingangstor für Millionen Pilger, die ins benachbarte Mekka weiterreisen - eine wuselige Hafenmetropole, schon immer offener und vielfältiger als die erzkonservative Hauptstadt Riad.
    Dschedda ist anders, freizügiger. Viele Frauen bewegen sich hier ganz selbstverständlich ohne Schleier. Entlang der Corniche, der über drei Kilometer langen Uferstraße, da, wo die Einwohner am Wochenende Picknick machen, reihen sich Kunstwerke der westlichen Moderne aneinander. Skulpturen, die vor 40 Jahren von einem kunstbegeisterten Gouverneur angekauft worden waren - aus islamistischer Sicht eine Ungeheuerlichkeit.
    Und doch hat sich in Dschedda in den letzten Jahren eine saudische Kunstszene entwickelt, die sich offensiv mit den sozialen Problemen des Landes auseinandersetzt. Zum Beispiel der Künstler Ahmed Mater, einer der Stars der Szene. Als Hauptübel seines Landes sieht er das Öl.
    "Bei uns hängt alles vom Öl ab. Aber wo sind eigentlich die Menschen? Es scheint, als habe nicht der Mensch die Region geprägt, sondern das Öl. Das Öl aber kann ein Fluch sein. Wir dürfen unser Leben nicht vom Öl diktieren lassen."
    Kritik an Behörden und Regierung wird toleriert
    Kunst hat in Saudi-Arabien überraschende Freiräume erkämpft. Kritik an den Behörden und sogar der Regierung wird toleriert - Fehler, Misswirtschaft oder das Frauenfahrverbot - solange nicht das Königshaus betroffen ist. Dort droht die rote Linie.
    Und jetzt: das Kino. Der Regisseur Mahmoud Sabbagh hat eine kritische Satire gedreht, zum Teil illegal und unter schwierigsten Umständen:
    "Ich fühle mich meinem Land verbunden. Dschedda ist meine Heimatstadt, hier will ich leben und meine Kinder aufwachsen sehen Ich bin stolz auf meine Kultur, aber ich spreche auch die Probleme meines Landes offen an – die reaktionäre Justiz und die Religionspolizei. Nicht, um das Land und die Menschen schlecht zu machen. Ich habe großen Respekt für unser Land. Natürlich kann man über das Tempo der Veränderungen in Saudi-Arabien streiten und über wichtige Herausforderungen. Das tun wir in unserer Kunst. Ich will keinen politischen Aktivismus, sondern Kunst, die sich zum Dialog eignet. Ich will keine Antworten geben, sondern Fragen stellen."
    Regisseur Mahmoud Sabbagh im Berlinale-Studio von Deutschlandradio Kultur
    Regisseur Mahmoud Sabbagh im Berlinale-Studio von Deutschlandradio Kultur (Deutschlandradio / Manuel Czauderna)
    Barakah meets Barakah war eine der größten Überraschungen auf der letzten Berlinale und wurde von den Kritikern bejubelt. Eine Beziehungssatire mit sozialkritischem Einschlag über einen kleinen städtischen Angestellten und eine reiche, immerzu bloggende Tochter aus der Oberschicht. Geradezu lustvoll macht sich der Film über die Absurditäten der saudischen Zensur her, das Verpixeln, indem er selbst verpixelt.
    Das ist frech gegenüber den Zensoren. Muss die Filmcrew nicht ihre Verhaftung fürchten? Sind Filme und Musik nicht haram, strafbar in den Augen der Wahhabiten? Der Hauptdarsteller Hisham Fadeegh blickt seinem Schicksal fest ins Auge.
    "Natürlich wird man ein paar religiöse Idioten finden, die sagen, Filme und Musik sind haram. Aber das ist dann halt ein Idiot. Man kommt aber in Saudi-Arabien nicht ins Gefängnis, wenn man Musik macht. Das ist mir wichtig. Es gibt da viel Gerede und Unwissenheit über die Verhältnisse in Saudi-Arabien."
    Blogger Badawi "ist eine andere Liga"
    Der Internet-Aktivist Raif Badawi aus Saudi-Arabien
    Raif Badawi wurde in Saudi-Arabien wurde 2015 erstmals öffentlich ausgepeitscht. (privat / AI)
    Doch einen Konflikt mit der Regierung will er nicht. Was ist mit Badawi, dem Regimekritiker, der zum Tode verurteilt wurde? Den sieht Sabbagh in einer anderen Liga, der unmittelbar politischen Konfrontation.
    "Das Beispiel Badawi passt nicht. Denn der ist Blogger und Aktivist, kein Künstler. Natürlich ist es sehr traurig, was ihm passiert. Er hatte eine Website, das sogenannte Saudische liberale Forum. Aber mir war das zu militant, zu dogmatisch. Badawi hat überreagiert."
    Mahmoud Sabbagh will die Regierung nicht frontal attackieren, sondern unter den Verboten gleichsam hinwegtauchen. Er steht für eine neue Generation, er will die Spielräume für der Kunst erweitern, der Film soll Vorläufer sein einer freieren Gesellschaft. Nein, kein radikales Aufbegehren, keine Revolution, sondern einen langsamen und schwierigen Reformprozess. Wozu Aufruhr führt, das habe ja der arabische Frühling gerade gezeigt.
    Und Mahmoud Sabbagh setzt auf Humor:
    "Immer wenn es in einer Gesellschaft Probleme gibt, blühen Scherz und Satire auf. Schauen Sie sich hier in der Region um, diese kulturelle Steifheit und politische Verkrampftheit, mit ihren Religionskriegen und ihrem Terrorismus, den failed states und dem geopolitischen Konflikt. Da braucht man Hoffnung und da braucht man ein Lachen, damit das Leben weitergeht."