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Künstler und Studierende zu Bauhaus
Kritische Gedanken statt museale Überhöhung

100 Jahre nach der Gründung des Bauhauses zeigen Künstler, Hochschullehrer und Studierende in einem Projekt, dass die weltberühmte Kunstschule vor allem ein Ort des kritischen Denkens war. Zum Start des Jubiläums-Jahres wollen sie in Dessau zeigen, dass das Bauhaus kein anbetungswürdiges Museum ist.

Von Christoph Richter | 07.01.2019
    Ein Bauhaus-Hausmodell ist auf einem Anhänger platziert
    Mit einer Wohnmaschine wollen Studierende und Künstler mit Passanten ins Gespräch kommen (Deutschlandradio/ Christoph Richter)
    Keine Musealisierung. Niemals! So in etwa lautet das Credo der Künstler-Initiative "Tinyhouse University und SAVVY Contemporary", bestehend aus Künstlern, Studierenden, Architekten und Hochschullehrern. Mit einem Mini-Modell der weltberühmten Bauhaus-Schule macht man auf dem Design-Campus in Dessau Station. Der steht auf einem Anhänger gerade mal 300 Meter vom eigentlichen Bauhaus entfernt.
    "Das Bauhaus-Jahr 2019 findet ja über Musealisierung statt. Es werden drei Museen gebaut, in den drei beteiligten Bundesländern. Die Hochschule Anhalt möchte aber zeigen – hier mit dieser Aktion – dass das Bauhaus eine Schule war. Es war eine Hochschule für Gestaltung, so war der Untertitel. Eigentlich war es eine Lebensschule."
    Praktische Fragen der Gegenwart diskutieren
    Daran wolle man, daran müsse man anknüpfen, erläutert Severin Wucher, Professor für visuelle Kommunikation an der Hochschule Anhalt, seit 2018 ist er auch Dekan am Fachbereich Design. Es gehe um kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen der Zeit, dazu wolle man ein temporäres Forschungslabor direkt vor Ort etablieren. Schwingend auf eleganten Stahlrohrstühlen sitzen und sich an der Schönheit des Designs zu berauschen, das habe nichts mit dem Bauhaus zu tun. Ganz im Gegenteil. Es gehe um praktische Fragen der Gegenwart, wie beispielsweise mangelndem bezahlbaren Wohnraum.
    "Wenn wir jetzt sieben Milliarden Menschen sind, bald zehn Milliarden und jeder so groß wohnt, wie in den letzten zehn, zwanzig Jahren, dann müssten wir ziemlich bald den Mars besiedeln, damit jeder zu seinem Glück kommt. Und die Frage ist, was können wir tun."
    Van Bo Le-Mentzel ist Architekt. Geboren in Laos, aufgewachsen im Märkischen Viertel, einem 50.000 Einwohner großen – lange umstrittenen - Neubaugebiet am Rand von Berlin.
    Ort des kritischen Dialogs
    Seine 15 Quadratmeter große Wohnmaschine – die dem weltberühmten Bauhaus-Gebäude – frappierend ähnlich sieht, soll ein Ort des kritischen Dialogs sein. Auch wenn es schnell eng wird, jeder sei willkommen, Anwohner, Nachbarn, Touristen und Studierende.
    "Und hier mit der Wohnmaschine wollen wir austesten, ist es möglich in einer Zweizimmerwohnung, zu zweit in Würde zu wohnen, auf nur 15 Quadratmetern. Und dann noch auf der Straße. Oder hat es etwas Prekäres. Was passiert, wenn Leute auf der Straße ihr Domizil aufschlagen, Leute auf einen Tee, einen Kaffee einladen. Und zum Gespräch einladen."
    In dem Mini-Bauhaus wollen in den nächsten 14 Tagen Künstler und Gäste das Bauhaus-Erbe hinterfragen.
    "Es gibt Vorträge, es gibt Workshops, die Studierenden der Hochschule Anhalt werden den Ort okkupieren und annehmen."
    Eines der Themen sei auch der Zusammenhang von Kolonialismus in der Gestaltungspraxis, -theorie und –lehre, wie es heißt. Es gehe um globalisierte Produktionsweisen, um die Ausbeutung der Entwicklungsländer.
    Eine Rolle wird sicherlich auch noch einmal die Debatte über Kunstfreiheit spielen. Anlass ist die Absage des Konzert-Auftritts der linken Punk-Band Feine Sahne Fischfilet in der Konzertreihe zdf@bauhaus. Weil Rechtsextreme im vergangenen Oktober ankündigten, vor dem Bauhaus aufzumarschieren sagte die Bauhaus-Stiftung und deren Chefin Claudia Perren, das Konzert kurzerhand ab. Aus Angst um das kostbare Weltkulturerbe, so die offizielle Begründung. Das Echo war gewaltig. Tenor: Das Bauhaus Dessau ist vor den Rechten eingeknickt. Derlei Fragen…
    "Gehören aufs Tapet. Wir müssen als Gestalter darüber sprechen, was unsere Verantwortung ist. Wir müssen heute schauen, Stichwort AfD, wie gehen wir damit um. Wie gestalten wir Dialog, wie gestalten wir Demokratie, wie gestalten wir die Gesellschaft der Zukunft."
    Unterstreicht Architekt Van Bo Le-Mentzel.
    Zurück zu den Wurzeln
    Das Kunst-Projekt auf dem Design-Campus in Dessau, es soll das Bauhaus wieder zu seinen Wurzeln zurückführen. Es will zeigen, dass das Bauhaus nie ein obskures, verklärtes Museum, sondern immer eine Ideen-Schmiede, ein Avantgarde-Labor, eine Zukunfts-Maschine war. In Dessau wollen Studierende daran anknüpfen, die Schule der Gestaltung wieder aufleben lassen. Einer der Beteiligten ist der aus Nürnberg stammende Architektur-Student Konstantin Krüger.
    "Das heißt: Hier werden Varianten des Lebens angeboten. Wir bieten ein Angebot. Sehr offen, sehr frei. Diese Freiheit senkt Barrieren, aufeinander zuzugehen."