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Künstliche Intelligenz
Bei den "Animal-AI-Olympics" treten Algorithmen an

Was passiert, wenn man einen Computer vor eine Aufgabe stellt, die er vorher noch nicht kannte- vergleichbar mit einem Tier, das sich in komplett unbekanntem Terrain zurechtfinden muss? Englische Forscher haben in einem neuartigen Wettbewerb festgestellt: Auch künstliche Intelligenz stößt an ihre Grenzen.

Von Ada von der Decken | 29.05.2019
Matthew Crosby, einer der Initiatoren der Animal-AI-Olympics, steht an einer Straße in London
Forscher haben getestet, ob sich KI-Systeme in fremder Umgebung genauso gut zurechtfinden wie beispielsweise Tiere (Ada von der Decken)
Künstliche Intelligenz leistet bereits Erstaunliches. Gefüttert mit der groben Aufgabenstellung können Computerprogramme sich mittlerweile zum Beispiel selbst beibringen, unschlagbar gut Schach oder Go zu spielen. Aber Künstliche Intelligenz braucht - bisher - eine bekannte Umgebung und klare Vorgaben. Welche Aufgabe soll gelöst werden? Welches Spiel soll gespielt werden? Ganz ohne Regelwerk geht es nicht. Ein internationaler Wettbewerb will jetzt klären, was Künstliche Intelligenz leisten kann, wenn sie auf unbekanntes Terrain stößt. Bei einer Olympiade für KI-Systeme müssen Softwareagenten Tests bewältigen, die für Tiere entworfen wurden. Matthew Crosby vom Imperial College London gehört zu den Initiatoren der Animal-AI Olympics.
"Wenn man ein auf Künstlicher Intelligenz basierendes System in einem Raum platziert, den es noch nie zuvor gesehen hat, dann wird es wahrscheinlich scheitern. Nimmt man hingegen ein Tier aus freier Wildbahn und bringt es in einen Raum mit Dingen, die es nie zuvor gesehen hat, dann zeigt dieses Tier vielleicht nicht das intelligenteste Verhalten. Aber es wird irgendwas Interessantes machen, wenn es die neuen Gegenstände erkundet."
Wer findet den Weg zu Futter?
Die Animal-AI Olympics stellen erstmals diesen Vergleich zwischen Tier und Maschine an: Die Macher haben einen Parcours gebaut, der 100 unterschiedliche Aufgaben umfasst. Allen ist gemein, dass sie schon mit Tieren getestet wurden, dass es darum geht, Futter zu finden und dass dabei nur der Sehsinn genutzt wird.
Wie die Aufgaben genau aussehen, halten die Macher bis zum Ende des Wettbewerb unter Verschluss. Eine Aufgabe könnte beispielsweise sein, in einem Labyrinth den Weg zur Futterstelle zu finden - was Laborratten mühelos gelingt. Bei einer anderen muss der KI-basierte basierte Agent einen Gegenstand anheben und in bestimmter Weise bewegen, um einen Zugang zum Futter zu öffnen – für Krähenvögel kein Problem. "Wenn jemand einen Software-Agenten ins Rennen schickt, der es schafft, alle Aufgaben zu meistern, dann wäre das ein Durchbruch in der KI-Forschung", sagt Matthew Crosby: "Das würde alle überraschen."
Algorithmen mit eingebauter Neugierde
Die Teilnehmer des Wettstreits können schon jetzt einen Blick auf einen beispielhaften Parcours werfen. Der ähnelt einem Computerspiel: Verschiedene über Türen verbundene Räume, in denen viele unterschiedliche Gegenstände liegen: Würfel, Rollen, Schachteln, Balken... Dazwischen liegt das Futter als Belohnung - etwa eine Banane, ein Apfel oder eine Birne. Wie aber kann der auf Künstlicher Intelligenz basierende Agent auf Unbekanntes vorbereitet werden und sich die verschiedenen Aufgaben selbst erschließen?
"Erfolgsversprechend könnte ein Ansatz sein, der auf neugiergetriebenem Lernen beruht. Es geht dann also nicht nur darum, die einzelnen Aufgaben zu lösen und dafür belohnt zu werden. In dem Agenten muss bereits der Wille angelegt sein, neugierig zu sein. Er muss Unbekanntes erkunden wollen, sich also in Situationen und an Orte zu begeben, die er noch nicht kennt. Und wo er nie hingelangt wäre, wenn er immer wieder nur dieselben Abläufe durchspielt. Man braucht einen Agenten, der lernt, indem er sich immer wieder in neue Situationen begibt und schaut, was dann passiert."
Auch für die Verhaltensforschung interessant
Offiziell beginnen die Animal-AI-Olympics Anfang Juli. Die Macher erwarten hunderte Einreichungen aus der ganzen Welt. Die Lösungsvorschläge werden hochgeladen, und Matthew Crosby und sein Team behandeln die Software-Agenten wie virtuelle Tiere und lassen sie den Parcours bewältigen. Die 30.000 US-Dollar Preisgeld gewinnt, wer es schafft, mit möglichst vielen Aufgaben klar zu kommen. Neben Fortschritten bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz erwarten die Organisatoren auch Rückschlüsse, die für die Verhaltensforschung bei Tieren interessant sein könnten.
"Das Ergebnis wird zeigen, welche Art von Aufgaben für KI-Systeme einfach und welche schwierig sind. Und diese Frage kann man übertragen: Was ist für Tiere einfach und was schwer? Das zu vergleichen ist schon interessant."
Der neuartige Wettbewerb behandelt lernfähige Computerprogramme wie Laborratten oder Versuchskaninchen. Aber die Frage ist, ob clevere Software-Agenten in einem Rechendurchlauf dieselbe Intelligenz zeigen können, die Tiere im Laufe der Evolution ausgebildet haben. Es gilt: Möge der Bessere gewinnen.