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Künstliche Intelligenz
Diskussion um KI steht noch ganz am Anfang

KI made in Germany: Das sind die Ansprüche der Bundesregierung. Im Eckpunktepapier zur nationalen KI-Strategie finden sich allerdings viele Allgemeinplätze. Die notwendige Diskussion um die Inhalte steht noch am Anfang - doch Entwickler, Wissenschaftler und Politiker reden aneinander vorbei.

Von Peter Welchering |
    Illustration zum Thema Künstliche Intelligenz - ein Gehirn über einer Festplatte in Blau mit Verfremdungseffekten.
    Viele politische Forderungen an die KI-Entwicklung sind Wissenschaftlern zu unbestimmt (imago / Christian Lagerek / Science Photo Libra)
    "Daher muss unser Ziel sein: hochqualitative KI made in Germany."

    Manfred Kloiber: Das war Mario Brandenburg, FDP-Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz. Er brachte seine Ansprüche an eine nationale KI-Strategie im Parlament auf den Punkt. Die Bundesregierung hat ein Eckpunktepapier zur Künstlichen Intelligenz vorgelegt. Und bis Ende November soll eine regierungsamtliche Strategie dazu ausgearbeitet werden. Der Deutsche Bundestag hat kürzlich eine Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz eingerichtet. Es gab Unterrichtungen der Bundesregierung zum Thema KI-Strategie und Angela Merkel hat Ende Mai sogar einen KI-Gipfel im Bundeskanzleramt abgehalten. Die Künstliche Intelligenz, ihre Folgen, Chancen und Risiken, dazu gab es auch etliche Debatten im Parlament. Da ist also eine Menge passiert. Peter Welchering, Sie haben die meisten dieser Veranstaltungen besucht, sich die Bundestagsdebatten angehört. Wie ist es bestellt um die nationale KI-Strategie?

    Peter Welchering: Es gibt viele Absichtserklärungen. Die lauten alle so ähnlich wie das Statement des FDP-Abgeordneten Brandenburg. Und solche Absichtserklärungen gibt es von der Bundesregierung, von der Forschungsministerin, vom Wirtschaftsminister und von Politikern aller Parteien. In Sachen Künstlicher Intelligenz wollen alle dabei sein, wollen alle Deutschland nach vorne bringen. Artificial Intelligence made in Germany, das will die Bundesregierung zu einem weltweit anerkannten Gütesiegel machen. Die wissenschaftliche Basis der KI soll verbreitet werden. Der Forschungsstandort Deutschland soll hier ausgebaut werden. Weitgehend bleibt die nationale KI-Strategie in der politischen Diskussion aber bisher eine Sammlung von Allgemeinplätzen. Alle betonen, wie wichtig sie ist. Die meisten Politiker fürchten sich davor, hier konkret zu werden, weil das Thema eben so furchtbar kompliziert sei. Bleibt nur zu hoffen, dass die von der Enquete-Kommission des Bundestags eingeladenen Experten diese Diskussion demnächst etwas voranbringen. Bisher reden nämlich Techniker beziehungsweise Entwickler und Politiker noch nicht so richtig miteinander, sondern mehr aneinander vorbei.
    Wie gelangt ein KI-System zu Entscheidungen?
    Manfred Kloiber: Eine gemeinsame Basis ist also gefordert, damit Politiker und Entwickler beziehungsweise Wissenschaftler besser miteinander ins Gespräch kommen bei dieser wichtigen Zukunftstechnik. Es gibt Ansätze dafür. Und die haben wir hier einmal zusammengestellt.

    "Versuchen Sie mal, einem Politiker eine technische Systematik oder dieses technische Problem nahezubringen. Man müsste sich schon ein bisschen mehr mit dem Thema beschäftigen, ein bisschen tiefer einsteigen. Da ist noch einiges an Sensibilisierungsarbeit und an Überzeugungsarbeit notwendig, um zu zeigen, dass an der Stelle Nachholbedarfe da sind, dass wir da mehr in die Forschung stecken müssen."

    So fasst Clemens Dannheim, Chef der Münchner KI-Softwareschmiede Objective GmbH, seine Schwierigkeiten zusammen, wenn er mit Forschungs- und Wirtschaftspolitikern über den KI-Standort Deutschland sprechen will. Konkret geht es Clemens Dannheim und seinen Kollegen darum, aufzuzeigen, wie wichtig methodische Analysen sind, mit denen nachvollzogen werden kann, wie ein KI-System zu Entscheidungen gelangt. In der politischen Diskussion hört sich diese Frage dann allerdings eher so an, wie sie der SPD-Abgeordnete René Röspel formuliert hat.

    "Das ist dann auch ein Punkt, den wir diskutieren müssen, wer denn eigentlich Maschinen beibringt, wie sie Probleme zu lösen haben."
    Vieles wird in einen Topf geworfen
    Algorithmen Künstlicher Intelligenz müssen reguliert werden, lautet deshalb eine politische Forderung. Dem amerikanischen Computerwissenschaftler Jack Dongarra, einem intimen Kenner der deutschen KI-Forschung, ist diese politische Forderung nach Regulierung viel zu unbestimmt.

    "Ich weiß ganz einfach nicht, was damit gemeint ist. Eine Bundesbehörde soll Algorithmen kontrollieren. Ist das ein Gesetz, das Algorithmen kontrolliert? Aber was sagt dieses Gesetz? Was ist das, was sie zu beschränken versuchen oder was sie damit bereitstellen wollen? Keine Ahnung, was das Gesetz ist, also würde ich nein sagen. Ich meine, wir sollten alle richtige Programme schreiben, aber sie können kein Gesetz machen, das besagt, dass Sie ein Programm auf diese Weise schreiben müssen."

    Jack Dongarra bemängelt an dieser politischen Diskussion auch, dass nicht ausreichend zwischen den unterschiedlichen methodischen Ansätzen bei der Entwicklung von KI-Systemen unterschieden wird. Entscheidungslogik, Verifikationssysteme, maschinelles Lernen, Mustererkennung, neuronale Netze - das alles werde in einen Topf geworfen. Politiker wie die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön gehen dagegen von ihrer Alltagserfahrung mit Systemen aus, die sie als Künstliche Intelligenz bezeichnen würden.

    "Bei der letzten Münchner Sicherheitskonferenz hat ein Roboter die Gäste begrüßt, Sophia. Er hat gelächelt, hat ganz intelligent Fragen beantwortet, mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Wenn Sie bei Google ein Stichwort eingeben, sagen wir "Weltmeisterschaft", dann finden Sie rechts einen Kasten. Hier werden die relevanten Informationen zu dem Stichwort, was sie eingegeben haben, zusammengetragen. Und das hat nicht etwa ein fleißiger Praktikant bei Google zusammengetragen, nein, Google stellt mithilfe von Deep Learning, einer Unterart von Künstlicher Intelligenz, aus der Fülle der Daten, auf die Google zugreifen kann, diese relevanten Informationen kompakt zusammen."
    Hehre Ziele - aber zu wenig für eine konkrete Strategie
    Aus solchen Einsatzbeispielen leiten Politiker nicht selten ausgesprochen weitreichende Forderungen ab. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol zum Beispiel schildert seine Vision von einer Künstlichen Intelligenz so.

    "KI bietet unglaubliche Chancen für die Menschheit. Mit KI rückt die Vision, der Menschheitstraum von einem Leben ohne Mühsal in greifbare Nähe. Eine Zukunft, in der lernfähige Maschinen für uns arbeiten, uns unangenehme, schwere Tätigkeiten abnehmen, und der Mensch mit weniger Arbeit und mehr Wohlstand ein Leben mit mehr Zeit für Familie, Freizeit, auch Selbstverwirklichung, Bildung und Kultur hat."

    Das sind alles ehrenwerte Absichtserklärungen und Visionen. Nur eine nationale KI-Strategie lässt sich nach Meinung von Wissenschaftlern wie Jack Dongarra und Entwicklern wie Clemens Dannheim darauf nicht gründen. Und deshalb stehe die notwendige Diskussion um eine nationale KI-Strategie noch sehr am Anfang.