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Kürzung der Pendlerpauschale nicht nur für Autofahrer

Spengler: Am Telefon ist Wilhelm Schmidt, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Schmidt.

    Schmidt: Hallo. Guten Tag, Herr Spengler.

    Spengler: Herr Schmidt, halten Sie den Vorschlag Ihres Finanzministers für schlüssig, Autofahrer bestrafen, Buspassagiere belohnen?

    Schmidt: Ich finde die ganze Geschichte sehr merkwürdig. Wir kennen den Vorschlag nur aus den Medien. Wir haben uns damit in der ganz konkreten Darstellung und Formulierung überhaupt noch nicht befasst und auseinandergesetzt. Es ist irgendetwas dort in dem Ministerium gelaufen. Die Gerüchteküche kocht über, und wir wissen von nichts. Das ist ein ganz misslicher Zustand. Erst einmal so weit. Ansonsten kann ich nur sagen: Wenn das im Ansatz stimmt, was jetzt verbreitet worden ist in der Öffentlichkeit, so kann ich ihm sagen, wird die Fraktion das mit ziemlicher Sicherheit nicht mitmachen.

    Spengler: Was war denn mit der Fraktion verabredet?

    Schmidt: Verabredet war, dass die Entfernungspauschale erst über zwanzig Kilometer zieht. Von daher war für alle gleichermaßen eine Zumutung enthalten. Es sollten aber genauere Abstimmungsgespräche, genauere Formulierungen erst gefunden werden. Der Eckwert, wie ich ihn formuliert habe, stand allerdings fest.

    Spengler: Die Autofahrer herauszunehmen, war sicher nicht verabredet und liegt auch nicht in Ihrem Interesse?

    Schmidt: Das ist so. Ja.

    Spengler: Könnte man das denn überhaupt begründen? Autofahrer haben immerhin Kosten, Radfahrer hätten ja überhaupt keine Kosten.

    Schmidt: Es ist ja auch ein Anreiz für mehr Flexibilität. Wir fordern ja von den Menschen zum Beispiel, dass sie möglichst jeden Arbeitsplatz, auch wenn er weiter entfernt liegt, auch annehmen, damit wir auf diese Weise die Fachleute an die richtige Stelle kriegen und wir die Zumutbarkeitsregeln im Bereich der Arbeitslosigkeitsregelungen klären und auf diese Weise auch untermauern. Jetzt auf einmal soll ein Teil der damit Befassten und davon Betroffenen bestraft werden. Das ist nicht einzusehen. Das ist nach meiner Einschätzung auch nicht unbedingt verfassungsfest.

    Spengler: Es wurden ja auch schon Klagen angekündigt, etwa vom ADAC. Sie glauben, der hätte Chancen, diese Klagen zu gewinnen.

    Schmidt: Erst einmal müssen wir das ganze Gesetz im Entwurf überhaupt kennen. Es gibt sicherlich weitere Gespräche in den nächsten Stunden und Tagen. Dann werden wir erst einmal sehen, inwieweit das überhaupt ein definitiver Vorschlag des Ministeriums ist. Ich kann es fast nicht glauben. Deshalb warte ich jetzt ab, indem wir erst einmal den Klärungsprozess herbeiführen. Dann wird das ganze Ding wieder repariert.

    Spengler: Mit diesen zwanzig Kilometern, mit der Grenze für alle, waren Sie ja auch einverstanden. Was ist denn daran so toll, wenn einer mehr als zwanzig Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt wohnt? Was ist so schlecht, wenn einer weniger als zwanzig Kilometer entfernt wohnt?

    Schmidt: Das ist die Frage der Zumutbarkeit. Die stand dahinter. Ich finde, das ist durchaus eine überlegenswerte Regelung gewesen. Einfach deswegen, weil wir natürlich auch der Auffassung sind, dass wir staatlicherseits nicht mehr alles abfangen können, was an Veränderungen im jeweiligen familiären Umfeld oder im beruflichen Umfeld auf einzelne Personen zugekommen ist. Ich denke, das ist nicht unzumutbar, wenn man sagt, bis zwanzig Kilometer kann das jeder, was dort entsteht, an Kosten auch selber tragen.

    Spengler: Sie schaffen damit aber eine ziemliche Ungerechtigkeit für die, die 19 und die, die 21 Kilometer entfernt wohnen.

    Schmidt: Das ist bei allen Stichtagen und bei allen Stichpunkten, die man in Gesetze hineinschreibt, leider immer wieder der Fall. Es gibt auch keine Gleichklauseln oder Härtefälle oder Ähnliches. Sie kennen das aus anderen Regeln des Steuerrechts und aus anderen Regeln des Sozialversicherungsrechts. Das, glaube ich, lässt sich aber trotz allem begründen. Das ist übrigens auch an vielen anderen Stellen der Fall.

    Spengler: Sie halten nichts davon, was einige vorgeschlagen haben: Die Pauschale ganz weg, für alle ganz weg, dafür aber die Werbungskosten pauschal anheben?

    Schmidt: Das ist ein Vorschlag, der bis jetzt nicht im Gespräch war. Ich weiß durchaus, dass das jetzt ins Gespräch gebracht worden ist. Ob das zum jetzigen Zeitpunkt der Regeln, die wir klären und lösen müssen, noch Platz greift, weiß ich nicht. Das ist aber eine Lösung, die man für spätere Fälle des Steuerrechts immer noch im Auge haben kann.

    Spengler: Herr Schmidt, was läuft eigentlich handwerklich schief bei Ihrer Koalition bei diesem ganzen Hin und Her?

    Schmidt: Eigentlich gar nichts. In der Koalition gar nichts. Das Entscheidende ist, dass hier auf der Referendenebene des Ministeriums irgendjemand etwas entwickelt und das gleich wieder an die Presse durchgesteckt hat. Dieser missliche Zustand ärgert mich und ärgert viele andere in der Fraktion und Koalition zutiefst, zumal es nicht das erste und einzige Mal war. Ich hoffe, dass sich aufklären lässt, an welcher Stelle so etwas entsteht, damit wir daraus Konsequenzen ziehen können.

    Spengler: Das Finanzministerium gehört aber noch zur Regierung?

    Schmidt: Natürlich, aber nicht jeder einzelne Referent, der sich etwas ausdenkt und das dann nach draußen pustet. Das ist nicht unser Stil. Das wollen wir auch nicht haben.

    Spengler: Danke für das Gespräch. Das war Wilhelm Schmidt, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.