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Küstenschutz aus dem Freilandlabor

Küstenschutz. - Deiche sollen vor allem das Wasser vom Land fernhalten. Doch sie müssen auch Nehmerqualität besitzen, wenn die Wogen einmal über die Deichkrone schwappen. Damit sieht es bisweilen nicht so gut aus, wie der "Wellen-Überlauf-Simulator" zeigte, der auf dem Aachener Wasserbausymposium vorgestellt wurde.

Von Volker Mrasek | 07.01.2010
    "Was man zuerst hört, ist der Motor ein Traktors. Er steuert die Hydraulik für ein Ventil. Wenn es sich öffnet – das ist das zweite Geräusch -, dann stürzt Wasser aus einem meterhohen Container. Ziemlich viel Wasser. Deshalb gibt es einen solchen Lärm."

    Trocken war er gewiss nicht, der Vortrag, den Jentsje van der Meer jetzt auf dem Aachener Wasserbau-Symposium hielt. Der niederländische Ingenieur legte nicht nur Folien auf – er zeigte auch einen Kurzfilm. Anders hätte er es wohl kaum geschafft, anschaulich zu vermitteln, was ein "Wellen-Überlauf-Simulator" genau sein soll.

    "Der Wellen-Überlauf-Simulator ist ein großer Metalltrichter. Wir platzieren ihn auf der Krone eines Deiches und füllen den Container mit Wasser. Das schütten wir dann aus, und ein Sturzbach fließt den Binnenhang des Deiches hinunter. Stellen Sie sich eine Sturmflut an der Küste vor. Große Brecher gehen an Land. Es kann sein, daß die Wellen über die Deichkrone laufen und eine Hangrutschung auslösen. In der Vergangenheit gab es solche Fälle. Da sind Deiche dann innerhalb von fünf bis zehn Minuten gebrochen."

    Van der Meer ist Küstenschutz-Ingenieur. Er hat den Simulator entwickelt und zunächst in den Niederlanden erprobt. Inzwischen ist die ungewöhnliche Wasserschütte auch in Vietnam im Einsatz und demnächst sogar in New Orleans in den USA. Dort brachen Deiche, als der Hurrikan Katrina die Stadt am Golf von Mexiko vor viereinhalb Jahren streifte. Kritisch wird es nicht nur, wenn Küstendeiche viel zu niedrig ausgelegt wurden. Sondern auch dann, wenn sie nicht stabil genug sind und erodieren, sobald Wellen über sie hinwegschwappen. Entscheidend ist dabei das verwendete Bodenmaterial. Typischerweiser wird ein aufgeschütteter Sand-Wall mit einer Tonschicht abgedichtet und darauf Gras ausgesät.

    "Man kann Tonboden und Grasnarbe schlecht im Labormaßstab testen. Nein, man muss nach draußen an den Deich gehen! Genau das machen wir mit dem Wellen-Überlauf-Simulator: Unsere Freiland-Tests laufen nun seit drei Jahren. In jedem einzelnen Fall haben wir uns zuvor gefragt, wie sich die Deiche wohl verhalten werden, wenn Wellen überlaufen. Und nie lagen wir richtig mit unserer Prognose. Das heißt, wir wussten einfach nicht, wie stabil so ein Deich wirklich ist."

    Doch keine Panik! Jentsje van der Meer ist von seinen bisherigen Ergebnissen sogar positiv überrascht, wie er selbst sagt. Die meisten der untersuchten Deiche hätten selbst starken simulierten Wellen-Überläufern standgehalten, Grasnarbe und Tonauflage seien weitgehend intakt geblieben. Die Versuche legten aber auch eine Schwachstelle der Deiche auf ihrer Rückseite offen:

    "In unseren Tests haben wir festgestellt: Wenn Wasser den Hang hinunterrauscht und am Fuß des Deiches ankommt, reißt es häufig dort den Boden auf. Es fließt schräg nach unten und trifft dann auf eine horizontale Ebene. Sie ist wie ein Hindernis. Wenn wir also etwas verbessern möchten, dann könnten wir dafür sorgen, daß die Hänge an ihrem Fuß grundsätzlich sanft ausschwingen. Das würde Deiche stabiler machen."

    In Deutschland war der neue Wellen-Überlauf-Simulator bisher noch nicht im Einsatz. Aber vielleicht ändert sich das ja durch van der Meers Projekt-Präsentation in Aachen. Holger Schüttrumpf hätte nichts dagegen. Der Bauingenieur leitet das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RWTH Aachen. Er war es, der den Kollegen aus den Niederlanden einlud:

    "Wir haben ja in Deutschland ungefähr 1200 Kilometer erste Deichlinie. Es macht sicherlich Sinn, dieses Verfahren an ausgewählten Standorten auch einmal einzusetzen, um damit auch einmal bei uns für unseren Deichboden die Stabilität zu überprüfen."