Freitag, 19. April 2024

Archiv

Kultur-Krise 2020
Wie Fans helfen können

Das Corona-Jahr 2020 hat die Kulturbranche vor nie gekannte Herausforderungen gestellt und Bands und Clubbetreiber, die auf Konzert-Einnahmen angewiesen sind, an den Rand des Ruins getrieben. Aber es gibt Möglichkeiten, wie Musik-Fans unterstützen können.

Von Anke Behlert | 06.12.2020
Der Schriftzug "Morgen ist die Frage" des Künstlers Rirkrit Tiravanija hängt am 1. November 2020 zu Beginn des neuerlichen Lockdowns an der Fassade des Techno Clubs Berghain in Berlin-Friedrichshain. Im Dämmerlicht stehen Menschen vor dem Gebäude.
"Morgen ist die Frage" verkündet der Künstler Rirkrit Tiravanija von der Fassade des Berliner Technoclubs Berghain. (imago images / Bildgehege)
Henning May von der Band Annenmaykantereit betreibt Gegenwartsbewältigung. Ihn und seine Kollegen hat die Corona-Pandemie kalt erwischt. Das Trio aus Köln hatte für dieses Jahr eine Europatour geplant, die nicht stattfinden konnte. Und wie ihnen geht es momentan allen Musikerinnen und Musikern und nicht nur denen. Mit dem Aktionsbündnis "#Alarmstufe rot" macht die Kulturbranche seit Monaten auf ihre prekäre Lage aufmerksam. Ihre Forderungen nach mehr und passgenauerer Unterstützung richten sich vor allem an die Politik. Aber auch jede und jeder Einzelne kann etwas tun, um seine Lieblingsband und den mit viel Herzblut betriebenen Club zu unterstützen.
Musik und Merchandise kaufen
Ob CD, Kassette oder Vinyl: Am besten kauft man physische Tonträger immer noch im Plattenladen des Vertrauens. Da freuen sich die Inhaber gleich mit. Alternativ kann man sich die neuen Veröffentlichungen oder auch T-Shirts, Poster und anderen Merchandise natürlich beim Künstler oder Label direkt bestellen. Auch kleinere oder größere Onlinehändler sind eine Möglichkeit. Aber: Je weniger Zwischenhändler, umso mehr verdienen die Bands. Wer Musik lieber online hört, für den ist Bandcamp eine Alternative zu den großen Streaming-Anbietern. Bei Bandcamp kann ein Track dreimal kostenlos gestreamt werden, dann wird man dazu aufgefordert, die EP oder das Album zu kaufen. Für den Service bleiben bis zu 15 Prozent der Einnahmen bei dem Unternehmen aus Oakland. Am monatlichen "Bandcamp-Friday" verzichten die Kalifornier auf ihre Gebühren, sodass mehr Geld bei den Künstlerinnen und Künstlern ankommt.
Geld spenden
Crowdfunding-Aktionen sind längst nichts Neues mehr, meist werden damit Studioaufnahmen, Videoproduktionen oder Ähnliches finanziert. Aber auch in auftrittslosen Pandemie-Zeiten ist das Crowdfunding auf Plattformen wie kickstarter und betterplace eine gute Möglichkeit, Geld zu spenden. In den USA wird das Unterstützungsformat Patreon immer beliebter. Dort können Abonnements abgeschlossen werden und für einen bestimmten Mindestbetrag bekommt man als Patreon seines Lieblingskünstlers oder seiner Lieblingskünstlerin exklusiven Content, wie kleine Sessions, limitierten Merchandise usw. In Deutschland hat die Initiative Musik zusätzlich zu ihren regulären Förderprogrammen im April ein Hilfsprogramm gestartet, sagt Michael Wallies. Und auch dafür kann man Geld spenden.
"Das Hilfsprogramm funktioniert, indem wir dort bislang zwei Förderrunden hatten, in den wir insgesamt 430.000 Euro verteilt haben an 377 Künstler. Aktuell haben wir 45.000 Euro für eine dritte Runde schon zur Verfügung. Wir haben aufgrund des neuen Lockdowns gesagt: Wir sammeln weiter und würden jetzt bis zum Jahresende sammeln, um Anfang des nächsten Jahres noch mal ein Antragsverfahren dafür zu starten. Dass sich die Bands mit ihren ausgefallenen Konzerten bewerben können. Sie müssen angeben, welche Konzerte, wir prüfen nach, ob die Konzerte plausibel sind und dann bewertet das wieder ein Ausschuss."
Konzertstreams
Gestreamte Konzerte sind nicht nur ein Weg, wie man sich ein bisschen Livemusik ins Wohnzimmer holen kann. Meist stellen die Bands auch eine virtuelle Trinkgeldbüchse auf, in die man via Venmo oder Paypal ein paar digitale Münzen oder Scheine werfen kann. Bei großen Plattformen wie Facebook oder Instagram ist die Qualität solcher Streams stark schwankend und nicht immer die beste. Mittlerweile gibt es aber auch Anbieter, die das Konzert-Livestreaming professionalisieren wollen und darin ein Geschäftsmodell sehen. Dazu zählen Stageit, Veeps oder Dreamstage. Die Bands können digitale Tickets verkaufen, die Qualität der Übertragung ist hoch und bei einigen Anbietern gibt es auch die Möglichkeit zum direkten Chat zwischen Künstler und Fan. Der Songwriter Grant-Lee Phillips performt zum Beispiel regelmäßig von seiner Terrasse aus via Stageit. Die sonst quasi nonstop tourende US-Band All Them Witches spielt im Dezember zwei Konzerte bei Veeps, Kostenpunkt für ein Ticket: 15 Dollar.
Clubs unterstützen
Aber wer will schon immer nur vorm Bildschirm hocken? Bei nasskaltem Dezember-Wetter mag das ja noch gehen, aber so ein richtiges Konzert in einem richtigen Club ist eben doch ein unersetzbares Erlebnis. Und damit es nächstes Jahr diese mit viel Engagement geführten Läden immer noch gibt, kann man seinem Lieblingsclub helfen, sagt Marcus Grahnert. Er ist Mitglied des Livekommbinat, einem Zusammenschluss von Livemusikspielstätten und Kulturschaffenden in Leipzig.
"Einfach mal schauen, ob der Club oder die Veranstaltungsstätte in letzter Zeit irgendwie aktiv war oder vielleicht noch eine Crowdfundingkampagne am Laufen hat. Manche machen auch Weihnachtskalender. Und tatsächlich ist das Direkte wirklich das Beste. Googelt direkt die Künstler und Künstlerinnen, direkt die Clubs oder Veranstaltungsstätten, meinetwegen das Festival. Und geht direkt auf die einzelnen Institutionen und Kampagnen zu, denn da kommt es dann auch an."
Wer also noch nicht alle Weihnachtsgeschenke beisammen hat: Die Musikerinnen und Musiker, die Plattenhändler und Clubbetreiber hätten da ein paar Vorschläge. Denn auch sie wollen Weihnachten feiern können – und nächstes Jahr wieder die Livemusik!