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Kultur-Sponsoring
Schmutziges Geld für schöne Künste

Angesichts von Geldwäsche-Vorwürfen ringen mittlerweile zahlreiche internationale Museen um ein sauberes Image. Befeuert wird dies durch öffentliche Proteste in den sozialen Netzwerken. Ob der Umgang der Kulturindustrie mit den Vorwürfen nachhaltig ist, mag bezweifelt werden.

Von Carsten Probst | 03.05.2019
In diesem Jahr richtet die Kunstgalerie Turner Contemporary im südostenglischen Margate den mit insgesamt 40 000 Pfund dotierten, als bedeutendste Auszeichnung für zeitgenössische Kunst geltenden Turner-Preis aus
In diesem Jahr richtet die Kunstgalerie Turner Contemporary im südostenglischen Margate den Turner-Preis aus. Sir Brian Souter, Finanzier des renommierten Turner Preises, soll sich homophob geäußert haben. (picture alliance / dpa)
Die zweite Hälfte der 2010er-Jahre wird wohl als die toxische Periode in die Kulturgeschichte des vormaligen Westens eingehen. Nach dem Vorbild der toxischen Papiere, die die Finanzkrise von 2008 den Banken als Erbe hinterlassen hat, lassen sich jedenfalls in unserer von der Wirtschaft durchdrungenen Wohlstandskultur plötzlich überall Giftquellen lokalisieren, die uns das vormals vermeintlich so unbeschwerte Leben zur Hölle zu machen scheinen. Museen zum Beispiel: Sie sind heute keine Schatzhäuser der Kultur mehr, sondern in Wahrheit womöglich große Gehirnwäscheanlage, die uns nur ablenken und die triste kapitalistische Wirklichkeit schönfärben wollen.
Kunstraub und Geldwäsche
Tatsächlich sitzen diese Museen nämlich, wie wir erschreckt lesen und hören müssen, statt auf Kunstschätzen auf riesigen Halden toxischer Gegenstände, die, wenn sie nicht aus anderen Kulturen oder von den Diktaturen des 20. Jahrhunderts geraubt wurden, aus Sammlungen von Mäzenatinnen oder Mäzenaten, Potentatinnen oder Potentaten oder von Unternehmen stammen, die ihr Geld mit zwar legalen, aber keinesfalls legitimen Geschäften machen, oder deren Besitzer vor einiger Zeit politisch fragwürdige Ansichten geäußert haben.
Wer mag sich heute bei einem Museumsbesuch schon noch darauf konzentrieren, was Kunstwerke uns sagen wollen, wenn man sich ständig fragen muss: Wer hat dieses Bild gesponsert, was waren die niederen Beweggründe, wer hat hier wieder sein Geld mit dem Erwerb von Kunst gewaschen, woher stammen die Kunst und das Geld überhaupt? Das Problem ist zwar nicht ganz neu, der Philosoph Theodor W. Adorno hat nach seinen Erfahrungen im US-amerikanischen Exil ja bereits Anfang der 1950er-Jahre davor gewarnt, dass es angesichts der kapitalistisch durchtränkten Kulturindustrie kein richtiges Leben im falschen gebe. Sein damals schon viel gelesenes Bändchen "Minima Moralia" trug ja nicht umsonst den Untertitel: "Reflexionen aus dem beschädigten Leben".
Inszenierter Protest ohne Nachhaltigkeit
Aber was das für unsere westliche Kultur bedeutet, scheint erst eine jüngere Generation zu verstehen, die nicht zuletzt mit Hilfe sozialer Netzwerke relativ unkompliziert öffentliche Proteste gegen die vermeintliche Arglosigkeit der Kunstinstitutionen viral gehen lassen kann. Die allgemeine Aufregung, mit der nun mittlerweile zahlreiche Museen um ein sauberes Image ringen und sich demonstrativ von ihren toxischen Geldgebern trennen, lässt wiederum kaum hoffen, dass aus dem falschen auch ein richtiges Leben wird. Denn es handelt sich um Aktionen, die derselben Logik der Inszenierung und Selbstvermarktung folgen, die der von Adorno verdammten Kulturindustrie nun einmal zu eigen sind.
Und auch bei den viral organisierten Protestaktionen gegen Sponsoren mit politisch oder wirtschaftlich fragwürdigen Interessen bleibt ein Zweifel – denn da sich solche Protest-Communities häufig punktuell und innerhalb kürzester Zeit bilden, fehlt es ihnen oft an Inhalt: Vorformulierte Protestnoten zu liken und weiterzuleiten und damit ein reines Gewissen zu bekunden, ist das eine: Für die Änderung des Systems zu kämpfen, ist etwas ganz anderes. Wie das aussehen könnte, darüber hört man heute relativ wenig.