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Kultur verpflichtet

Als Politiker galt er als einer der einflussreichsten preußischen Kulturmanager des 19. Jahrhunderts. Doch Franz Theodor Kugler war der Kultur auch in seiner Freizeit verpflichtet und nutzte die Abende, um zu musizieren, zu dichten und zu zeichnen. Bekannt wurde der vor 200 Jahren geborene Kugler durch sein Werk über die "Geschichte Friedrich des Großen" und sein "Handbuch der Kunstgeschichte".

Von Wolf Schön |
    Die von Friedrich Fesca vertonten Verse vom hellen Strand der Saale und seinen sehnsuchtsvoll beschworenen Ritterburgen sind zur viel gesungenen Hymne Thüringens geworden. Doch verbirgt sich hinter der volkstümlichen Poesie kein braver Heimatdichter, sondern einer der einflussreichsten preußischen Kulturmanager in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Franz Theodor Kugler, am 19. Januar 1808 in Stettin geboren, wirkte seit 1835 in Berlin als Professor der Kunstgeschichte, seit 1843 als Politiker im Kultusministerium und bis zu seinem Tod 1858 viel beschäftigt als Buchautor und Autorität der Kunstkritik.

    Auch die Bandbreite seiner künstlerischen Begabungen war ernorm. Das Musizieren und Komponieren, das Zeichnen und Dichten betrieb Kugler nicht nur nach Feierabend, wohl wissend, dass den Wissenschaftler die musische Praxis vor blutleerem Theoretisieren bewahrt. Die unterhaltsam, doch historisch unverfälscht erzählte "Geschichte Friedrichs des Großen", für die er als Illustrator den jungen Adolph Menzel gewann, wurde ein populärer Bestseller.

    Ganz Kind seiner idealistisch gestimmten Zeit, stellte Kugler seine wissenschaftlichen und journalistischen Schriften in den Dienst allgemeiner Erziehung und Bildung durch das Gute, Wahre und Schöne. In seiner Zeitschrift "Museum" und im "Handbuch der Kunstgeschichte" formulierte er Kernsätze seiner Ästhetik:

    "Wie die Wissenschaft dazu berufen ist, den Menschen geistig frei zu machen, so ist es die Bestimmung der Kunst, ihm das Gepräge des geistigen Adels zu geben. Überall ist es ihr höchstes Ziel, in den Erscheinungen der Körperwelt den geistigen Inhalt, in dem Vergänglichen das Dauernde, in dem Irdischen das Ewige zu vergegenwärtigen."

    Im Staatsdienst arbeitete der Geheime Regierungsrat an der Kräftigung des nationalen Bewusstseins durch die Werke der Kunst, wobei ihm jedoch die ungehemmte Entfaltung der schöpferischen Ideen von größter Wichtigkeit erschien. Der konservative Denker und Lenker war mit Blick auf die notwendige Vitalität des Schöpferischen alles andere als ein verstockter Reaktionär. Seine Freizeit verbrachte der gesellige und lebensfrohe Gelehrte im Kreis befreundeter Schriftsteller, Musiker und Maler. Heinrich Heine gehörte dazu, der auf Kuglers Porträtzeichnung schrieb:

    "So sah ich aus, heute Morgen, den 6ten April 1829."
    Auch Adalbert von Chamisso und Felix Mendelssohn waren dabei. Als junger Mann war Kugler Mittelpunkt der legendären Berliner Künstlerfeste, für die er dichtete, sang und Bilder entwarf. Später, 1852, gründet er den Künstlerklub "Rülti" mit so illustren Mitgliedern wie Theodor Fontane, Theodor Storm, Menzel und seinem Schwiegersohn Paul Heyse, der 1910 den Literaturnobelpreis bekam.

    Als Architekturspezialist setzte sich Kugler für den Denkmalschutz ein, weil er in den Bauwerken die "großen Buchstaben der Geschichte" sah. Der Kulturpolitiker stritt, wenn auch vergebens, für den modernen Urheberrechtsschutz, nachdem die Fortschritte in der Reproduktionstechnik zunehmend das geistige Eigentum in Frage stellten.

    Dem Pionier der Kunsthistorikerzunft, der eine neue kritische, auf Tatsachenforschung begründete Methode erwickelte, gelang mit dem zweibändigen Werk "Handbuch der Geschichte der Malerei" eine erste universale Zusammenschau des Zentralgebiets der bildenden Kunst. Persönlich hatte Kugler unter den Zeitgenossen die Meister der romantischen Schule schätzen gelernt. Nach seinem Geschmack waren Erzählungen in Bildern, feinsinnig ausgemalte Geschichten wie das Loreley-Gemälde von Carl Joseph Begas nach dem Gedicht von Heinrich Heine:

    "Begas hat die Loreley gemalt, fast ebenso, wie sie das Lied schildert. Das blonde Haar wallt frei über den Rücken hinab und wird leicht vom Winde gehoben. Sie hat eben ihren Putz beendet, der goldene Kamm und Spiegel liegen zu ihren Füßen. Da kam den Rhein hinab ein Nachen mit zweien Männern gefahren. Eilig ergriff sie die Laute und sang dazu ihr verderbliches Lied, welches den Nachen in den Strudel herlockt, der ihn hastig verschlingen will. Sie neigt ihr Haupt über den Abhang, und blickt auf ihre Beute hinab, indem sie nur noch leise den Accord ihrer Laute nachklingen lässt."

    Kuglers eigenes Lebensschiff kenterte nach einem Schlaganfall im Alter von nur 50 Jahren am 18. März 1858. Sein wichtigster Schüler und Mitarbeiter, der Baseler Kulturhistoriker Jacob Burckhardt, nannte ihn einen der wahrheitsliebendsten Menschen, die ihm vorgekommen waren