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Kulturhauptstadtjahr 2015
Mons feiert ein großes Eröffnungsfest

Phosphoreszierende Drachen, menschliche Lichterketten und beleuchtete Installationen: Die belgische Stadt Mons feiert am Abend mit einem großen Fest den Start des Kulturhauptstadtjahrs. Doch nicht alles erscheint im neuen Glanz.

Von Annette Riedel |
    Eine Plakatwand im historischen Kern von Mons wirbt für die Kulturhauptstadt 2015
    Kulturhauptstadt 2015: Mons (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    Der neue Bahnhof von Mons, nach den Plänen des weltbekannten Architekten Santiago Calatrava, ist nicht, wie geplant, fertig. Es wird es wohl erst 2017. Der Bahnhof von Mons besteht momentan aus einer Reihe von Containern. Aber auf der anderen Seite der Gleisanlagen ist das neue Kongress-Zentrum inzwischen eröffnet worden. Es hat die Form eines Schiffrumpfes, gebaut nach Plänen von Daniel Libeskind.
    Yves Vasseur, Intendant von Mons 2015. Vier Jahre lang hat der ehemalige Journalist an dem Programm gearbeitet.
    "Das Konzept für eine Kulturhauptstadt muss sich zu allererst aus ihren Wurzeln speisen. Mons selbst war keine Arbeiterstadt, eher eine der Ingenieure, der Notare, der Angestellten, die buchstäblich auf die Bergbauarbeiter der Umgebung herabsahen. Und doch lebte die ganze Gesellschaft vom Bergbau."
    Mit dem Ende des Kohlezeitalters begann auch der wirtschaftliche Abstieg von Mons. Das Jahr als Kulturhauptstadt Europas, mit den Investitionen davor, den Besuchern, die auch nach 2015 kommen oder wiederkommen sollen, will sich Mons nicht mehr und nicht weniger als neu erfinden, sagt Yves Vasseur.
    "Irgendwann muss die Politik entscheiden, wir müssen den Umstieg schaffen – durch Tourismus, durch Kultur, durch neue Technologien. Wir bieten eine neue Stadt an. Eine Metamorphose der Infrastruktur und des Esprits. Das ist ein echtes Abenteuer, das nicht 2015 endet."
    Van Gogh hat in der Nähe gelebt
    Allein vier Baudenkmäler, die Welt-Kulturerbe sind, gibt es in Mons und um Mons herum. Und hunderte Kohlegruben. In der Umgebung von Mons, im Borinage, begann die industrielle Revolution auf dem europäischen Festland. Die Kohle lag teilweise buchstäblich auf den Feldern.
    "Wir befinden uns hier bei der vorherigen Kohlengrube Marcasse."
    Eine der bekanntesten und größten Zechen war die Marcasse im Borinage, in der Nähe des Ortes Petit-Wasmes bei Mons. Vincent Van Gogh hat hier gelebt, als er noch Pfarrer war. Hier beschloss er, Maler zu werden. Er hat die Zeche selbst einmal besucht. Zwischen den zerfallenden Ruinen, imposanten Beispielen industrieller Backstein-Architektur, grasen heute Pferde des privaten Besitzers.
    "Am letzten Wochenende im April werden wir ein ganzes Wochenende hier für Van Gogh inszenieren."
    Erzählt Filip Depuydt, der sich ganz und gar der Geschichte der zwei Jahre verschrieben hat, die Van Gogh Ende der 70-Jahre des 18. Jahrhunderts hier lebte. Er kennt gewissermaßen jedes Haus, in das Van Gogh in und um Mons herum jemals einen Fuß gesetzt hat.
    "Ab Anfang Februar werde ich auch Wanderungen begleiten, um mal die verschiedenen Orte hier in Petit-Wasmes kennenlernen zu können."
    Mons erhofft sich den Aufschwung
    Nicht zuletzt um Orte wie die Zeche Marcasse vor dem Verfall zu retten, setzt sich Filip Bepuydt engagiert dafür ein, das Thema Van Gogh für die Region 2015 zu vermarkten: Van Gogh-Wochenende in der Zeche Marcasse, Van Gogh-Pralinen, Van Gogh-Bier - trotz aller Anstrengungen fürchten mit Filip Depuydt viele, dass der Aufschwung den Mons mit dem Status Europäische Kulturhauptstadt 2015 erhofft, in der Region ohnehin nicht ankommt.
    "Anfangs waren die verschiedenen Leute in der Region ziemlich kritisch gegenüber Mons 2015. Ich weiß nicht, was davon übrig bleiben wird, ob es viel ändern wird - nicht für's Borinage."
    Viel konzentriert sich natürlich auf Mons selbst - da auch ab morgen eine Ausstellung im Beaux-Arts-Mons-Museum für moderne Kunst über Van Goghs Zeit im Borinage. Aber auch jenseits der Stadtgrenzen hofft man auf mehr Besucher, trägt man seinen Teil zu Mons 2015 bei - z.B. im Grand Hornu.
    In Teilen der Gebäude des Grand Hornu residiert das renommierte Musee des Arts Contemporains, kurz MAC's genannt.
    Laurent Busine ist der Direktor vom MAC's, das mit einer speziellen Ausstellung auch seinen Teil zu Mons als Kulturhauptstadt beitragen wird. Eine wichtige folkloristische Rolle hat über die Jahrhunderte in Mons und um Mons herum die Legende vom Heiligen Georg gespielt - edler Ritter und Drachentöter, Sinnbild des Kampfes und der Behauptung des Menschen gegen das Böse. Busine hat drei Jahre lang weltweit originelle Beispiele dafür zusammengetragen, wie dieser Mythos gemalt, gezeichnet, gedruckt abgebildet wurde, auf Alltagsgegenständen, in Form von Skulpturen.
    "Unsere große Ausstellung im Rahmen von Mons 2015 heißt: 'Der Mensch, der Drache und der Tod' - Untertitel: der Ruhm des Heiligen Georg. Es ist äußerst interessant zu sehen, wie unterschiedlich er im Mittelalter und in der Renaissance dargestellt wurde." Diese Ausstellung wird als letzte der diversen Ausstellungen im Oktober 2015 eröffnet und geht in den Januar 2016 hinein.
    Arne Quinzes Passenger brach in sich zusammen
    Über Januar 2016 hinaus, genauer gesagt bis Ende 2019, hätte ein Kunstwerk, Anziehungskraft für Mons entfalten sollen: The Passenger von Arne Quinze. Die 16 Meter hohe und 85 Meter lange urbane Installation aus Holzbrettern von Arne Quinze wurde bereits im Dezember eingeweiht. Peinlich nur und ein mittleres Desaster für Mons: Wenige Tage danach brach die moderne Freiluft-Kunst sie in Teilen zusammen. Dem 43-jährigen flämischen Künstler hat seine Kunstwerke schon überall in der Welt aufstellt. Zwischen Marktplatz, Kirche und Justizpalast schlängelte sich im Zentrum von Mons für kurze Zeit ein Bretterwald auf Stelzen aus mehr als 40.000 Brettern in zwei großen Wellen. Das Gebilde hatte etwas von einem‚ Mikado-Drachen. Die Meinungen in Mons über Arne Quinzes "Passenger" waren allerdings von Anfang an bestenfalls geteilt. Was diesen nicht angefochten hatte.
    Holzkonstruktion "The Passenger" im belgischen Mons
    Die Holzkonstruktion "The Passenger" im belgischen Mons wurde zerstört. (picture alliance / dpa / Foto: Oliver Berg)
    "Das Werk soll sich organisch in die Stadt einfügen. Es wird die Menschen verlangsamen. Sie werden nach oben schauen, über die Installation reden, darüber ins Gespräch miteinander kommen – unabhängig davon, ob sie es lieben oder nicht."
    Die Frage wird sich nicht mehr stellen. Inzwischen ist Quinzes "Passenger" aus Sicherheitsgründen gänzlich abgebaut worden und soll wohl auch nicht wieder aufgebaut werden. So hat die Stadt Mons nach einigem Gezerre beschlossen.