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Kulturwandel in der Entwicklungshilfe
Keine weißen Retter

Der Schwarze als willenloses Hilfsobjekt, der Weiße als Retter in der Not: Gegen dieses Stereotyp formiert sich in Afrika Widerstand. Unter dem Motto "Keine weißen Retter" setzt sich eine ugandische Initiative für einen Wandel in der Entwicklungshilfe ein. Und ein Umdenken hat auch schon begonnen.

Von Marc Engelhardt | 13.06.2019
12. September 2019, Die UN-Flüchtlingsbotschafterin Angelina Jolie unterhält sich mit somalischen Kindern in einem Flüchtlingslager.
Die UNHCR-Sondergesandte Angelina Jolie mit somalischen Kindern in einem Flüchtlingslager (BORIS HEGER / UNHCR / AFP)
Mosambik, zwei Monate nach dem Zyklon Idai: Am Rand der verwüsteten Hafenstadt Beira haben die Vereinten Nationen ein Lager aus weißen Zelten errichtet. In Mutua leben 239 Familien, knapp 1.500 Menschen, die durch Sturm und Überschwemmung beinahe alles verloren haben. Am Morgen des 27. Mai bekommen die Bewohner von Mutua prominenten Besuch: Der britische Schauspieler Orlando Bloom ist gekommen. Er läuft durch das Lager, beugt sich zu einem Baby herab, tanzt mit einem kleinen Jungen und spricht in die Kamera des Filmteams, das ihm auf Schritt und Tritt folgt.
"Wir sind gerade mit unserem Rundgang bei den Bewohnern fertig und es ist echt schwer, Worte für die Verluste zu finden, die diese Leute erlebt haben. Sie sind sehr stolz, aber auch verzweifelt."
Liberia, 23 März 2015: Der britische Schauspieler und UNICEF-Botschafter Orlando Bloom spricht mit einer Mutter und ihrem Kind vor einer Klinik.
UNICEF-Botschafter Orlando Bloom in Liberia (UNICEF)
Widerstand gegen Stereotype
Bloom ist als Botschafter für das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in Mutua. Er ist nicht der einzige Prominente, der in Afrika und anderswo für Hilfsbedürftige wirbt. Seine Kollegin, die amerikanische Schauspielerin Angelina Jolie, engagiert sich seit Jahren für die Flüchtlingshilfe, der Sänger Peter Maffay für ein deutsches Kinderhilfswerk. Die Liste der Stars und Sternchen, die regelmäßig auf Visite bei den Ärmsten der Welt sind, ist lang. Zu lang, findet Tobias Denskus, der an der Universität von Malmö in Schweden Entwicklungs-Kommunikation unterrichtet. Denn transportiert würden stets die gleichen Stereotype.
"Bei Frauen sehr oft, die halten dann Kinder in den Armen und sprechen mit den Müttern, bei Männern hat man dann oft eher dieses Bild vom Fußballspielen auf dem staubigen Dorfplatz, und da ist die Kritik sicherlich am größten, zu sagen: Diese Art von Kommunikation, die kann man heutzutage auch anders gestalten. In eigentlich allen afrikanischen Ländern wächst die Kulturindustrie rasant; es gibt also auch eine somalische Hiphop-Truppe oder eine nigerianische Geschäftsfrau, die absolut fähig, authentisch und detailliert über Situationen vor Ort berichten können, ohne dass man eben da diese weiße Person aus dem globalen Norden einfliegen muss."
Der Schwarze als willenloses Hilfsobjekt, der Weiße als strahlender Retter in der Not: Gegen dieses Abziehbild formiert sich in Afrika Widerstand. Mit dem Hashtag NoWhiteSaviors, Keine weißen Retter, haben Olivia Alaso und Kelsey Nielsen im Netz einen Nerv getroffen. Mehr als 150.000 Follower haben sie beim Onlinedienst Instagram. Dabei haben sie nichts gegen Weiße, wie sie betonen, sondern nur gegen den Mythos des weißen Retters. Als die britische Filmemacherin Stacey Dooley für eine Hilfsaktion der BBC mit schwarzem Baby auf dem Arm posierte, warf Alaso ihr vor, das namenlose Kind als Requisite zu missbrauchen. Der Streit kochte hoch, und Alaso erklärte sich schließlich in der BBC:
"Es gibt viele Fotos, die unsere Geschichte verzerren: Man geht zu den ärmsten, den wirklich allerärmsten Menschen bei uns und tut so, als wäre das Afrika. Und nur, weil ein Prominenter von weit her kommt und hier dann Fotos von unseren Kindern macht, sollen wir dankbar sein. Kommt in unsere Dörfer, fragt uns, was wir brauchen und dann antworten wir Euch gerne. Und wenn Ihr dann die Hilfe bringt, die wirklich benötigt wird, dann wird sie auch sehr geschätzt werden."
Hautfarbe und Nationalität als Schlüssel zur Macht
Alaso und ihren Mitstreiterinnen geht es um mehr als nur um Promireisen und Fotos. Alaso ist in Jinja aufgewachsen, Ugandas viertgrößter Stadt am Viktoriasee. Die Weißen mit Geld und Einfluss, die ihre mit bunten Logos geschmückten Jeeps am Straßenrand parkten, seien überall präsent, sagt sie. Zu ihnen gehörte auch die US-Amerikanerin Kelsey Nielsen, die heute an Olivia Alasos Seite gegen die vermeintlichen weißen Retter kämpft. Nielsen war erst 23, als sie ihre eigene Hilfsorganisation leitete und Alaso einstellte. Verrückt, sagt sie im Podcast Tiny Spark, aber in der Welt der Entwicklungshilfe völlig normal.
"Da gibt es diese Gruppe vor allem junger, weißer Frauen, die voll motiviert sind und es wirklich gut meinen. Aber sie haben auch eine schräge Überzeugung von dem, wozu sie angeblich berechtigt und fähig sind: Probleme auf der anderen Seite der Welt zu bewältigen, deren Lösung man uns zu Hause niemals anvertrauen würde. Wenn man einen Schritt zurücktritt, dann sieht man doch: Der einzige Grund, warum ich der Boss war, waren nicht meine Verdienste, sondern ein unverdientes Privileg und mein Zugang zur Macht."
Hautfarbe und Nationalität als Schlüssel zu Macht und Privilegien in Entwicklungsländern können tödliche Folgen haben, sagen Alaso und Nielsen. Derzeit bereiten sie eine Klage gegen eine Missionarin einer evangelikalen Freikirche vor, die in ihrem Hilfszentrum unterernährte Kinder ärztlich behandelt haben soll - ohne medizinische Ausbildung. Die Behörden interessierte das offenbar nicht. Schließlich war die Frau in Uganda lange Zeit höchst angesehen. Noch sind die Vorwürfe nicht bewiesen, es gilt die Unschuldsvermutung.

Doch dass Privilegierte mit Helfersyndrom Schaden anrichten können, daran besteht für Tobias Denskus von der Uni Malmö kein Zweifel.
"Man darf sicherlich auch nicht unterschätzen, wieviel schlechte Entwicklungszusammenarbeit auch immer noch passiert und wie viele Rucksacktouristen, die schlecht informiert und schlecht ausgebildet sind, sich auf den Weg machen - aus reinen Selbstfindungsgründen, um ihren Lebenslauf aufzuhübschen. Da ist natürlich auch die berechtigte Kritik, dass das eben sehr oft eine Fortsetzung von kolonialen Praktiken ist, die eben sehr viel älter sind. Und dass sich da auch über die Zeiten Frust aufstaut, zu sagen: Das haben wir jetzt schon über Jahrzehnte oder länger gesehen, dass am Ende weiße Leute mit ihren Rezepten kommen, um tatsächlich uns zu erklären, wie es besser geht."
Oxfam stärkt die Mitbestimmung vor Ort
Aus dem Frust Konsequenzen gezogen hat die Hilfsorganisation Oxfam. Vor drei Jahren kündigte die im britischen Oxford gegründete Organisation an, mit ihrem internationalen Sekretariat nach Nairobi in Kenia zu ziehen. Keine leichte Entscheidung, denn es geht um mehr als nur einen neuen Standort, sagt Marion Lieser, die geschäftsführende Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion von Oxfam.

"Mir ist einfach wichtig, dass klar ist, dass dieser Schritt eben nicht rein symbolisch war, sondern dass es auch um eine interne Machtverlagerung geht. Und die drückt sich darin aus, dass es immer mehr Oxfam-Organisationen im Süden gibt. Also nicht nur, dass man dieses Oxfam-Sekretariat aus Großbritannien nach Kenia verlagert hat, sondern dass wir im Süden wachsen."
Oxfam-Sektionen gibt es inzwischen auch in Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika. Die Idee ist, dass starke Organisationen in den Empfängerländern stärker mitbestimmen, wofür Spendengeld ausgegeben wird, und damit immer mehr die Kontrolle übernehmen.
16.02.2018, Berlin: Marion Lieser, Geschäftsführerin Oxfam Deutschland, steht vor Beginn eines kurzfristig einberufenen Pressegesprächs vor einer Wand, auf der Oxfam Deutschland steht. In dem Pressegespräch stellte Lieser den Maßnahmenkatalog gegen Belästigung und sexuelle Ausbeutung vor. Die internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam war in die Kritik geraten, als Vorwürfe wegen sexuellen Fehlverhaltens ehemaliger Mitarbeiter bekannt wurden. Foto: Paul Zinken/dpa | Verwendung weltweit
Marion Lieser, Geschäftsführerin der deutschen Sektion von Oxfam (picture alliance / Paul Zinken / dpa)
Journalistin: "Solidarität und Hilfe werden immer demokratischer"
Heba Aly sieht darin einen Trend. Die Direktorin des Informationsdienstes The New Humanitarian beobachtet einen unaufhaltbaren Wandel, in dem Initiativen wie NoWhiteSaviors nur der Anfang sind.
"Humanitäre Hilfe, selbst im ganz offiziellen Sektor, wo immer noch weiße Männer den Ton angeben, wird immer vielfältiger. Noch wichtiger ist vielleicht, dass dieser Sektor die humanitäre Hilfe nicht mehr kontrolliert."
Aly verweist beispielsweise auf den Privatsektor, der zunehmend zur humanitären Hilfe beitrage, etwa mit digitalen Lösungen. Vor allem aber gebe es immer mehr Menschen, die ganz allein und ohne Überbau zu humanitären Helfern würden.
"In der Flüchtlingskrise in Europa haben Freiwillige die Ertrinkenden aus dem Mittelmeer gezogen, nicht das UN-Flüchtlingshilfswerk. Solidarität und Hilfe werden immer demokratischer. Am wichtigsten sind diejenigen, die selber Opfer einer Krise sind: Sie sind die ersten, die Hilfe organisieren. Nicht die Leute in den weißen Landrovern, sondern lokale Organisationen sind diejenigen, die die richtigen Antworten haben. Das ist nicht neu, aber wird jetzt endlich anerkannt. Und die internationale Gemeinschaft fragt sich: Wie können wir diese Organisationen stärken, anstatt laufend Hilfe aus dem Ausland zu schicken."
Lokale Helfer verdienen weniger als ausländische Kollegen
Das Lob für lokale Helfer schlägt sich bis heute nicht monetär nieder. Ausländer verdienen mit einem Job in der Entwicklungshilfe bis zu neun Mal mehr als ihre Kollegen, die aus der Region stammen. Und das bei gleicher Qualifikation. Extras wie Schulgeld oder Wohnungszulage sind da nicht einmal mitgerechnet. Das hat eine Studie im Auftrag des britischen Wirtschafts- und Sozialforschungsrats vor drei Jahren ergeben. Und die Studie sagt auch: Lokale Helfer empfinden diese Ungerechtigkeit als eines der größten Probleme am Arbeitsplatz. Dabei ist die Arbeit der Ortskräfte eigentlich unbezahlbar, weiß auch Achim Wennmann. Am Genfer Graduate Institute untersucht er am Zentrum für Konflikt, Entwicklung und Frieden die Hilfe unter besonders schweren Bedingungen: nach Kriegen oder Konflikten.
"Wenn man dann natürlich mit Externen wie Raumschiffen dort landet, um wieder was ganz Neues von oben aufzubauen, ist dieses nicht oft mit den realen Strukturen verbunden, die nach dem Krieg existieren. Weil oft ist ja in einem Nachkriegsgebiet es nicht möglich für die Zentralregierung, im ganzen Land zu agieren, und deshalb braucht man auch Zugänge, die oft durch spezialisierte Organisationen eröffnet werden, die spezielle Verbindungen zu Gruppen haben, die halt einige Landesteile kontrollieren."
Akteure aus der Region arbeiten effizienter
Für Wennmann zeigen die Beispiele Afghanistan, Libyen oder Irak: Wo Gelder zentral an die Regierung überwiesen werden, gingen oft hohe Millionenbeträge verloren - durch Ineffizienz oder Korruption. Das lässt sich seiner Ansicht nach vermeiden, indem lokale Prozesse gestärkt werden. Akteure aus der Region könnten Hilfsbedürftige viel effizienter versorgen.
"Effizienz aus meiner Sicht ist: Die Akteure, die am besten in der Lage sind, eine Sache zu machen, sollen es machen. Und oft sind das leider nicht die internationalen Akteure. Zum einen, wenn man in eine Nachkriegsregion kommt, verstehen viele internationale Akteure eigentlich nicht richtig, was da wirklich passiert ist. Und man muss mit lokalen Akteuren arbeiten, die wirklich die Situation, die das Machtgefüge und auch die Kultur und Geschichte richtig verstehen. Da ist glaube ich der Effizienzgewinn."
Effizienz ist wichtig im Hilfsgeschäft. Der Bedarf an humanitärer Hilfe steigt seit Jahren. Immer neue Krisen, dazu eine Vielzahl von scheinbar unlösbaren Dauerkonflikten hat die Not explodieren lassen. Nach UN-Angaben waren 2018 mehr als 135 Millionen Menschen weltweit auf Hilfe angewiesen. Um sie zu versorgen, wären mehr als 22 Milliarden Euro nötig gewesen. Doch es kamen gerade einmal 13 Milliarden zusammen. Auch die Vereinten Nationen setzen verstärkt auf die vielen kleinen Organisationen, die die Probleme und die Lösungen am besten kennen. Ramesh Rajasingham weiß das. Er ist als Direktor der UN-Nothilfekoordination für Begutachtung, Planung und Kontrolle zuständig.
"Unsere Arbeit wäre ohne die nationalen Nichtregierungsorganisationen absolut unmöglich. Ohne diejenigen, die als Sub- oder Subsubunternehmer im Feld arbeiten, hätten wir Zehntausende Leben verloren. Die finanziellen Mittel sind das eine, aber dann ist da immer noch das Risiko, die Hilfe wirklich zu leisten. Und die lokalen Gruppen sind die, die die Risiken auf sich nehmen. Hunderte von ihnen sind bei dieser Arbeit getötet worden."
Internationale Organisationen und Regierungen wollen Kontrolle behalten
Die Zahl der Opfer zeigt, dass die Stärkung lokaler Organisationen nicht nur positive Effekte hat. Eine Studie von Interaction, einem Zusammenschluss von mehr als 200 Hilfsorganisationen in den USA, hat die Risiken untersucht. Das Ergebnis: Große Hilfsorganisationen wollen für ihre Mitarbeiter Risiken vermeiden und reichen die gefährliche Arbeit im Feld deshalb immer häufiger an die kleineren, lokalen Gruppen weiter. Die können schlecht nein sagen, weil sie vom Geld der Großen abhängig sind. Denn bisher, das räumt auch Ramesh Rajasingham ein, können kleine, lokale Organisationen nicht selber Geld von Gebern beantragen.
"Es wäre sehr wichtig, Wege zu finden, um Hilfsorganisationen vor Ort direkt zu finanzieren. Als Subunternehmer fehlt ihnen die Möglichkeit, die nötigen Kapazitäten aufzubauen, vor allem eine leistungsstarke Buchhaltung. Denn wir sind letztlich dem Steuerzahler gegenüber verantwortlich, die Geber müssen also sicher sein können, dass jeder, der Hilfsgelder ausgibt, das auch ordentlich macht."

Mit dem Geld geben die staatlichen und privaten Finanziers der Hilfe vor Ort allerdings auch ein Machtinstrument aus der Hand. Und das wollen viele offenbar nicht - sagt der Friedens- und Konfliktforscher Achim Wennmann.
"Wenn es um Geld und Kontrolle geht, ist es für viele Akteure, internationale und nationale Akteure, immer sehr heikel. Zum einen viele internationale Organisationen, die sich durch große Projekte und Krisen finanzieren, zum anderen gibt es auch Regierungen, die gerne Entwicklungshilfe selber kontrollieren wollen aus eigenen machtpolitischen Erwägungen. Und wenn es dann geht, das Argument der Effizienz zu benutzen, um Kontrolle und Geldströme abzugeben, dann wird oft lieber weniger effizient gearbeitet aber unter mehr Kontrolle."
Das Dilemma: Wo Kontrolle fehlt, steigt das Risiko für Missbrauch. Zuviel Kontrolle hingegen lähmt die Helfer. Lindsay Hamsik, Mitautorin der Risikostudie von Interaction, warnt:
"Je mehr Rechenschaft internationale und lokale Hilfsorganisationen den Gebern gegenüber ablegen müssen, desto weniger fühlen sie sich den Opfern gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet."
28. November 2016, Ramesh Rajasingham,  UN-Koordinator, während einer Pressekonferenz nahe der türkisch-syrischen Grenze.
Ramesh Rajasingham, UN-Koordinator, will vor allem lokale Hilfsorganisationen stärken (OZAN KOSE / AFP)
Entwicklungszusammenarbeit in beide Richtungen
Keine weißen Retter, das bedeutet in der Entwicklungshilfe vor allem einen umfangreichen Kulturwandel. Den sieht UN-Koordinator Rajasingham auch bei den Vereinten Nationen längst im Gang. Wo vor 30, 40 Jahren einfach Lebensmittel abgeworfen wurden, werde heute mit Betroffenen besprochen, welche Hilfe überhaupt nötig und sinnvoll sei. Die mit Abstand meisten UN-Mitarbeiter seien heute Ortskräfte und auch die Führungsriege etwa in Afrika stamme längst nicht mehr aus Europa, sondern zu mehr als der Hälfte aus afrikanischen Staaten. Das größte Potenzial aber sieht Rajasingham darin, die Helfer vor Ort ernst zu nehmen. Zu oft würden sie noch unterschätzt.
"Als ich in der Türkei die grenzüberschreitende Hilfe für Syrien koordiniert habe, haben wir sehr eng mit syrischen Hilfsorganisationen zusammengearbeitet. Die waren hochprofessionell und haben Dinge gemacht, die hätten wir nie leisten können. Als Ost-Aleppo belagert wurde, haben syrisch-amerikanische Ärzte per Telemedizin dem Arzt in Aleppo assistiert. Das hätte es früher nicht gegeben und der größte Erfolgsfaktor war, dass es von einer syrischen Hilfsorganisation gemacht wurde."
Syrische Retter für Syrien. Und selbst, wenn Deutsche zur Hilfe nach Afrika aufbrechen, verstehen sie sich längst nicht mehr unbedingt als Retter, beobachtet Tobias Denskus von der Uni Malmö.
"Ein Beispiel aus Deutschland, wo ich positiv überrascht bin, ist "weltwärts", der Freiwilligendienst, der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird, und wo ich sehr überrascht war, wie selbstkritisch dieses Projekt hinterfragt wird. Weil: Freiwillige nach Afrika schicken, da bin ich erstmal skeptisch. Aber wenn man dann zum Beispiel hört, dass man sich auch bemüht, Süd-Nord-Austausche zu machen, dass man also Menschen und Expertinnen aus dem globalen Süden nach Deutschland holen möchte - also viele Themen, die kritisch sind, die notwendig sind, werden in so einem Kontext besprochen."
So wirkt Entwicklungszusammenarbeit in beide Richtungen - nach Norden und nach Süden. Auch Olivia Alaso und Kelsey Nielsen von NoWhiteSaviors wollen es nicht bei der Kritik belassen. Sie haben eine eigene Hilfsorganisation gegründet, die ugandische Initiativen bündeln und stärken soll. Und natürlich wollen sie weiter unbequem bleiben. Gerade erst haben sie T-Shirts für eine Kampagne bedrucken lassen. Darauf steht ihr Motto: "Wenn Du Dich nicht schlecht fühlst, dann hast Du uns nicht richtig zugehört." Weiße Retter haben es in Afrika künftig schwer.