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Kultusminister hält OECD-Studie für veraltet

Elke Durak: Sie haben mit Bezug auf die Bildungsstudie der OECD von langweiligen, ermüdenden und überflüssigen Ritualen gesprochen. Worüber empören Sie sich denn?

Moderation: Elke Durak |
    Bernd Busemann: Ich habe mich über die Studie in der Tat etwas geärgert oder war befremdet, weil sie mit alten Fahnen operiert. Das wesentliche Datenmaterial stammt aus dem Jahre 2001 und die Botschaften sind dann jährlich auch wiederholt worden, so wahnsinnig viel Neues ist da nicht dabei und das enttäuscht mich ein bisschen. Es hilft auch nicht - ob nun OECD oder PISA, wer auch immer - dass man bestimmte Mängel, die ja vorhanden sind, des deutschen Bildungswesens uns immer wieder vorbetet. Auch die OECD sollte sich mal einschalten in die Bewegungen, die in allen Bundesländern mehr oder weniger da sind. Denn alle Bundesländer machen etwas und man sollte mal beleuchten, wer hat etwas getan. Wer hat vielleicht die ersten Ergebnisse, wer hat die Stundenzahlen im Unterricht erhöht, und, und, und. Deswegen kann ich mit dem Bericht wenig anfangen, auch wenn er gestern bundesweit, das hat ja eine gewisse Strategie auch in sich gehabt, sehr stark verbreitet wurde.

    Durak: Der Präsident der Leibniz-Wissenschaftsgemeinschaft und ehemalige BDI-Präsident hat heute Morgen von einem der niederschmetterndsten Ergebnisse dieser Art für Deutschland gesprochen. Irrt der Mann?

    Busemann: Herr Henkel, den ich eigentlich sehr schätze, ist ja nun bekannt für flotte Sprüche. Aber er hätte sich vielleicht auch mal ein bisschen in die ganze Materie vertiefen sollen. Außerdem ist selbst dieser OECD-Bericht, wenn ich ihn mal so hinnehme, nicht so negativ, wie er medienmäßig gestern und heute rüberkommt. Beispiel: Es wird uns attestiert, dass wir eine bessere Bildungsbeteiligung insgesamt die letzten Jahre in Deutschland erzielt haben und dann wird ganz klein noch dazu erwähnt, wir hätten ja eine ganz vortreffliche berufliche Bildung, die wir anderen Ländern auch noch voraus haben. Naja, uns wird attestiert, dass wir die Zahl der Studenten erhöht haben, uns wird attestiert, dass die Zahl der Hochschulabsolventen, also der erfolgreichen Studenten erhöht haben, dass unsere Universitäten attraktiver geworden sind und dann wird eher global ein alter Vorwurf wiederholt, den ich ein stückweit auch unterschreiben kann, dass möglicherweise unser Bildungswesen unterfinanziert ist, das ist auch ein kompliziertes Thema, was beleuchtet zu werden lohnt, und dass wir insgesamt zum Beispiel zu wenig Unterricht erteilen im Bereich der frühkindlichen Bildung, ich sage jetzt mal, in Grundschulen. Nur: Hier haben einige Bundesländer sich bewegt, die Zahlen, die Herr Schleicher für die OECD verbreitet, haben Stand 2001, der bundesweite Schnitt, das behaupte ich jetzt einfach mal, hat sich schon verbessert und wir in Niedersachsen liegen schon besser als das Land, was er nun als Topland beschrieben hat, nämlich Schottland. Dort kriegt der sieben- bis achtjährige Grundschüler 1000 Unterrichtsstunden pro Woche, bei uns sind es schon 1040. Das möchte er bitte auch mal berücksichtigen.

    Durak: Herr Busemann, Herr Henkel steht ja nicht allein, die derzeit amtierenden Wirtschaftspräsidenten, sage ich mal, Rogowski (BDI), Hundt (BDA) und andere haben auch Alarm geschlagen und fordern einen Pakt für Bildung und eine Offensive Innovation und Bildung. Liegen die alle so falsch?

    Busemann: Nein, die liegen alle nicht so falsch. Aber erst mal sind es auch sehr schnell mal sehr flotte Titel und Sprüche, da muss auch entsprechend nachgelegt werden. Wenn wir uns unser Bildungswesen angucken, ich greife mir mal jetzt den Bereich der frühkindlichen Bildung raus, da kann man durchaus sagen, es ist einiges geschehen. Aber wir können eben noch besser sein. Im Bereich der Kindertagesstätten - als Beispiel - da haben wir nun in Niedersachsen, andere Länder Ähnliches, den Bildungsauftrag erkannt und endlich mal ausgefüllt. Es gibt einen Orientierungsrahmen, da wird also mehr auf die Schule vorbereitet. Was die Grundschulen anbelangt, da müssen einige Länder sicherlich noch mehr Unterricht bieten, wir müssen vielleicht auch qualitativ besser werden, wir müssen auch durchaus, auch wenn das nicht das Allheilmittel ist, mehr in Richtung Ganztagsschulen gehen. Aber, das sage ich dann auch mal der Wirtschaft, die ist ja auch etwas knauserig, wenn es darum geht, dem Staat Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn es ums Geld geht, haben die ja eher konträrere Überlegungen, wie dann Steuern einzusparen seien und, und, und, damit Industrie nicht abwandert. Dann müssen wir eben über hohe Beträge nachdenken, ich habe schon früher die These vertreten, einfach mal jetzt verglichen, warum kostet eigentlich ein Studienplatz in Deutschland zur Zeit jedenfalls noch so gut wie gar nichts und warum müssen Eltern für den Kindertagesstättenplatz ihrer Kinder bezahlen?

    Durak: Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

    Busemann: Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich gerne die Kindertagesstätte kostenfrei machen möchte, insbesondere im letzten Jahrgang vor der Schule für die Eltern und zu dem Ergebnis, dass die staatlichen Mittel in Niedersachsen nicht ausreichen, um das zu realisieren.

    Durak: Dann tun sie es doch!

    Busemann: Woher soll ich das Geld nehmen?

    Durak: Indem Sie zum Beispiel zustimmen, die Eigenheimzulage zu streichen und umzulenken.

    Busemann: Sehen Sie, dass sind ja nun solche Polittricks, die wir die letzten Jahre genug erlebt haben.

    Durak: Ein Vorschlag, Herr Busemann.

    Busemann: Ich komme noch drauf. Dann heißt es zum Beispiel, Tabaksteuer, damit wir mehr für die Gesundheit tun können. Dann heißt es irgendwo Ökosteuer, also Spritpreis hoch, damit wir mehr für die Innere Sicherheit tun können. Das sind ja unzulässige Verknüpfungen, die ja mit dem Steuerrecht gar nicht vereinbar sind. Eigenheimzulage ist ein kompliziertes Thema, aber selbst wenn der Bund, der ja für die Eigenheimzulage zuständig ist, sich die Eigenheimzulage einsparen würde, ist ja dadurch noch längst nicht gesagt, dass er dann gönnerhaft, wie er nun dann sein müsste, das Geld sozusagen wieder auf die Länder verteilt.

    Durak: Was wäre denn, wenn er es täte?

    Busemann: Wenn er es täte, abseits, da spreche ich mal als Pragmatiker, Ähnliches habe ich bei den Ganztagsmitteln des Bundes gesagt, dann würde ich nicht undankbar sein, wenn wir das Geld, egal jetzt aus welcher Quelle, das Geld jetzt in die Länder kanalisieren würden und abseits von sonstigen Verpflichtungen der Länder auch tatsächlich sagen, wir geben es für Bildung aus. Dann wäre ich gerne dabei. Wenn man mir Mittel gäbe für Niedersachsen, in anderen Ländern wird das dann ähnlich sein, zum Beispiel im Bereich von einer halben Milliarde, dann hätte ich schon reichlich Ideen, das Bildungssystem noch zu verbessern.

    Durak: Wenn man die Mittel mir in die Hand gäbe. Manna fällt aber nicht vom Himmel, man muss sich da schon etwas einfallen lassen. Dennoch, nochmals zurück, welche Möglichkeiten sehen Sie denn? Denn die Union, Ihre Partei, der Sie angehören, muss ja im Bund Vorschläge machen oder irgendetwas zustimmen, damit Geld ins Land kommt.

    Busemann: Das ist natürlich ein schwieriges Thema zu sagen: Wie kriegen wir mehr Geld ins Land? Ich bin da von gewissem Realismus dann auch geprägt, ob dann große Begriffe wie Ausbildungspakt oder Ähnliches dann tatsächlich zur Wirkung kommen, da hätte ich so meine Bedenken. Ich würde gerne erleben, dass vielleicht doch mal ein Jahr mit Wirtschaftswachstum wieder kommt, dass vielleicht doch mal dann ein Jahr mit wachsenden Steuereinnahmen kommt, nehmen wir einmal an, ab 2005 oder 2006, was ja auch die Länder unter Beibehaltung des jetzigen Steuersystems durchaus spüren würden und dass wir dann von den Zuwächsen doch deutlich mehr in den Bereich der Bildung geben, als vielleicht in andere Bereiche.

    Durak: Besten Dank, das war Bernd Busemann, der niedersächsische Kultusminister, CDU.