Freitag, 19. April 2024

Archiv

Kundgebung in Erfurt
AfD-Anhänger stehen im Dunkeln

Rund 4.000 AfD-Anhänger haben in Erfurt demonstriert. Dabei standen sie im Dunkeln: Das Bistum schaltete das Licht am Domberg aus Protest ab. Nicht nur das empörte die Redner. Sie verteilten Noten an Politiker und Journalisten. Über Asylpolitik sprachen sie aber erstaunlich wenig.

Von Henry Bernhard | 22.10.2015
    Teilnehmer einer Kundgebung der "Alternative für Deutschland" (AfD) in Erfurt.
    Die Demonstration in Erfurt fand teilweise im Dunkeln statt. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Der Domplatz in Erfurt ist einer der schönsten Plätze in Deutschland. Über der riesigen Fläche des Platzes thront das Ensemble von Dom und St. Severi Kirche, in der Dunkelheit bestrahlt wie ein Museumsschatz. Gestern aber blieb der Domberg dunkel. Das Bistum Erfurt wollte verhindern, so die Begründung, "dass der Domberg als Kulisse für eine AfD-Veranstaltung herhalten muss". Stattdessen zogen mehrere Hundert Menschen nach einem Friedensgebet mit Kerzen in der Hand singend an der AfD-Demonstration vorbei.
    Zum ersten Mal gingen in Erfurt nicht nur Autonome, Grüne, Linke, Gewerkschafter auf die Straße, um gegen die rechtspopulistische AfD zu demonstrieren, sondern das breite Bürgertum. Bei der AfD zeigte man sich darüber sehr ungehalten, vor allem über den Domberg in der Finsternis.
    Der Organisator der Demonstration, Gerhart Siebold: "Wenn sich bewahrheitet, dass sich Würdenträger meiner Kirche auf die Seite von Mauer, Stacheldraht, materialistischer Ideologie, Schießbefehl, Stasi und Diktatur stellen, wäre ich persönlich, wäre meine katholische Seele schwer verletzt."
    Kritik am dunklen Dom
    Fast alle Redner bezogen sich auf die Dunkelheit auf dem sonst strahlenden Domberg. Die AfD-Abgeordnete Wiebke Muhsal bekannte, erst vor wenigen Jahren bewusst Katholikin geworden zu sein: "Die Katholische Kirche hat gesagt: Wir haben unsere Werte, und wir rücken von diesen Werten nicht ab; egal, was der Zeitgeist sagt. Am dunklen Dom sieht man heute: Das hat sich in der Führungsetage wohl geändert."
    Björn Höcke dagegen, AfD-Vorsitzender in Thüringen und Fraktionsvorsitzender im Landtag, fordert dagegen vom Bischof, eben dem Zeitgeist zu folgen:
    "Pfarrer und Bischöfe haben in meinen Augen eigentlich die Aufgabe, die frohe Botschaft unters Volk zu bringen. Und heute spielen sie leider Hobby-Politiker. Ich bitte Sie, Herr Bischof, als Demokrat bitte ich Sie: Führen Sie eine Urabstimmung in Ihrem Bistum durch und fragen Sie die Gläubigen, ob der Dom, wenn das Volk protestiert, auch in Zukunft verdunkelt werden soll!?"
    Nur halb so viele AfD-Anhänger waren gekommen wie beim letzten Mal, 4.000 statt 8.000. Dafür waren vier Mal so viele Gegendemonstranten da wie vor zwei Wochen, etwa 2.500.
    Austeilen in alle Richtungen
    In den Reden ging es erstaunlich wenig um Asylpolitik, stattdessen wurden Noten verteilt: An Politiker, die angeblich dumm, inkompetent und verblendet sind, und an Journalisten, die angeblich falsch über die AfD berichteten.
    Höcke: "Aber auch nicht jeder Journalist ist ein Schmierfink und Mitarbeiter der Lügenpresse."
    Lob bekamen die Ungarn, die ihre Grenzen 1989 geöffnet und 2015 wieder geschlossen haben.
    Caroline Herold: "Die Ungarn haben uns 1989 den Weg in die Freiheit gewiesen. Jetzt sichern die Ungarn die Europäischen Grenzen und stehen dafür, unsere gemeinsamen Werke zu verteidigen und die europäische Ordnung zu erhalten."
    Auch die Polizei, die sonst immer Lob von der AfD abbekam, weil sie unbeirrt ihren Dienst versah, wurde abgemahnt, weil die Polizeigewerkschaften verlangt hatten, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Dafür wurde der Polizeihubschrauber ausgebuht. Und sogar die Rechtsextremen, die sich wie bereits in den Vorwochen am Rande der Demonstration tummelten, bekamen ihr Fett weg:
    Stephan Brandner: "Also, liebe Leute von der NPD: Verpißt euch von unserer Demonstration. Ihr habt hier nichts verloren!"
    Insgesamt blieb die AfD-Demonstration in Erfurt also ruhig, weniger aggressiv als in den Vorwochen, mit weniger Teilnehmern und mehr Widerstand gegen sie von der bürgerlichen Mitte.