Donnerstag, 28. März 2024

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Kunst aus ehemaligen Kolonien
"Restitutionen ermöglichen, wo sie gewünscht werden"

Fünf Bundesländer haben sich auf eine eigene Erklärung zum Umgang mit Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien geeinigt. Berlins Kultursenator Klaus Lederer sagte im Dlf: "Mir hat ein unmissverständliches Bekenntnis zum systematischen Gewaltcharakter des Kolonialismus gefehlt."

Klaus Lederer im Gespräch mit Änne Seidel | 16.03.2019
Klaus Lederer (Die Linke), Berliner Bürgermeister Senator für Europa und Kultur, in einer Gesprächssituation am 16.03.2019 in Brandenburg.
Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) appelliert dafür, sich der kolonialen Vergangenheit zu stellen (picture alliance/Nestor Bachmann/dpa/ZB)
Wie umgehen mit Kunst und Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien, die bis heute in europäischen Museen lagern? Diese Frage wird in Europa derzeit breit diskutiert. Die 16 Kulturminister der Bundesländer und zwei Staatsministerinnen auf Bundesebene haben sich vergangene Woche auf eine gemeinsame Erklärung zum Thema geeinigt. In einem am Mittwoch verabschiedeten Eckpunkte-Papier erklären sich die Kulturminister von Bund und Ländern generell bereit zu Rückgaben. Doch fünf Bundesländer haben nun eine zusätzliche Erklärung verfasst: Berlin, Hamburg, Thüringen, Brandenburg und Bremen.
"Gibt es nicht auch ethisch-moralische Pflichten zur Rückgabe?"
Berlins Kultursenator Klaus Lederer sagte im Dlf, an dem gemeinsam mit allen Ländern verabschiedeten Papier habe ihm "ein klar und unmissverständlich öffentlich ausgesprochenes Bekenntnis zum umfassenden und systematischen Unrechts- und Gewaltcharakter des Kolonialismus" gefehlt. Der Bund und einige Länder hätten sich gescheut, völkerrechtlich relevante Begriffe in die Erklärung aufzunehmen, die zu Rechtstreitigkeiten führen könnten. "Das muss man aber in Kauf nehmen, wenn man sich seiner Vergangenheit stellen möchte", so Lederer. Die Verbrechen der Nationalsozialisten würden damit in keiner Weise relativiert: "Die Tatsache, dass die Shoah singulär war, kann umgekehrt nicht dazu führen, dass man an anderen Stellen keine deutlichen Worte findet, wenn es ebenfalls um die deutsche Geschichte geht", sagte der Politiker der Partei "Die Linke".
Zur Frage der Restitution sagte Lederer, wenn man es tatsächlich ernst meine, dürfe man nicht so lange mit der Rückgabe von Kulturgütern warten, bis lückenlos nachgewiesen sei, dass der Erwerb unrechtmäßig war. In dem von den fünf Bundesländern verabschiedeten Papier heißt es dazu, Restitutionen sollten ermöglicht werden, wo sie gewünscht werden. "Es ist über die Provenienzforschung hinaus die Frage zu diskutieren, ob es einen rechtmäßigen Erwerb unter einem Gesamtunrechtskontext überhaupt gibt. Und gibt es nicht mitunter auch ethisch-moralische Pflichten, die uns abverlangen, Werke zurückzugeben?" fragte Berlins Kultursenator im Dlf. Die zusätzliche Erklärung der fünf Bundesländer sei als "nachdrückliches Debattenangebot" zu verstehen.