Freitag, 19. April 2024

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Kulturgüter aus der Kolonialzeit
Verbrechen gegen die Menschlichkeit?

Stehen Werke in deutschen Museen, die aus der Kolonialzeit stammen, unter Generalverdacht? Wie ist ihr Erwerb zu bewerten? "Wenn Sie mich persönlich fragen, war das ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda im Dlf.

Carsten Brosda im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 11.03.2019
Auf einem Militärstützpunkt in der deutschen Kolonie Kamerun wird von in Tropenanzüge gekleideten Männern eine Fahne gehisst (undatierte Aufnahme aus der Kolonialzeit). Von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg war Kamerun eine deutsche Kolonie, dann wurde es 1916 unter Großbritannien und Frankreich aufgeteilt.
Auf einem Militärstützpunkt in der deutschen Kolonie Kamerun wird von in Tropenanzüge gekleideten Männern eine Fahne gehisst (undatierte Aufnahme aus der Kolonialzeit). (picture-alliance / dpa )
Seit dem Herbst steht auch Deutschland unter Druck: Seit die beiden Kulturwissenschaftler Bénédicte Savoy und Felwine Sarr dem französischen Staatspräsidenten Vorschläge gemacht haben, wie die ehemalige Kolonialmacht mit kulturellen Gütern umgehen könnte, die in jener Zeit nach Frankreich gekommen sind. Bedingungslose Rückgabe, falls die Museen nicht nachweisen können, dass sie diese Arbeiten ohne Gewalt und Druck und Erpressung bekommen haben – so lautet, grob gefasst, die Empfehlung. Ihr waren umfangreiche Recherchen, vor allem in Afrika, vorausgegangen. Und Deutschland? Hat noch kein Konzept und keine Empfehlungen. Darüber soll nun aber am Mittwoch gesprochen werden, wenn sich in Berlin zum ersten Mal die Kulturministerinnen und Kulturminister von Bund und Ländern zusammensetzen.
Erwerb oft unrechtmäßig
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), der die Sitzung leiten wird, erklärte im Dlf, dass es zwei unterschiedliche Postionen gebe: einerseites die Haltung, dass alle koloniale Kunst in deutschen Museen durch Gewalt und Rassismus ins Land gekommen sei; andererseits die Einstellung, dass nicht alle Sammlungen zwingend unter eurozentristischen Gedanken angelegt worden seien, sondern in der Absicht, über die Vielfalt der Kulturen der Welt aufzuklären. Einigkeit herrsche aber in beiden Lagern, dass die Erwerbsumstände in vielen Fällen unrechtmäßig waren.
Aufgabe wissenschaftlicher Forschung
Herauszufinden, wann und wo das der Fall war, so Brosda, sei Aufgabe wissenschaftlicher Forschung: "Ich glaube, es gibt mittlerweile einen großen Konsens darüber, dass alle Beteiligten sagen - Bund, Länder und Kommunen - , dass wir an der Stelle in der Aufarbeitung der kolonialen Verantwortung zügiger und engagierter vorangehen müssen." Es habe bereits Restitutionen gegeben, und weitere würden sicher folgen. Deutschland stehe erst am Anfang der Diskussion, so Brosda. Es gehe nun erst einmal darum, dass man überhaupt bereit sei, sich auseinanderzusetzen. Allerdings habe der Deutsche Museumsbund schon einen Leitfaden vorgelegt, wie Rückgaben funktionieren können, und die Länder hätten dazu auch ihre Bereitschaft erklärt. Brosda glaubt, dass ein Korridor beschrieben werden kann, der auch schnelleres Handeln nach sich zieht.
"Aus meiner Sicht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit"
Strittig sei die Frage, ob die Kolonialzeit als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet werden könne: "Das hat auch völkerrechtliche Konsequenzen", aber persönlich gefragt, sagte Brosda im Dlf:
"Ich halte den Kolonialismus für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich verstehe aber, dass es berechtigte Einwände dagegen gibt, dass die Kulturminister, das jetzt mal eben für den Gesamtstaat Bundesrepublik entscheiden."