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Kunst im Irak
Das Geld kommt aus dem Ausland

Der IS ist abgezogen, weite Teile des Landes liegen in Trümmern. Und doch fangen Künstler in Bagdad an, die Kulturszene wieder aufzubauen - mit Geldern aus Frankreich und Deutschland. Ein wichtiger Termin ist das Tarkib-Festival.

Von Carsten Kühntopp |
Tarkib-Festival im ehemaligen Abu-Nawaz-Theater in Bagdad, Irak
Bereits zum fünften Mal findet das Tarkib-Festival statt. 20 irakische Künstlerinnen und Künstler sind dabei und etwa 2.000 Besucher. (Deutschlandradio / Carsten Kühntopp)
Ein später Nachmittag in Bagdad, in einem etwas heruntergekommenem Stadtpark am Ostufer des Tigris. Rund um das ehemalige Abu-Nawaz-Theater ist viel los. Seit 2003, als die Amerikaner in den Irak einmarschierten, um den Langzeitherrscher Saddam Hussein zu stürzen, hatte das Theater leer gestanden, langsam rottete das Gebäude vor sich hin. Jetzt ist dort wieder Leben - für ein paar Tage. Im Theater und auf dem Gelände drum herum läuft das Tarkib-Festival für zeitgenössische Kunst. Der angehende Bauingenieur Hussein Motar, 21, stellt einen übermannsgroßen Steinbogen aus, sein jüngstes Kunstwerk:
"Während des vergangenen Jahres habe ich in der Stadt gesehen, wie vor meinen Augen Gebäude niedergerissen wurden – alte Kirchen, alte Moscheen, selbst neuere Gebäude. Ich bin dann immer einen Tag danach wieder hingegangen und habe von jedem Haus, das zerstört wurde, einen Backstein mitgenommen, bis ich eine große Sammlung zuhause hatte. Der älteste Backstein ist 100 Jahre alt, der jüngste sechs. Und dann beschloss ich, aus diesen Resten diesen Bogen zu bauen. Wenn dieser Bogen nun für irgendwas steht, dann für einen alten Mann, der kurz davor ist, hinzufallen."
"Das Publikum darf nicht Hunger leiden"
Bereits zum fünften Mal findet das Tarkib-Festival statt, 20 irakische Künstlerinnen und Künstler sind dabei und insgesamt etwa zweitausend Besucher. Es könnten mehr sein, gewiss, sagt Zaid Saad, 28, einer der Organisatoren; aber so gut besucht wie diesmal war das Festival während der vergangenen Jahre nicht:
"Das Publikum darf nicht Hunger leiden. Um sich mit Kunst zu beschäftigen, muss man Muße haben. Die hat man nicht, wenn man Hunger hat und seiner Familie nicht genug zu essen bringen kann. Dann kannst du auch nicht das Taxi bezahlen, um zu einer Veranstaltung zu fahren. Das bedeutet, dass wir jetzt noch nicht ein großes kulturinteressiertes Publikum haben."
Zaid Saad, einer der Organisatoren des Tarkib-Festivals für zeitgenössische Kunst in Bagdad, steht vor einer Graffitti-Wand
Zaid Saad, einer der Organisatoren des Tarkib-Festivals in Bagdad (Deutschlandradio / Carsten Kühntopp)
Dennoch: Nun, wo das Kalifat des IS zerschlagen und die Zeit der ständigen Bombenanschläge vorbei ist, fühlen sich die Menschen in Bagdad so sicher, dass sie wieder gerne auf die Straße gehen, in die Cafés und Restaurants der Stadt, in die Grünanlagen, in die Shopping Malls – oder eben zum Tarkib-Festival. Mounir Saleh, 22, zeigt einige seiner Fotoarbeiten.
Der IS ist abgezogen, sein Gedankengut längst nicht
"Eigentlich kam ja der IS gar nicht bis nach Bagdad. Aber sein Gedankengut ist noch hier und im ganzen Irak. Der IS bedeutete nicht nur das Ermorden von Menschen, sondern es ging immer auch um die Ideen des IS. Und die spuken noch immer in vielen Hirnen umher. Diesen Ideen müssen wir mit Kunst begegnen, mit Kunst müssen wir einen Krieg gegen die IS-Ideen führen, mit Kunst, mit Kultur, mit Literatur, mit allem. Wenn wir uns diesen Ideen entgegenstellen, werden wir Freiheit erringen - und etwas Frieden."
Der Irak hat 40 Jahre Krieg und Konflikt, Terror und Gewalt hinter sich. Jetzt hat das Land – vielleicht – eine Chance, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die meist jungen Leute, die zum Tarkib-Festival gekommen sind, sprechen immer wieder von den großen Hoffnungen, die sie haben, für Bagdad, für das Land. So auch Hussein Motar, der Student:
"Wer in dieser Stadt aufwächst, dem sagen die Leute: ‚Da verliert man doch jede Hoffnung!‘ Aber ganz und gar nicht! Wenn ich mir die Zustände hier ansehe, dann denke ich, dass genau das jetzt meine Chance ist. Diese Herausforderungen verlangen nach harten Entscheidungen und brauchen echte Hingabe. Und wir sind dem gewachsen! Wir sind stark! Stärker als die Kriege! Und der letzte Krieg war ja wirklich auch nicht der erste."
Die Finanzierung kommt aus dem Ausland
Wie in den Jahren zuvor, sind es auch diesmal die Botschaften von Deutschland und Frankreich und das Goethe-Institut, die das Tarkib-Festival finanzieren. Beit Tarkib ist eine Initiative von Hella Mewis. Die gebürtige Ost-Berlinerin lebt seit sieben Jahren in Bagdad. Von der irakischen Regierung will sie kein Geld für das Projekt, um nicht abhängig zu werden. Aber die Gleichgültigkeit, mit der die Regierung der Kulturszene begegne, erstaune sie, sagt Mewis:
"Die irakische Regierung unternimmt nichts, um der jungen Bevölkerung zu helfen. Das Kulturministerium bietet keine Nachwuchsförderungen – es gibt keine Fördertöpfe – also, es gibt keine Möglichkeiten, um Fördergelder zu beantragen, weil das ist einfach nicht vorgesehen."
Musiker sitzen im Kreis auf dem Tarkib-Festival für zeitgenössische Kunst in Bagdad
Musiker auf dem Tarkib-Festival für zeitgenössische Kunst in Bagdad (Deutschlandradio / Carsten Kühntopp)
Im Irak dürfte das Beit Tarkib für zeitgenössische Kunst einzigartig sein. Etwa 15 Leute sind im engeren Team des Zentrums – Nachwuchskünstler, junge Professionelle und Nicht-Künstler, die einfach mitmachen und helfen wollen – Männer und Frauen gleichermaßen, was im Irak nicht selbstverständlich ist:
"Also, es ist nicht gern gesehen, dass Männer und Frauen zusammen sind, weil es könnte ja sein, dass da was passiert. Aber Tarkib ist so ein Raum, wo sie sagen: Okay, ich lasse meine Tochter da hin."
"Es lohnt sich, im Irak zu bleiben"
Das Beit Tarkib bringt also junge Irakerinnen und Iraker zusammen – und die Themen, mit denen sich die Tarkib-Künstler beschäftigen, sind häufig sozialkritisch, meint Mewis:
"Viele haben ja das Land verlassen – das Thema wird sehr oft besprochen. Aber so, dass sie möchten, dass die Leute hierbleiben. Also, sie zeigen die positive Seite vom Irak, um zu zeigen: Es lohnt sich, im Irak zu bleiben – nicht, den Irak zu verlassen."
Die Sonne steht nur noch knapp über dem Horizont. Beim Abu-Nawaz-Theater am Ufer des Tigris geht das Kunstfestival Tarkib langsam zu Ende. Zumindest jetzt und hier, am Ufer des Tigris, beim Kunstfestival, haben junge Iraker das gefunden, was sie während der Kriegsjahre suchten: Einen Weg zurück zu einem normalen Leben in Bagdad, ein Leben ohne Angst vor Gewalt, aber voller Kreativität und künstlerischer Energie, geprägt von Toleranz. Der angehende Bauingenieur und Nachwuchs-Künstler Hussein Motar:
"Die wahre Architektur dieser Stadt fußt auf einem Traum. Bagdad wurde nicht auf Beton gebaut, sondern auf einem Traum – dem Traum von Abu Ja’far Mansour, dem zweiten Kalifen der Abbasiden, eine Stadt für alle Rassen zu bauen, eine Stadt verschiedener Sprachen und verschiedener Hautfarben. Und bis heute steht diese Stadt! Einen Traum zu haben, bedeutet also, dass du später vielleicht eine ganze Stadt hast."