Freitag, 19. April 2024

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Kunsthistorikerin Kohout
"Wir wissen, dass man Bilder wie Waffen einsetzen kann"

Längst bestimmen Bilder unser Denken und Handeln. Auch in der aktuellen Rassismus-Debatte übten sie mitunter eine große Macht aus, erklärte die Kunsthistorikerin Annekathrin Kohout im Dlf. Manche irritieren auch. So wie das zuletzt viel geteilte Schwarze Quadrat, das - ja, was eigentlich? - zeigt.

Annekathrin Kohout im Gespräch mit Änne Seidel | 18.06.2020
06.06.2020, Bayern, München: Mehrere tausend Menschen demonstrieren mit einem fast neun minütigen Kniefall auf dem Königsplatz in der bayerischen Landeshauptstadt während einer "Silent Demo" gegen Rassismus. Links hält ein Mann ein Plakat mit der Aufschrift "Black lives matter" in die Höhe. Anlass ist der gewaltsame Tod von George Floyd in den USA. Insgesamt soll in 25 deutschen Städten demonstriert werden. Foto: Peter Kneffel/dpa | Verwendung weltweit
Mit Bildern und Kniefällen wird auch gekämpft - wie in dieser medialen Abbildung von einer Black-Lives-Matter-Kundgebung in München (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
Ein Kniefall - eine starke Demutsgeste, mit der man um Verzeihung bittet. So tat es 1970 der damalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt. Sein Kniefall in Warschau ging in die Geschichte ein. Denn mit dieser Geste übernahm er Verantwortung für Deutschlands Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs.
Jüngst gingen zahlreiche Sportler und Politiker, selbst Polizisten in den USA auf die Knie. Diesmal war es keine Demutsgeste, sondern eine Chiffre des Protests. Denn damit wollten sie ihre Solidarität mit den Demonstranten zum Ausdruck bringen, die auf die Straße gegangen waren, um gegen den Rassismus zu protestieren.
Dossier: Rassismus
Dossier: Rassismus (picture alliance / NurPhoto / Beata Zawrzel)
Der Kniefall gehört längst zum ikonografischen Kanon der Kunstgeschichte. Ebenso wie der Denkmalsturz, der sich im Laufe der Geschichte immer wieder ereignete und sich gerade vielerorts wiederholt: als Zeichen der Brandmarkung rassistischer Machtbestrebungen.
Bilder können eine gewisse Macht ausüben
Im Internet transportieren sich solche symbolträchtigen Bilder besonders gut. Weil sie immer wieder im Netz geteilt werden, verbreiten sie sich schneller und intensiver als in der analogen Welt. Aufgrund ihrer hohen Reichweite könne man durchaus sagen, dass Bilder "eine gewisse Macht ausüben können", so die Kunst- und Medienwissenschaftlerin Annekathrin Kohout, die an der Universität Siegen lehrt. "Wir wissen, dass man Bilder wie Waffen einsetzen kann."
Eine Museumsmitarbeiterin geht am 01.04.2014 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) am Bild "Schwarzes Quadrat" von Kasimir Malewitsch aus dem Jahr 1929 vorbei. Die Ausstellung "Kandinsky, Malewitsch, Mondrian _ Der weiße Abgrund Unendlichkeit" zeigt im Rahmen der Quadrinale 2014 im K20 vom 05.04. - 06.07.2014 Werke der drei Künstler, die sich mit der Farbe Weiß auseinander setzen. Foto: Federico Gambarini/dpa | Verwendung weltweit
"Schwarzes Quadrat" von Kasimir Malewitsch aus dem Jahr 1929 (dpa)
Schwarzes Quadrat als Raum für Reflexion
Ein anderes Bild gegen den Rassismus war das Schwarze Quadrat, das man vor allem bei Instagram fand. Und weil das Bild so oft geteilt wurde, färbte sich bei vielen die Timeline gänzlich schwarz. "Dadurch, dass es nichts zeigt, öffnet es absichtlich einen Raum der Reflexion zum Beispiel darüber, dass schwarze Menschen nicht nur in Bildern, sondern auch in wichtigen Positionen in unserer Gesellschaft, in der Kultur, in der Politik, überall unterrepräsentiert sind", folgerte Kohout. Dabei spiele man auch bewusst auf das "Schwarze Quadrat" des Malers Kasimir Malewitsch an.
Beim Posten im Netz kann man also entweder auf ein schon vorhandenes Repertoire an Bildern und Symbolen zurückgreifen - wie etwa beim Kniefall geschehen - oder neue Bilder produzieren. Auch Memes oder gezielte Bildaktionen könnten gut geteilt werden, erklärte Annekathrin Kohout.
Welche Bilder letztendlich viral gut gehen, "das entscheidet vor allem der jeweilige Algorithmus einer Plattform", so die Medienwissenschaftlerin. Trotzdem könne das Netz als Korrektiv dienen, vor allem dann, wenn mehrere User versuchten, den Algorithmus "auszutricksen". Und genau das sei beim Schwarzen Quadrat auch passiert.