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Kunstliebhaber

Das Private in der Kunst als Zugang zur Kunst ist eine Spezialität der britischen Kunsthistorikerin Juliet Heslewood. Nach ihrem Werk über Mütter-Porträts stehen in ihrem neuen Buch die Liebesverhältnisse großer Künstler im Blick.

Von Andrea Gnam |
    Das Bildnis einer schönen Frau kann man als Kunstwerk bewundern und man kann - aber das ist eine andere Sache - Nachforschungen über die möglicherweise dahinter stehende Persönlichkeit anstellen. Juliet Heslewood ist in ihrem Band "Liebende: Künstler und ihre Musen" ganz unbekümmert zu Werk gegangen: Beginnend mit Filippo Lippis Madonnendarstellungen über Raffaels "La Fornarina" bis hin zu David Hockneys Lover Peter stellt sie, Bild für Bild, auf je einer Seite vor, was man über die Lebensgeschichte der oft ungenannt Gebliebenen weiß. Geleitet vom Interesse am Persönlichen und den zu ihrer Zeit mehr oder weniger skandalösen Liebschaften werden zumindest zu Beginn des Buches einem kunstgeschichtlich noch wenig bewanderten Leser nebenbei leichter Hand ein paar Basics zu Bildaufbau, Darstellungskonventionen und Allgemeinwissen vermittelt: Dass Vasari, dem wir vornehmlich Namen und Viten italienischer Renaissancekünstler zu verdanken haben, es mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm, die Maler der konkurrierenden Stadtstaaten Florenz und Venedig eine unterschiedliche Farbpalette pflegten, in manchen Bildnissen Elemente des Herrscherporträts aufgenommen wurden, erfährt, wer das noch nicht wissen sollte.

    Mythologische oder biblische Themen dienen manchmal auch als Spiegel des eigenen Beziehungsdesasters, etwa bei der grausigen Szene von Judith und Holofernes. Cristofano Allori hat hier der triumphierenden Judith die anmutigen Züge seiner Geliebten verliehen, und wie man annimmt, sich selbst in dem - auf einer Schale präsentierten - abgeschlagenen Haupt des Holofernes ins Bild gesetzt. Andere Maler idealisieren Frauen aus dem Volk zu literarischen Figuren der Vergangenheit: Gabriel Rosetti gibt Dantes "Beatrice" die Gestalt der eigenen drogensüchtigen Frau, Anselm Feuerbach nimmt die dramatische Schönheit einer zeitweiligen Geliebten, die Frau eines Schusters, als Vorlage für die als Femme fatale geltende Renaissancefürstin "Lucrezia Borgia": "Eine römische Frau durch die Flamme des Künstlers wieder zum Leben erweckt", schrieb ein begeisterter Kritiker im 19. Jahrhundert über einen ähnlichen Fall.

    Vieles indes wird sehr geschönt dargestellt oder wirft in Heslewoods Zusammenstellung Fragen auf: "Meine Arbeit steht zwischen uns, aber ich kann das nicht aus meinem Leben verbannen ... Bestünde nicht diese Liebe zur Malerei, wäre ich sicher ein anderer Mensch ... Doch ich könnte nicht mehr arbeiten, wenn ich jeden Tag mit dir verbringen würde", klagt Dora Carrington, als sie die Liebebeziehung zu einem befreundeten Künstler beendet. Das Zitat wirft ein Licht auf die Schwierigkeiten von Künstlerinnen, die selbst noch im 20. Jahrhundert und gegenüber Kollegen in einen Rollenkonflikt als Malerin und Frau geraten. Carrington hat einen Anderen geheiratet, schuf Landschaftsidyllen und feinsinnige Porträts und war gleichzeitig eng mit Lytton Strachey verbunden, einem homosexuellen Schriftsteller, der im gemeinsamen Haushalt des Paares lebte. Ein wunderbares, spätimpressionistisches Porträt des lesenden Strachey ist zu sehen, der Bildaufbau wird überzeugend in einigen kurzen Sätzen von Heslewood abgehandelt.

    Dennoch ist hier nicht mehr als ein Schlaglicht auf eine komplexe gesellschaftliche Situation geworfen, nicht anders als in den weiteren 39 Kurzporträts. Manches lädt wie diese Szene zur weitergehenden Beschäftigung ein - wozu das Buch mangels Literaturhinweisen aber keinerlei Anhaltspunkte gibt. Manches streift nur am Rande im kurzen Aufriss die Tragik der Biografien, etwa die psychische Zerrissenheit van Goghs und die zerstörerische Beziehung von Frida Kahlo und Diego Riviera, die Tragödie Camille Claudels. Und was soll man von einer Passage wie dieser halten?: "Viele von Picassos Porträts ergäben, nebeneinandergestellt, eine Galerie seiner Geliebten. Das Thema vom Künstler und seinem Modell kehrt in seinem Werk beständig wieder. Auf diese Weise ergründete er die unterschiedlichen Aspekte in den Beziehungen mit seinen attraktiven Gefährtinnen." Offensichtlich scheinen die Autorin und der Übersetzer hier die Lust am sowieso schon recht einfach gestrickten Konzept verloren zu haben. Über Man Rays Aktfoto "Violon d'Ingres" , für welches das Montparnasser Künstlermodell Kiki posierte, liest man zwar, dass die beiden Schalllöcher auf Kikis Rücken mittels einer Schablone aufs Foto gebracht wurden und dass Man Ray gerne Geige spielte, der entsprechende Rückenakt von Ingres, auf den die Inszenierung anspielt, bleibt aber unerwähnt: Man fragt sich nach der Schlüssigkeit des Anliegens. Waren im ersten Teil die Intima noch mit kunstgeschichtlichem Basisunterricht verbunden, entfällt dies zunehmend.

    Einzelne Miniaturen mögen dennoch geglückt sein. Aber so, wie nicht jede Fotografie, die fürs Familienalbum angefertigt wurde, sich für einen Abzug im Großformat eignet, ist es auch hier: Einzeln und in regelmäßigem Turnus abgedruckt wäre das Ganze für die Hochglanzbeilage einer Zeitung geeignet, für eine Buchpublikation wird es eintönig. Und daran ändert auch das wenig inspirierte Vorwort nichts, in dem die Autorin erzählt, dass es sehr unterschiedliche Formen von Liebe auf der Welt gibt.

    Juliet Heslewood: Liebende: Künstler und ihre Musen. 40 Porträts von Raffael bis Man Ray. Übersetzt von Bernd Weiß. Reimer Verlag , 96 S., 19.95 Euro