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Kurdenkonflikt im Fußball
Amedspor und die Diskriminierung

Fußball kann ethnischen Minderheiten eine Plattform bieten, Selbstbewusstsein nach außen zu transportieren. Machthabern ist das zwangsläufig ein Dorn im Auge. Bestes Beispiel: der kurdische Club Amedspor, der aktuell in der dritten türkischen Liga spielt und Schikane und auch Gewalt ertragen muss.

Von Constantin Eckner | 10.10.2021
Ein junger Mann, in der rechten Hand mit einem Schal von Amedspor, die andere Hand zeigt das Siegeszeichen, tanzt vor mehreren anderen Männern in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir zum kurdischen Neujahrsfest Newroz. Links neben ihm steht ein Mann mit einer großen Trommel.
Mehr als ein normaler Fußballverein: Anhänger von Amedspor feiern in Diyarbakir das kurdische Neujahrsfest Newroz. (Imago / Diego Cupolo)
Einst wollten sie nur den Fußball genießen – ihre Mannschaft anfeuern, Tore bejubeln, Siege feiern. Doch für die Fans wie auch Spieler von Amed SK, gemeinhin bekannt als Amedspor, wurde aus Fußball Politik. Der Drittligist aus Diyarbakır, der heimlichen Hauptstadt Kurdistans, ist seit Jahren unter Beobachtung der türkischen Obrigkeit. Denn Amedspor vertritt ganz offen jenes kurdische Selbstbewusstsein, das Ankara gerne unterdrücken möchte.
"Seit dem Tag seiner Gründung ist Amedspor überall unterschiedlichen Formen von Gewalt und Rassismus ausgesetzt. Das betrifft nicht nur die Fans, sondern auch die Spieler", sagt Mahsum Kazıkçı, Präsident der Fangruppe "Ultramed". Die Diskriminierung kurdischer Fußballclubs habe in der Türkei lange Tradition, meint John McManus, Autor des Buchs "Welcome to Hell? In Search of the Real Turkish Football": "Wenn man auf die Neunzigerjahre zurückblickt, sieht man, dass sich schon damals Diyarbakırspor und andere Vereine aus dem Südosten mit Rassismus und generell einer schlechten Behandlung konfrontiert sahen."
Spieler des kurdischen Fußballvereins Amedspor bei einem Spiel im Stadion von Diyarbakir gegen Fenerbahce Istanbul (zu sehen sind die Spieler Ferdi Coskun 13 , Tekin Adar 56 , Yusuf Yagmur 10 , Sercan Ozcelik 81) 
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Gegnerische Teams reisen ohne Fans an, bei Auswärtsspielen ist der kurdische Fußballverein Amedspor oft mit Feindseligkeit konfrontiert. Selbst für viel Geld zögern Profifußballer, bevor sie bei Amedspor unterschreiben. Doch Vorurteile seien Kurden ja auch sonst gewöhnt, kommentieren die Spieler.
McManus berichtet auch von unverhältnismäßiger Polizeipräsenz bei Spielen von Amedspor: "Der Staatsapparat ist immer dabei, um in den Köpfen der Spieler und des Managements allgegenwärtig zu bleiben. Die Räumlichkeiten von Amedspor wurden schon mehrfach durchsucht, Unterlagen konfisziert, die Finanzen überprüft."

"Fans die Stadiontreppen hinuntergeworfen"

Für Amedspor spitzte sich die Lage seit 2015 weiter zu, mit der Offensive von Präsident Erdoğan gegen die kurdische Untergrundorganisation PKK. Im Südosten des Landes rollten Panzer durch die Städte, Sicherheitskräfte patrouillierten in den Straßen, Bürgermeister wurden durch regierungstreue Politiker ersetzt. Ein widerspenstiger kurdischer Fußballclub, dem von Regierungsseite Verbindungen zur PKK nachgesagt werden, geriet zwangsläufig unter Druck.
Zugleich nahmen für Amedspor auch die Konfrontationen mit Fans aus dem Westen der Türkei zu. Mahsum Kazıkçı beschreibt, was Anhängern seines Vereins widerfahren ist. "Als wir etwa auf Ankaragücü trafen, wurden unsere Manager und Fans die Stadiontreppen hinuntergeworfen. Das ist kein Vorfall in einem Fußballspiel, das ist purer Rassismus und versuchter Mord. Als wir auf Sakarya trafen, wurden als Provokation auf der Anzeigetafel Aufnahmen von Vorfällen, also Angriffen der Polizei, auf den Straßen von Diyarbakır gezeigt. Während des gesamten Spiels wurde Amedspor und seine Fans rassistisch beleidigt."

"Eine Prüfung für dieses Land"

In Deutschland wurde der Fall Amedspor in den vergangenen Jahren aufgrund der Beteiligung des früheren deutschen Jugendnationalspielers Deniz Naki bekannt. Er hatte 2016 als Spieler von Amedspor auf Facebook zu Frieden im Konflikt zwischen der Türkei und der kurdischen Minderheit aufgerufen und den sensationellen Sieg seinen Teams gegen Bursaspor im türkischen Pokal den Opfern der Kämpfe gewidmet. Daraufhin war er von der Staatsanwaltschaft in Diyarbakır vor Gericht gestellt und zudem vom Verband mit einer Spielsperre belegt worden. Naki hat die Türkei mittlerweile verlassen und lebt heute wieder in Deutschland. Aktuell muss er sich gemeinsam mit drei weiteren Beschuldigten – unabhängig von seinem einstigen Engagement für Amedspor – vor dem Aachener Landgericht verantworten. Ihnen wird unter anderem Körperverletzung, Rauschgifthandel und gewerbsmäßige Erpressung vorgeworfen.
Zuletzt hat Amedspor um Unterstützung in Deutschland geworben. Beispielsweise wurde Geld für das Frauenteam gesammelt. Denn obwohl die bewaffneten Kämpfe in der Region um Diyarbakır zurückgegangen sind, geht für den Club das Ringen mit den Staatsorganen weiter. Fan-Vertreter Mahsum Kazıkçı gibt sich jedoch kämpferisch: "Der Druck auf den Verein und die Fans ändert sich von Jahr zu Jahr, aber er hört nicht auf. Natürlich wollen wir, dass es ein Ende hat. Es wird Zeit brauchen und wir haben Hoffnung. Amedspor ist eine Prüfung für dieses Land. Die Unterdrückten und Widerstandskämpfer werden diese Prüfung gewinnen, nicht Faschismus und Rassismus."
Momentan befindet sich die Mannschaft in der Spitzengruppe der dritten türkischen Liga. Ein sportlicher Aufstieg ist in dieser Saison also durchaus möglich. Aber um Fußball geht es bei Amedspor zuweilen nur am Rande.