Sie hat keine Angst, sie ist stark und kämpferisch. Und dabei auch noch schön und elegant - wie sie daherkommt, nein, daherfliegt in ihrem langen schwarzen Gewand, das bis zum Boden reicht. Sie heißt "Qahera". Und sie hilft Frauen, die in Not sind. Kraftvoll, mit dem Schwert in der Hand. Und dem Schleier auf dem Kopf. Ein Robin Hood in weiblicher Ausführung! Oder vielleicht doch eher "superwoman" auf Arabisch.
"Man nennt mich Superheldin. Denn ich habe außergewöhnliche Kräfte."
Sagt "Qahera" in ihrem jüngsten Cartoon, der vor Kurzem im Internet erschienen ist. "Qahera", die "Siegreiche" - damit ist eigentlich Ägyptens Hauptstadt Kairo gemeint - doch seit Neuestem schmückt der Name eben auch "Qahera", unsere Superheldin. Ein fiktives Wesen, und dabei doch eines, das so irdisch und greifbar ist, in all seiner Stärke verletzlich und fehlbar, voll Mitgefühl für die Schwachen.
"Qahera" entstammt der Feder von Deena Mohamed aus Ägypten. 19 Jahre ist die Zeichnerin erst alt - und dabei erstaunlich klar und exakt in ihrer Kritik der bestehenden Verhältnisse - in einem Land, dessen Gesellschaft noch weit entfernt ist von der Verwirklichung der von ihr propagierten revolutionären Ziele.
Zeichnerin Deena bringt zu Papier, was Frauen in ihrem Alltag erleben, was die Zeichnerin selbst amüsiert und belächelt, was sie bedrückt und zornig macht. Es ist der bärtige Geistliche, der eine Gruppe dümmlich dreinschauender Männer anhält, ihre Frauen unterwürfig zu machen. Es ist der gekaufte Kriminelle, der sich an einer Frau vergeht. Und es sind radikale Feministinnen, die danach gieren, ihre muslimischen Schwestern zu bekehren. Deena Mohamed nimmt sie alle aufs Korn, mit spitzer Feder und einem guten Blick für das Böse. Ihre Zeichnungen sind authentisch und ausdrucksstark, lassen nachvollziehen, wie sich die Zeichnerin, wie sich wohl jede Frau fühlen mag, die von Männern belästigt oder angegriffen wird.
Ein Beispiel: Nichts Böses ahnend geht eine junge Frau ihrer Wege, wird in aller Öffentlichkeit von einem Grabscher bedrängt. Doch sie wehrt sich, geht zur Polizeiwache, trägt ihre Klage vor. Der Beamte belohnt sie mit einem süffisanten Lächeln.
"Also wirklich, meine Liebe, schau Dich an: Wie Du aussiehst! So schamlos und unanständig! Das wird Dir jeder sagen. Hättest Du Dich anders gekleidet, dann wäre das nicht passiert!"
Nach Verlassen der Wache wird die junge Frau erneut angegangen, diesmal von einer ganzen Gruppe von Männern, die ihr mit dem Messer drohen. Zeit, in die Welt der Fiktion einzutauchen, Zeit für unsere Superheldin, endlich einzugreifen.
Mutig, laut, mit Megafon in der Hand
"Qahera" - alles andere als zimperlich und gar nicht "pc" - nietet die Frevler einfach um, packt sie und hängt am Hemdskragen auf, was in die Zelle muss. Auf der Wand dahinter prangt ihre Botschaft: "Mutaharishin".
"Diese Männer sind Perverslinge!"
Zurück in die Realität, zurück in das Kairo von heute, wo politische Graffitis und Sprüche ganz selbstverständlich das Straßenbild prägen. Ende November 2012. Ein historischer Tag für das konservative Land. Tausende Frauen gehen auf die Straße. Der Grund: Eine junge Aktivistin ist misshandelt und halb totgeprügelt worden. Von Sicherheitskräften. Ein Handy zeichnet das Geschehen auf, kurz darauf kursieren die Bilder im Internet, die Öffentlichkeit ist aufgeschreckt.
Mit Beginn der Revolution vor fast drei Jahren sind Ägyptens Frauen demonstrativ ins Licht der Öffentlichkeit getreten: Oft vorneweg, mutig und laut, mit dem Megafon in der Hand. Die Folge: Die neue, so deutliche Positionierung macht sie in doppelter Weise angreifbar: Für sexuelle Übergriffe im Alltag. Und für politisch motivierte Gewalt. Es kommt zu weiteren Übergriffen, selbst Vergewaltigungen bei Großdemonstrationen - geschürt von Kräften, die die Frauen wieder von den Straßen haben wollen.
"Sie bedrohen Frauen in jeder Weise. Weil sie das Rückgrat der Gesellschaft sind. Wenn ihre Stimmen verklingen, wird auch die Gesellschaft verstummen."
Sagt "Qahera". Der Cartoon zeigt eine politische Großkundgebung, zeigt, wie ein junges verschleiertes Mädchen von Männern umringt und angegangen wird. Wie andere auch.
"Doch sie wehren sich und machen weiter. Man nennt mich Superheldin, weil ich außergewöhnliche Kräfte habe. Doch eigentlich sind es die Frauen, die die wahren Heldinnen sind."
So "Qahera" weiter - "Qahera", alias Deena Mohamed. Figur und ihre Erschafferin sind eins - eine Frau, die Unrecht und Willkür erkennt, ihre Angst überwindet, rebelliert - und dabei außergewöhnliche Kräfte entwickeln kann. Eine Frau, die siegt, nicht immer, aber immer öfter. "Qahera" und ihre noch sehr junge Zeichnerin Deena sind Ausdruck einer neuen Zeit, die in Ägypten Einzug gehalten hat. Doch das allein würde ihnen nicht ausreichend gerecht: Sie sind mehr. Sie sind neu und gestalten doch gleichermaßen Neues: Ein anderes Frauenbild zum Beispiel: Das einer Frau, die stark, widerspenstig und unbeugsam ist.