"Die soziale Marktwirtschaft schließt alle Schichten unseres Volkes, insbesondere Unternehmer und Arbeiter zu echter Zusammenarbeit an gemeinsamen Zielen zusammen. Unsere Politik dient dem Zwecke, immer weitere Schichten unseres Volkes an einem gehobenen Lebensstandard teilhaben zu lassen."
So definierte Ludwig Erhard selbst seine Politik als erster Wirtschaftsminister der noch jungen Bundesrepublik. Als sein Buch "Wohlstand für alle" 1957 in die Buchläden kam, schien dieses Ziel, wenn auch noch nicht erreicht, so doch greifbar nahe. Für den CDU-Politiker liegen die Schlüssel zu diesem Erfolg in Wettbewerb, Konsum, Wachstum, Preisstabilität, Freiheit und Eigenverantwortung.
"Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohlstands ist der Wettbewerb."
Ein Bekenntnis zum Markt und eine Absage an jede Form der Plan- und Zuteilungswirtschaft, die die Deutschen noch in schlechter Erinnerung hatten aus den ersten Nachkriegsjahren. Weil die Politik nur die Regeln für eine funktionierende Wirtschaft festlegen soll und muss, darf auch nicht der Staat darüber entscheiden, was produziert wird und wie viel seine Bürger davon zum Leben bekommen. Denn:
"Zu den unantastbaren Freiheiten des Menschen gehört nun einmal die freie Konsumwahl."
Eine Aussage, die neben der wirtschaftlichen auch eine politische Dimension besitzt. Erhard wendet sich hier bewusst den USA und dem Westen zu und gleichzeitig ab von allen sozialistischen und kommunistischen Ländern. Außerdem hat er schon früh erkannt: Es geht nicht nur um den Wettbewerb im eigenen Land. Erhard stellt nicht nur als einer der Ersten den Kunden als König in den Mittelpunkt, sondern er denkt europäisch und noch mehr: er denkt global, wünscht sich Freihandel und deutsche Produkte in Geschäften auf der ganzen Welt. Ein Vordenker der Globalisierung, könnte man sagen.
Das Geschäftsmodell funktioniert für Deutschland bis heute. Dieser Erfolg ist für den späteren Bundeskanzler aber kein reiner Selbstzweck. Er ist vielmehr Voraussetzung dafür, den Lebensstandard der Deutschen zu heben. Die Arbeiter sollen von der steigenden wirtschaftlichen Produktivität profitieren - durch steigende Löhne. Denn so haben sie nicht nur genug Geld für Konsum, sondern sie können auch eigenverantwortlich vorsorgen für schlechte Zeiten, für Arbeitslosigkeit und Alter. Erhard zufolge ist die private Vorsorge allemal besser als die Fürsorge durch den Staat.
"Darum widerspricht es zum Beispiel der marktwirtschaftlichen Ordnung, die private Initiative, Selbstvorsorge und Eigenverantwortung auch dann auszuschalten, wenn das Einzelindividuum materiell durchaus in der Lage ist, solche Tugenden in weitem Umfang zu üben."
Er sei erschrocken, schreibt Erhard, wie laut der Ruf nach kollektiver Sicherheit im sozialen Bereich erschalle.
"Ich habe diese Flucht vor der Eigenverantwortung drastisch genug gekennzeichnet, wenn ich sagte, dass, falls diese Sucht weiter um sich greift, wir in eine gesellschaftliche Ordnung schlittern, in der jeder die Hand in der Tasche des anderen hat."
Nun betonen Politiker zwar auch heute mehr denn je die Notwendigkeit privat vorzusorgen, und der Staat gewährt Bürgern, die es sich nicht leisten können, kleine Zuschüsse. Kann die Politik sich aber deshalb auf Erhard und seine soziale Marktwirtschaft berufen? Der schreibt, die eigene Verantwortung und Vorsorge müsse zwar am Anfang stehen, reichen die eigenen finanziellen Mittel dafür aber nicht aus, setze die Verpflichtung der Gemeinschaft ein.
Aber für ihn macht genau das die soziale Dimension der Sozialen Marktwirtschaft aus: Er sieht die Arbeitgeber in der Verantwortung, ihre Mitarbeiter angemessen zu entlohnen, damit sie für sich selbst sorgen können. Was also würde Ludwig Erhard wohl heute sagen zu prekären Beschäftigungsverhältnissen, Minijobs und der Notwendigkeit aufzustocken, weil der Arbeitslohn zum Leben nicht reicht – in einem Deutschland, in dem der Wohlstand so viel größer ist als zu Erhards Lebzeiten? Die Antwort findet sich im Kapitel mit der Überschrift: "Das Erbe der trügerischen Vollbeschäftigung":
"Immer wieder betonte ich, dass mit bloßer Beschäftigung dem deutschen Arbeiter und dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit nicht gedient wäre, sondern, dass es um seiner Existenzsicherung willen darauf ankäme, sichere, d.h. rationelle Arbeitsplätze zu schaffen."
Zugegeben, ein vielleicht unzulässig aus dem historischen Zusammenhang gerissenes Zitat. Und doch ist es ein gutes Beispiel dafür, dass Erhard mit seiner Politik die ganze Gesellschaft im Blick hatte und auch die Wirtschaft ermahnte, Verantwortung zu übernehmen. Einzelne Gruppen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern suchten, sei es durch Kartellbildung oder den Wunsch nach Subvention, bezeichnete er als "Krankheitserscheinung unserer Zeit". Und als Gefahr für die Soziale Marktwirtschaft:
"Jeder denkt nur an sich. Keiner an das Ganze. Wenn aber eine Wirtschaftsordnung nicht mehr um das Ganze weiß, wenn sie das Gefühl der Verantwortung verkümmern lässt und nichts mehr von Nächstenliebe atmet, kann und darf sie nicht auf Resonanz und Anerkennung hoffen."
Was heißt das für Mitarbeiter von Banken, die ihren Kunden riskante Finanzprodukte andrehen oder ihnen Immobilienfinanzierungen verkaufen, die sie nicht bezahlen können? Was heißt das für Banken, die mit Staatsgeld gerettet werden müssen? Was heißt das aber auch für Politiker, die vielleicht in guter Absicht dem Markt freie Hand gelassen haben und weiter Schulden machen, in der Hoffnung, weiteres Wirtschaftswachstum wird es schon richten? Die Bedingungen haben sich verändert seit 1957. Und Erhards Buch ist wahrlich kein Lesevergnügen. Dennoch findet sich in "Wohlstand für alle" vieles, was es sich auch heute noch gesellschaftspolitisch zu bedenken lohnt.
Ludwig Erhard: Wohlstand für alle
Die 8. Auflage des Buches von 1964, die letzte, die noch von Erhard autorisiert wurde, ist frei zugänglich im Internet nachzulesen.
So definierte Ludwig Erhard selbst seine Politik als erster Wirtschaftsminister der noch jungen Bundesrepublik. Als sein Buch "Wohlstand für alle" 1957 in die Buchläden kam, schien dieses Ziel, wenn auch noch nicht erreicht, so doch greifbar nahe. Für den CDU-Politiker liegen die Schlüssel zu diesem Erfolg in Wettbewerb, Konsum, Wachstum, Preisstabilität, Freiheit und Eigenverantwortung.
"Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohlstands ist der Wettbewerb."
Ein Bekenntnis zum Markt und eine Absage an jede Form der Plan- und Zuteilungswirtschaft, die die Deutschen noch in schlechter Erinnerung hatten aus den ersten Nachkriegsjahren. Weil die Politik nur die Regeln für eine funktionierende Wirtschaft festlegen soll und muss, darf auch nicht der Staat darüber entscheiden, was produziert wird und wie viel seine Bürger davon zum Leben bekommen. Denn:
"Zu den unantastbaren Freiheiten des Menschen gehört nun einmal die freie Konsumwahl."
Eine Aussage, die neben der wirtschaftlichen auch eine politische Dimension besitzt. Erhard wendet sich hier bewusst den USA und dem Westen zu und gleichzeitig ab von allen sozialistischen und kommunistischen Ländern. Außerdem hat er schon früh erkannt: Es geht nicht nur um den Wettbewerb im eigenen Land. Erhard stellt nicht nur als einer der Ersten den Kunden als König in den Mittelpunkt, sondern er denkt europäisch und noch mehr: er denkt global, wünscht sich Freihandel und deutsche Produkte in Geschäften auf der ganzen Welt. Ein Vordenker der Globalisierung, könnte man sagen.
Das Geschäftsmodell funktioniert für Deutschland bis heute. Dieser Erfolg ist für den späteren Bundeskanzler aber kein reiner Selbstzweck. Er ist vielmehr Voraussetzung dafür, den Lebensstandard der Deutschen zu heben. Die Arbeiter sollen von der steigenden wirtschaftlichen Produktivität profitieren - durch steigende Löhne. Denn so haben sie nicht nur genug Geld für Konsum, sondern sie können auch eigenverantwortlich vorsorgen für schlechte Zeiten, für Arbeitslosigkeit und Alter. Erhard zufolge ist die private Vorsorge allemal besser als die Fürsorge durch den Staat.
"Darum widerspricht es zum Beispiel der marktwirtschaftlichen Ordnung, die private Initiative, Selbstvorsorge und Eigenverantwortung auch dann auszuschalten, wenn das Einzelindividuum materiell durchaus in der Lage ist, solche Tugenden in weitem Umfang zu üben."
Er sei erschrocken, schreibt Erhard, wie laut der Ruf nach kollektiver Sicherheit im sozialen Bereich erschalle.
"Ich habe diese Flucht vor der Eigenverantwortung drastisch genug gekennzeichnet, wenn ich sagte, dass, falls diese Sucht weiter um sich greift, wir in eine gesellschaftliche Ordnung schlittern, in der jeder die Hand in der Tasche des anderen hat."
Nun betonen Politiker zwar auch heute mehr denn je die Notwendigkeit privat vorzusorgen, und der Staat gewährt Bürgern, die es sich nicht leisten können, kleine Zuschüsse. Kann die Politik sich aber deshalb auf Erhard und seine soziale Marktwirtschaft berufen? Der schreibt, die eigene Verantwortung und Vorsorge müsse zwar am Anfang stehen, reichen die eigenen finanziellen Mittel dafür aber nicht aus, setze die Verpflichtung der Gemeinschaft ein.
Aber für ihn macht genau das die soziale Dimension der Sozialen Marktwirtschaft aus: Er sieht die Arbeitgeber in der Verantwortung, ihre Mitarbeiter angemessen zu entlohnen, damit sie für sich selbst sorgen können. Was also würde Ludwig Erhard wohl heute sagen zu prekären Beschäftigungsverhältnissen, Minijobs und der Notwendigkeit aufzustocken, weil der Arbeitslohn zum Leben nicht reicht – in einem Deutschland, in dem der Wohlstand so viel größer ist als zu Erhards Lebzeiten? Die Antwort findet sich im Kapitel mit der Überschrift: "Das Erbe der trügerischen Vollbeschäftigung":
"Immer wieder betonte ich, dass mit bloßer Beschäftigung dem deutschen Arbeiter und dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit nicht gedient wäre, sondern, dass es um seiner Existenzsicherung willen darauf ankäme, sichere, d.h. rationelle Arbeitsplätze zu schaffen."
Zugegeben, ein vielleicht unzulässig aus dem historischen Zusammenhang gerissenes Zitat. Und doch ist es ein gutes Beispiel dafür, dass Erhard mit seiner Politik die ganze Gesellschaft im Blick hatte und auch die Wirtschaft ermahnte, Verantwortung zu übernehmen. Einzelne Gruppen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern suchten, sei es durch Kartellbildung oder den Wunsch nach Subvention, bezeichnete er als "Krankheitserscheinung unserer Zeit". Und als Gefahr für die Soziale Marktwirtschaft:
"Jeder denkt nur an sich. Keiner an das Ganze. Wenn aber eine Wirtschaftsordnung nicht mehr um das Ganze weiß, wenn sie das Gefühl der Verantwortung verkümmern lässt und nichts mehr von Nächstenliebe atmet, kann und darf sie nicht auf Resonanz und Anerkennung hoffen."
Was heißt das für Mitarbeiter von Banken, die ihren Kunden riskante Finanzprodukte andrehen oder ihnen Immobilienfinanzierungen verkaufen, die sie nicht bezahlen können? Was heißt das für Banken, die mit Staatsgeld gerettet werden müssen? Was heißt das aber auch für Politiker, die vielleicht in guter Absicht dem Markt freie Hand gelassen haben und weiter Schulden machen, in der Hoffnung, weiteres Wirtschaftswachstum wird es schon richten? Die Bedingungen haben sich verändert seit 1957. Und Erhards Buch ist wahrlich kein Lesevergnügen. Dennoch findet sich in "Wohlstand für alle" vieles, was es sich auch heute noch gesellschaftspolitisch zu bedenken lohnt.
Ludwig Erhard: Wohlstand für alle
Die 8. Auflage des Buches von 1964, die letzte, die noch von Erhard autorisiert wurde, ist frei zugänglich im Internet nachzulesen.