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Kursschwankungen
"Das kann sich schnell zur Währungskrise ausweiten"

Gleich mehrere Schwellenländer stemmen sich mit drastischen Leitzinserhöhungen gegen Währungsturbulenzen. Noch handele es sich dabei um normale Marktkorrekturen, sagt der Ökonom Henning Vöpel im DLF. Doch daraus könne schnell eine Krise werden.

Sarah Zerback im Gespräch mit Henning Vöpel | 29.01.2014
    Ein Händler an der New Yorker Börse am 12. Dezember 2013
    Die Devisenmärkte reagieren nervös auf die jüngsten Währungsturbulenzen. (dpa / picture-alliance / Andrew Gombert)
    Sarah Zerback: Argentinien, Indien, dann die Türkei, die sich gestern mit einer drastischen Leitzins-Erhöhung vor dem Kursverfall gerettet hat, Südafrika ist soeben gefolgt, doch Ruhe ist noch nicht eingekehrt. Das zeigt das Auf und Ab der Börse, das zeigen auch die Berichte. In einschlägigen Blogs ist zurzeit viel von Angst, von Panik und Desaster die Rede, alles hoch emotionale, sehr dramatische Vokabeln. Darüber habe ich vor dieser Sendung mit Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut gesprochen und ihn gefragt, ob wir uns jetzt auf eine handfeste Krise in den Schwellenländern einstellen müssen.
    Henning Vöpel: So weit ist es noch nicht. Zunächst einmal handelt es sich um eine normale Marktkorrektur. Es ist in den letzten Jahren sehr viel Kapital aus den USA, aus Europa abgeflossen in diese Schwellenländer. Jetzt steigen die Zinsen wieder in den USA, zumindest gibt es einen Ausstieg aus der sehr lockeren Geldpolitik, und insoweit kommt es zu einem Kapitalrückfluss und das setzt natürlich diese Länder, die Währungen dieser Länder unter Druck. Zunächst einmal handelt es sich um kleine Korrekturen, die ganz normal sind. Wir kennen das aus vergangenen Krisen. Solche Marktbewegungen können sich sehr schnell zu Krisen, zu Währungskrisen ausweiten, dann nämlich, wenn Kapitalflucht einsetzt, wenn Ansteckung zwischen den Ländern passiert. Dann kann tatsächlich aus dieser Marktkorrektur eine Währungskrise resultieren.
    Zerback: Sie haben es gerade erwähnt: Viel Geld wurde in die Schwellenländer gepumpt seit Beginn der Krise. Von vier Billionen US-Dollar ist da die Rede. Jetzt, wo die Krise erst mal abgeklungen ist, da wird das Geld wieder zurückgezogen. Kann man also sagen, dass die Schwellenländer jetzt die Zeche zahlen müssen für die Geldschwemme der Notenbanken, also im Endeffekt für unsere Krise?
    Vöpel: Ja, das kann man ein bisschen so sehen. Tatsächlich sind die Anleger und Investoren in diese Schwellenländer gegangen aufgrund dieser sehr niedrigen Zinsen, der anhaltenden Niedrigzins-Phase, und zum Teil ist es in diesen Ländern zur Entstehung von Blasen gekommen. Man spricht davon, dass es in China etwa, aber auch in Brasilien Immobilien-Preisblasen gibt, die finanziert worden sind durch diesen Zustrom an Kapital, und jetzt fehlt natürlich die Finanzierung und diese Blasen platzen. Das ist die Gefahr, die besteht. Ansonsten kann man sagen, dass die Schwellenländer an sich natürlich auch in einer schwierigen Phase sich befinden. Sie sind alle auf der Suche nach einem neuen Wachstumsmodell. Insgesamt ist die Weltwirtschaft sehr fragil, so dass die Volatilität auf den Devisenmärkten auch genau dieses widerspiegelt.
    Zerback: Das Beispiel Türkei zeigt ja jetzt, dass es nicht nur wirtschaftliche Probleme sind, sondern vor allen Dingen auch hausgemachte politische Probleme. Das Land ist politisch instabil und das ist auch wiederum für die nervösen Märkte verantwortlich. Heißt das denn im Umkehrschluss auch, dass die Länder ihre Probleme selbst stoppen können? Haben sie das in der Hand, oder inwieweit sind sie doch vollständig vom weltweiten Markt abhängig?
    Vöpel: Zum Teil sind sie sehr abhängig. Wir sehen das bei Argentinien, die immer noch zu leiden haben an der Vergangenheit, an der währungspolitischen Vergangenheit. Es gibt immer noch Schulden, die nicht umstrukturiert sind. Das alles sind Probleme, die diese Länder mittragen, mit in die Zukunft nehmen. Insoweit ist es vordringlich, in diesen Ländern tatsächlich politische Reformen durchzuführen, institutionelle Gegebenheiten zu verbessern, Korruption zu bekämpfen. Alles das führt dazu, dass es wieder einen Zufluss an Kapital geben kann, Direktinvestitionen und dergleichen. Insofern gibt es eine Reihe von Hausaufgaben, die diese Länder tatsächlich tun können.
    Zerback: Jetzt mal abgesehen von der Türkei, sind die anderen Länder, die Schwellenländer, ja geografisch gesehen sehr weit weg, und trotzdem sind es für uns hier in Europa, hier in Deutschland wichtige Exportmärkte, die uns ja auch in der Krise unterstützt haben. Inwieweit werden wir denn hier in Europa, in Deutschland die Auswirkungen jetzt zu spüren bekommen, diese Probleme?
    Vöpel: Zunächst ist die Konjunktur in Deutschland sehr robust. Es gibt auch eine Reihe von sehr positiven Indikatoren und Anzeichen. In Europa scheint, sich die Lage etwas zu stabilisieren. Irland hat den Rettungsschirm verlassen, in den USA scheint, die konjunkturelle Erholung auch etwas robuster zu werden. Das heißt, es gibt noch keine unmittelbare Gefahr auf die deutsche Konjunktur. Gleichwohl kann sich die Lage in den Schwellenländern natürlich weiter destabilisieren, zu einer Krise ausweiten. Spätestens dann würden wir natürlich auch in Deutschland über die Exportmärkte Auswirkungen spüren.
    Zerback: Sie haben die USA erwähnt. Heute Abend verkündet ja die US-Notenbank, die Fed, ob sie wie erwartet ihre milliardenschweren monatlichen Anleihenkäufe noch weiter reduziert. Geraten dadurch die Börsen in diesem Fall noch weiter unter Druck?
    Vöpel: Typischerweise versucht die Fed natürlich, ihre Entscheidung zu kommunizieren, also anzukündigen, damit es eben nicht zu abrupten Marktbewegungen kommt. Insoweit gehe ich davon aus, dass die Entscheidung, die heute Abend ansteht, von den Märkten im Grunde schon verarbeitet worden ist. gleichwohl kann natürlich jetzt eine Marktkorrektur tatsächlich über selbsterfüllende Prophezeiungen schon noch mal eine deutlichere Korrektur nach sich ziehen und damit sozusagen die eigentliche Absicht der Fed konterkarieren. Aber an sich glaube ich, dass die Fed heute Abend nichts Unerwartetes entscheiden wird.
    Zerback: Vielen Dank. - Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut HWWI.
    Vöpel: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.