Jochen Spengler: 6,5 Millionen Menschen beziehen in Deutschland Arbeitslosengeld II, im Volksmund Hartz IV genannt. Der Regelsatz beträgt 359 Euro, für ein Kind bis 6 Jahre werden pauschal 60 Prozent gezahlt, 215 Euro. Doch diese Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene und Kinder sind verfassungswidrig. Die Berechnungsbasis sei nicht nachvollziehbar. Die Sätze müssen bis zum Jahresende neu berechnet werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht gestern entschieden. Vorgaben zu neuen Höhen machte es nicht. Von den Politikern wurde die Schelte der Richter überwiegend begrüßt.
O-Ton Jürgen Rüttgers: Mir ist das wichtig, damit dieses Gesetz eine bessere Akzeptanz in der Bevölkerung bekommt. Viele sind davon betroffen und sie sollen ja nicht diskriminiert werden.
O-Ton Renate Künast: Diese Aufgabe, die das Bundesverfassungsgericht jetzt Frau Merkel ins Aufgabenheft geschrieben hat, bürdet ja neue finanzielle Aufgaben auf.
O-Ton Birgit Homburger: Diese Notwendigkeit der Anpassung hat allerdings finanziell keine so weit reichenden Auswirkungen, wie es ursprünglich befürchtet worden ist. Das bedeutet auch, dass das Ganze finanzierbar sein wird.
O-Ton Bodo Ramelow: Das bedeutet aber auch, dass jetzt die Mindestlöhne kommen müssen, denn es kann ja nicht sein, dass man aus Arbeit weniger Einkommen hat als aus Arbeitslosenunterstützung.
Spengler: Das waren einige Stimmen aus der Politik und am Telefon ist nun der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Markus Kurth. Guten Morgen, Herr Kurth.
Markus Kurth: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: SPD und Grüne haben Hartz IV erfunden und zu verantworten. Wie weh tut Ihnen die Ohrfeige der Karlsruher Richter?
Kurth: Ja. Man muss unumwunden zugeben, dass bei der Festsetzung der Regelsätze damals im Jahr 2003 schwere Fehler gemacht wurden, und dafür kann man sich als Grüner nur entschuldigen.
Spengler: Welcher Fehler war das denn vor allen Dingen?
Kurth: Der Fehler bestand darin, dass wir kein transparentes nachvollziehbares Verfahren etabliert haben, genau das, was das Bundesverfassungsgericht ja jetzt auch bemängelt hat. Übrigens sind die Landesregierungen da genauso im Boot, denn das Verfahren der Festsetzung der Regelsätze beruht ja auf einer Rechtsverordnung, also nicht auf einem formellen Gesetzgebungsverfahren, und an dieser Rechtsverordnung war das Parlament gar nicht beteiligt. Ich ziehe daraus die Schlussfolgerung, dass wir jetzt bei der Neufestsetzung das Ganze nicht in den Hinterzimmern der Ministerien auskungeln lassen dürfen, sondern dass das Ganze öffentlich im Scheinwerferlicht des Parlaments, des Gesetzgebers neu bemessen und neu debattiert werden muss.
Spengler: Würden Sie Horst Seehofer zustimmen, der sagt, Hartz IV war großer Murks?
Kurth: Man muss ja unterscheiden zwischen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und dem Prinzip der Hilfe aus einer Hand, was ich nach wie vor für sinnvoll und richtig halte, und den weiteren Fehlern, das Übergewicht des Forderns gegenüber dem Fördern, oder eben auch dem Regelsatz. So pauschal wie Herr Seehofer würde ich das nicht machen und der Herr Seehofer muss sich auch als damals Mitverantwortlicher oder als Mitglied einer mitverantwortlichen Regierungsfraktion da auch an die eigene Nase fassen, bevor er jetzt wieder einen seiner beliebten Schwenks vollzieht.
Spengler: Herr Kurth, ehe wir auf Details zu sprechen kommen – und ich verspreche, das tun wir noch -, eine grundsätzliche Frage. Nirgendwo weltweit wird so viel Geld für soziale Gerechtigkeit ausgegeben wie bei uns mit einem so bescheidenen Ergebnis. Brauchen wir eigentlich eine grundlegende Reform des Sozialstaats, vielleicht in Richtung Bürgergeld, wie es die FDP fordert, vielleicht auch woanders hin, oder reicht dass, jetzt nur die Hartz-IV-Sätze neu zu berechnen?
Kurth: Natürlich müssen wir überlegen, ob die sozialen Leistungen wirklich zielgenau bei denjenigen ankommen, die sie auch wirklich benötigen. Wenn wir davon sprechen, dass nirgendwo so viel für Soziales ausgegeben wird, dann werden da ja auch Dinge reingerechnet wie das Kindergeld, das ja ärmeren wie reicheren gleichermaßen zugute kommt, beziehungsweise bei den reicheren über den Steuerfreibetrag sogar noch überproportional zugute kommt, und daher müssen wir an bestimmten Punkten, wenn ich an Kindergrundsicherung denke, natürlich auch systematische Fragen stellen, ob wir das relativ große Verteilungsvolumen, was noch da ist im Sozialstaat, auch so ansetzen, dass es bei denjenigen ankommt, die es auch am dringendsten benötigen.
Spengler: Also Sie hätten nichts gegen grundlegende Überlegungen. – Kommen wir jetzt doch auf die Details. Die Regierung sagt, es sei offen, ob es jetzt zu einer Anhebung der Sätze komme, und Die Linke verlangt eine Erhöhung von 359 Euro auf 500 Euro. Was sagen Die Grünen?
Kurth: Wir haben als Beschlusslage uns Berechnungen genommen, die der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband in, wie ich meine, relativ seriösen Berechnungen angestellt hat, und kommen zu dem Schluss, dass der Regelsatz für einen Erwachsenen bei circa 420 Euro liegen müsste. Aber die genaue Festsetzung der Summe kann man ja jetzt nicht einfach so willkürlich ins Blaue hinein greifen - genau das hatten die Richter ja kritisiert -, sondern das muss man sich sehr genau angucken. Ich gehe im Gegensatz zu einigen Stimmen von der Regierung davon aus, dass es sehr wohl eine Erhöhung der Sätze wird geben müssen, und auch davon, dass es nicht damit getan ist, die eine oder andere Sachleistung an Kinder abzugeben, wie Schulranzen, denn es liegen wirklich belastbare Fakten vor, dass diese Sätze auch vom finanziellen Volumen zu niedrig sind. Es gibt zum Beispiel den Familienbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2006, also aus Zeiten der Großen Koalition, und dort wird mit Verweis auf ernährungswissenschaftliche Studien festgehalten, dass selbst bei äußerster Sparsamkeit nur bis zum 24. Tag eines Monats eine gesunde Ernährung in einer Familie sichergestellt werden kann, und solche Fakten, die ja in Regierungsberichten standen, können wir nicht ignorieren.
Spengler: Aber es wird nicht der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband die Sätze festlegen können, sondern es soll schon das Parlament sein, wie Sie eingangs betont haben?
Kurth: Das muss Gegenstand eines parlamentarischen Verfahrens sein. Ich habe ja den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband als einen zitiert, der sich mit der Berechnung von Regelsätzen sehr viel Mühe gegeben hat und der eine, man kann sagen, Richtgröße gegeben hat, die ich jetzt als Erwartungswert habe.
Spengler: Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Sachleistungen. Wo wären denn Sachleistungen besser?
Kurth: Es wäre selbstverständlich im Bildungsbereich bei Kindern denkbar, dass wir dort eine allgemeine Grundausstattung mit Lern-, Schulmaterial, Schulbüchern als Sachleistung bieten. Man müsste aus meiner Sicht auch diskutieren über ein kostenloses Schulessen als Regelangebot, wobei natürlich da die Frage der Finanzierung sich auch wieder stellt. Da wären Sachleistungen sinnvoll. Darüber hinausgehend sollten wir jetzt nicht ein umfängliches Gutscheinwesen etablieren, mit dem dann ja doch wieder die Hilfebeziehenden wieder nur neu gebrandmarkt würden.
Spengler: Müsste das Existenzminimum eigentlich in München oder Hamburg nicht höher sein als in Fulda zum Beispiel?
Kurth: Wir haben ja bei den Wohnkosten, den Kosten der Unterkunft sehr wohl eine regionale Differenzierung. Wenn man darüber hinaus anfinge, mit Kaufkraftdifferenzierungen zu arbeiten, würde das aus meiner Sicht letzten Endes sehr unübersichtlich werden. Allerdings haben bereits jetzt schon die Bundesländer einzeln die Möglichkeit, auch über den Mindestsatz hinaus Aufschläge zu gewähren. Aber ein allgemeines bundesweites Mindestniveau, was ist das soziokulturelle Existenzminimum, das muss in diesem Sozialstaat allein mit Verweis auf die Menschenwürde – auch hier wieder das Bundesverfassungsgericht sehr deutlich -, muss also bundesweit gewährleistet sein.
Spengler: Letzte Frage, Herr Kurth. Wie kann man den Grundsatz garantieren, dass einer, der arbeitet, mehr haben muss als einer, der nicht arbeitet?
Kurth: Das Wichtigste scheint mir, die vorgelagerten Sicherungssysteme zu stärken. Das bedeutet also, die Lohnhöhe über einen Mindestlohn wenigstens in einem unteren Bereich zu garantieren. Das würde bedeuten, dass man das Wohngeld als vorgelagertes System ausbaut, den jetzt ja schon existierenden Kinderzuschlag. Wir machen darüber hinausgehend als Grüne noch den Vorschlag, dass die Sozialversicherungsabgaben im unteren Einkommensbereich subventioniert werden, staatlich unterstützt werden, sodass jemand mit eigener Arbeit immer noch mehr hat als jemand, der nicht arbeitet. Im Übrigen gibt es auch die Zuverdienstmöglichkeiten ja heute schon, von denen viele Gebrauch machen. Im Moment ist es so: jemand, der arbeitet, hat auf jeden Fall mehr als jemand, der ausschließlich von ALG II lebt.
Spengler: Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kurth: Danke, Herr Spengler.
O-Ton Jürgen Rüttgers: Mir ist das wichtig, damit dieses Gesetz eine bessere Akzeptanz in der Bevölkerung bekommt. Viele sind davon betroffen und sie sollen ja nicht diskriminiert werden.
O-Ton Renate Künast: Diese Aufgabe, die das Bundesverfassungsgericht jetzt Frau Merkel ins Aufgabenheft geschrieben hat, bürdet ja neue finanzielle Aufgaben auf.
O-Ton Birgit Homburger: Diese Notwendigkeit der Anpassung hat allerdings finanziell keine so weit reichenden Auswirkungen, wie es ursprünglich befürchtet worden ist. Das bedeutet auch, dass das Ganze finanzierbar sein wird.
O-Ton Bodo Ramelow: Das bedeutet aber auch, dass jetzt die Mindestlöhne kommen müssen, denn es kann ja nicht sein, dass man aus Arbeit weniger Einkommen hat als aus Arbeitslosenunterstützung.
Spengler: Das waren einige Stimmen aus der Politik und am Telefon ist nun der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Markus Kurth. Guten Morgen, Herr Kurth.
Markus Kurth: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: SPD und Grüne haben Hartz IV erfunden und zu verantworten. Wie weh tut Ihnen die Ohrfeige der Karlsruher Richter?
Kurth: Ja. Man muss unumwunden zugeben, dass bei der Festsetzung der Regelsätze damals im Jahr 2003 schwere Fehler gemacht wurden, und dafür kann man sich als Grüner nur entschuldigen.
Spengler: Welcher Fehler war das denn vor allen Dingen?
Kurth: Der Fehler bestand darin, dass wir kein transparentes nachvollziehbares Verfahren etabliert haben, genau das, was das Bundesverfassungsgericht ja jetzt auch bemängelt hat. Übrigens sind die Landesregierungen da genauso im Boot, denn das Verfahren der Festsetzung der Regelsätze beruht ja auf einer Rechtsverordnung, also nicht auf einem formellen Gesetzgebungsverfahren, und an dieser Rechtsverordnung war das Parlament gar nicht beteiligt. Ich ziehe daraus die Schlussfolgerung, dass wir jetzt bei der Neufestsetzung das Ganze nicht in den Hinterzimmern der Ministerien auskungeln lassen dürfen, sondern dass das Ganze öffentlich im Scheinwerferlicht des Parlaments, des Gesetzgebers neu bemessen und neu debattiert werden muss.
Spengler: Würden Sie Horst Seehofer zustimmen, der sagt, Hartz IV war großer Murks?
Kurth: Man muss ja unterscheiden zwischen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und dem Prinzip der Hilfe aus einer Hand, was ich nach wie vor für sinnvoll und richtig halte, und den weiteren Fehlern, das Übergewicht des Forderns gegenüber dem Fördern, oder eben auch dem Regelsatz. So pauschal wie Herr Seehofer würde ich das nicht machen und der Herr Seehofer muss sich auch als damals Mitverantwortlicher oder als Mitglied einer mitverantwortlichen Regierungsfraktion da auch an die eigene Nase fassen, bevor er jetzt wieder einen seiner beliebten Schwenks vollzieht.
Spengler: Herr Kurth, ehe wir auf Details zu sprechen kommen – und ich verspreche, das tun wir noch -, eine grundsätzliche Frage. Nirgendwo weltweit wird so viel Geld für soziale Gerechtigkeit ausgegeben wie bei uns mit einem so bescheidenen Ergebnis. Brauchen wir eigentlich eine grundlegende Reform des Sozialstaats, vielleicht in Richtung Bürgergeld, wie es die FDP fordert, vielleicht auch woanders hin, oder reicht dass, jetzt nur die Hartz-IV-Sätze neu zu berechnen?
Kurth: Natürlich müssen wir überlegen, ob die sozialen Leistungen wirklich zielgenau bei denjenigen ankommen, die sie auch wirklich benötigen. Wenn wir davon sprechen, dass nirgendwo so viel für Soziales ausgegeben wird, dann werden da ja auch Dinge reingerechnet wie das Kindergeld, das ja ärmeren wie reicheren gleichermaßen zugute kommt, beziehungsweise bei den reicheren über den Steuerfreibetrag sogar noch überproportional zugute kommt, und daher müssen wir an bestimmten Punkten, wenn ich an Kindergrundsicherung denke, natürlich auch systematische Fragen stellen, ob wir das relativ große Verteilungsvolumen, was noch da ist im Sozialstaat, auch so ansetzen, dass es bei denjenigen ankommt, die es auch am dringendsten benötigen.
Spengler: Also Sie hätten nichts gegen grundlegende Überlegungen. – Kommen wir jetzt doch auf die Details. Die Regierung sagt, es sei offen, ob es jetzt zu einer Anhebung der Sätze komme, und Die Linke verlangt eine Erhöhung von 359 Euro auf 500 Euro. Was sagen Die Grünen?
Kurth: Wir haben als Beschlusslage uns Berechnungen genommen, die der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband in, wie ich meine, relativ seriösen Berechnungen angestellt hat, und kommen zu dem Schluss, dass der Regelsatz für einen Erwachsenen bei circa 420 Euro liegen müsste. Aber die genaue Festsetzung der Summe kann man ja jetzt nicht einfach so willkürlich ins Blaue hinein greifen - genau das hatten die Richter ja kritisiert -, sondern das muss man sich sehr genau angucken. Ich gehe im Gegensatz zu einigen Stimmen von der Regierung davon aus, dass es sehr wohl eine Erhöhung der Sätze wird geben müssen, und auch davon, dass es nicht damit getan ist, die eine oder andere Sachleistung an Kinder abzugeben, wie Schulranzen, denn es liegen wirklich belastbare Fakten vor, dass diese Sätze auch vom finanziellen Volumen zu niedrig sind. Es gibt zum Beispiel den Familienbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2006, also aus Zeiten der Großen Koalition, und dort wird mit Verweis auf ernährungswissenschaftliche Studien festgehalten, dass selbst bei äußerster Sparsamkeit nur bis zum 24. Tag eines Monats eine gesunde Ernährung in einer Familie sichergestellt werden kann, und solche Fakten, die ja in Regierungsberichten standen, können wir nicht ignorieren.
Spengler: Aber es wird nicht der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband die Sätze festlegen können, sondern es soll schon das Parlament sein, wie Sie eingangs betont haben?
Kurth: Das muss Gegenstand eines parlamentarischen Verfahrens sein. Ich habe ja den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband als einen zitiert, der sich mit der Berechnung von Regelsätzen sehr viel Mühe gegeben hat und der eine, man kann sagen, Richtgröße gegeben hat, die ich jetzt als Erwartungswert habe.
Spengler: Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Sachleistungen. Wo wären denn Sachleistungen besser?
Kurth: Es wäre selbstverständlich im Bildungsbereich bei Kindern denkbar, dass wir dort eine allgemeine Grundausstattung mit Lern-, Schulmaterial, Schulbüchern als Sachleistung bieten. Man müsste aus meiner Sicht auch diskutieren über ein kostenloses Schulessen als Regelangebot, wobei natürlich da die Frage der Finanzierung sich auch wieder stellt. Da wären Sachleistungen sinnvoll. Darüber hinausgehend sollten wir jetzt nicht ein umfängliches Gutscheinwesen etablieren, mit dem dann ja doch wieder die Hilfebeziehenden wieder nur neu gebrandmarkt würden.
Spengler: Müsste das Existenzminimum eigentlich in München oder Hamburg nicht höher sein als in Fulda zum Beispiel?
Kurth: Wir haben ja bei den Wohnkosten, den Kosten der Unterkunft sehr wohl eine regionale Differenzierung. Wenn man darüber hinaus anfinge, mit Kaufkraftdifferenzierungen zu arbeiten, würde das aus meiner Sicht letzten Endes sehr unübersichtlich werden. Allerdings haben bereits jetzt schon die Bundesländer einzeln die Möglichkeit, auch über den Mindestsatz hinaus Aufschläge zu gewähren. Aber ein allgemeines bundesweites Mindestniveau, was ist das soziokulturelle Existenzminimum, das muss in diesem Sozialstaat allein mit Verweis auf die Menschenwürde – auch hier wieder das Bundesverfassungsgericht sehr deutlich -, muss also bundesweit gewährleistet sein.
Spengler: Letzte Frage, Herr Kurth. Wie kann man den Grundsatz garantieren, dass einer, der arbeitet, mehr haben muss als einer, der nicht arbeitet?
Kurth: Das Wichtigste scheint mir, die vorgelagerten Sicherungssysteme zu stärken. Das bedeutet also, die Lohnhöhe über einen Mindestlohn wenigstens in einem unteren Bereich zu garantieren. Das würde bedeuten, dass man das Wohngeld als vorgelagertes System ausbaut, den jetzt ja schon existierenden Kinderzuschlag. Wir machen darüber hinausgehend als Grüne noch den Vorschlag, dass die Sozialversicherungsabgaben im unteren Einkommensbereich subventioniert werden, staatlich unterstützt werden, sodass jemand mit eigener Arbeit immer noch mehr hat als jemand, der nicht arbeitet. Im Übrigen gibt es auch die Zuverdienstmöglichkeiten ja heute schon, von denen viele Gebrauch machen. Im Moment ist es so: jemand, der arbeitet, hat auf jeden Fall mehr als jemand, der ausschließlich von ALG II lebt.
Spengler: Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kurth: Danke, Herr Spengler.