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Kurze Schonfrist für die Neue

Wechsel in Sachsen-Anhalt: Die Magdeburger Professorin Birgitta Wolff tritt in die Fußstapfen von Kultusminister Jan Hendrik Olbertz. Kein leichter Job für die Neue - für die nächste Woche haben ausgerechnet Magdeburger Studenten neue Bildungsstreiks angekündigt.

Von Frank Düsekow |
    Die eine kommt, der andere geht. Sehr still und sichtlich bewegt hat Jan Hendrik Olbertz seine Entlassungsurkunde von Ministerpräsident Böhmer entgegengenommen. Der hoch aufgeschossene Schlacks mit dem Dreitagebart war immerhin acht Jahre lang Kultusminister in Sachsen-Anhalt. Zuletzt kam Olbertz noch durch seine Habilitationsschrift in die Negativschlagzeilen. "Marxistisch-leninistische Einpeitscherparolen" hatten ihm seine Kritiker darin vorgeworfen. Gut möglich, dass ihn dieser Disput als Unipräsident in Berlin wieder einholt. Bei Olbertz' Verabschiedung spielte er aber keine Rolle. Stattdessen Wehmut:

    "Am allermeisten werden mir die Mitarbeiter fehlen, die mir am nächsten gestanden haben und die mich über diese acht Jahre begleitet haben. Das meine ich ganz ehrlich und ich gehe schon mit einer Träne im Knopfloch. "

    Und dennoch: Olbertz hatte seinen Absprung längst geplant. Dem parteilosen Minister war wohl klar, dass es keine dritte Amtszeit geben würde. Was weniger mit seiner Arbeit, als vielmehr mit politischen Konstellationen in Sachsen-Anhat zu tun hat. Sollte die schwarz-rote Koalition nach der Landtagswahl im März 2011 nämlich fortgesetzt werden, beansprucht die SPD künftig das Kultusressort. Olbertz allerdings war Minister auf CDU-Ticket. So wechselt der 55-Jährige nun von der Politik in die Wissenschaft. Seine Amtsnachfolgerin Birgitta Wolff macht es genau andersherum. Und geht ihr Puls schon entsprechend schneller?

    "Da ist schon ein gewisses Herzklopfen. Andererseits habe ich vielleicht diesen wissenschaftlichen Optimismus und Ehrgeiz zu glauben, dass man da auch mit Sachkompetenz und kühlem Nachdenken, mit Interaktion und Gesprächen weiterkommen kann."

    Und Weiterkommen, das fiel der Harvardabsolventin bislang immer leicht. Einer frühen Lehrtätigkeit an der Georgetown University in Washington folgte eine Juniorprofessur an der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg. Dort war die 44-Jährige zuletzt Dekanin der Wirtschaftsfakultät. Und gerade bei ihren ehemaligen Studenten sind die Erwartungen an die neue Ministerin natürlich entsprechend hoch. Nämlich:

    "Das sie etwas für die Hochschule tut, dass sie Veränderungen schafft, die andere Kultusminister nicht schaffen."

    "Man merkt schon, dass die Gelder gekürzt wurden. Dass wir weniger Übungen haben und ich hoffe schon, dass sie sich da ein bisschen einsetzt."

    "Generell wäre ein besseres Betreuungsverhältnis wünschenswert, und dass man den Unis auf die Finger schaut."

    "Ich denke es geht hauptsächlich darum, den Druck aus dem Bachelor rauszunehmen, das müsste sie als Dekanin auch mitbekommen haben."
    Ob sie die hohen Erwartungen auch einlösen kann, bleibt abzuwarten. Denn Birgitta Wolff ist ein Politneuling und wofür sie genau steht, ist noch unklar. Ihr erster Arbeitstag als Ministerin hat es jedenfalls gleich in sich: Um 8.00 Uhr stand der Fahrer vor der Tür. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Ministerrunde, Kabinettssitzung, Landespressekonferenz und heute Abend dann noch ein ökumenischer Jahresempfang. Morgen will sich Birgitta Wolff aber richtig Zeit nehmen, um das Ministerium und ihre neuen Mitarbeiter kennenzulernen. Doch ihre Schonfrist ist kurz. Bereits für nächste Woche haben ausgerechnet Magdeburger Studenten neue Bildungsstreiks angekündigt. Für Wolff eine eigenartige Situation:

    "Also beim letzten Studentenstreik - das war ja vor zwei, drei Monaten - da sind wir alle zusammen vor den Landtag gezogen. Da war ich dabei. Also wir müssen unbedingt in einen Prozess reinkommen, wo wir mit den Studierenden gemeinsam schauen, was geht und was geht nicht."

    Von den Studierenden aber auch von den Hochschulrektoren, den Lehrern und den Kulturschaffenden im Land fordert die gebürtige Westfälin nicht weniger als einen entfesselten Geist. Als Gegenleistung dafür verspricht sie mehr Autonomie. Das klingt sehr gut. Aber die Frau mit dem sympathischen Lächeln muss erst zeigen, ob sie ihrer Ankündigung auch politische Realität einhauchen kann. Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr bis zur Landtagswahl. Als Ministerin auf Zeit sieht sich Birgitta Wolff aber trotzdem nicht:

    "Ich schaue einmal, wie gut ich in den ersten zehn Monaten zurechtkomme. Wenn ich das Gefühl habe, ich kann etwas bewegen in die richtige Richtung und meine Ideen kommen gut an, dann würde ich es natürlich gerne weitermachen. Klar!"