Engelen-Kefer: Guten Morgen Herr Heinlein.
Heinlein: Frau Engelen-Kefer, mehr Beschäftigung gleich mehr Nachfrage, so das Rezept der Gewerkschaften. Warum ist dies das Patent gegen die Rezession?
Engelen-Kefer: Ein Patent gibt es zunächst einmal nicht, aber in jedem Fall kann man eine Haushaltskonsolidierung, die wir ja auch befürworten, also den Abbau des Schuldenberges, auf mittlere und längere Sicht nur durchhalten, wenn auch die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit abgebaut wird, denn sonst muss man enorme Kosten zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit zahlen. Man hat Steuerausfälle, Ausfälle an Sozialversicherungsbeiträgen und das ist eine Spirale nach unten und das bringt nichts. Nur ganz kurz: Wir sind auch nicht für kurzfristige pauschale Konjunkturspritzen. Das bringt nichts. Wir meinen aber, dass jetzt schon etwas getan werden muss und nicht erst in den nächsten drei Jahren. Deshalb wollen wir ein Vorziehen schon beschlossener Infrastrukturprogramme möglichst schnell.
Heinlein: Was ist denn der Unterschied zwischen Infrastrukturmaßnahmen und staatlichen Konjunkturprogrammen?
Engelen-Kefer: Bei staatlichen Konjunkturprogrammen in der herkömmlichen Art - das sind vor allem Steuererleichterungen und das betrifft dann wiederum vor allem die Unternehmen; darum geht ja die derzeitige Auseinandersetzung mit der Opposition - handelt es sich um pauschal wirkende Maßnahmen. Da gibt es überhaupt keine Sicherheit, dass hierdurch mehr Nachfrage geschaffen wird oder mehr Investitionen erzeugt werden. Das verpufft sehr leicht und erhöht die Schuldenberge und bringt nichts. Was wir meinen ist, dass wir gezielte Verbesserung zum Beispiel der Verkehrsnetze brauchen. In einem Teil der Bundesländer im Osten, aber teilweise auch im Westen ist es dringend nötig, die öffentlichen Verkehrssysteme oder auch die Straßennetze auszubauen, damit überhaupt wirtschaftliche Tätigkeit in bestimmten Regionen ausgeweitet werden kann. Oder wir sagen ja alle, wie wichtig die Bildung ist. Wir haben eine sehr schlechte Situation zum Beispiel der Gebäude von Schulen, Fachhochschulen, Universitäten. Wir haben natürlich einige hervorragend neue moderne, aber hier sind riesige Instandhaltungsinvestitionen zu tätigen, die durchaus kurzfristig gemacht werden könnten und die gleichzeitig auch den arbeitslosen Bauleuten eine Beschäftigungschance geben und das Bildungswesen stabilisieren. - Das sind nur zwei Beispiele. Wir haben darüber hinaus in anderen Bereichen ebenfalls Möglichkeiten.
Heinlein: Frau Engelen-Kefer, nun haben Sie diese Forderungen auf dem SPD-Parteitag ja vorgetragen, allerdings nur sehr wenig Gehör gefunden. Warum ignoriert denn die Bundesregierung den Rat der Gewerkschaften?
Engelen-Kefer: Ich hoffe, dass dieser Zusatz zu diesem Hauptantrag, dass geprüft werden soll, ob zusätzlich, nicht zu dem, was bereits geplant ist - es sind ja bereits mehr Infrastrukturausgaben über die UMTS-Milliarden und über das Städteumbauprogramm Ost geplant - zu diesen Maßnahmen zum Beispiele Teile des Solidarpaktes II vorgezogen werden können. Das betrifft vor allem die neuen Bundesländer. Das ist als Prüfauftrag ja mit enthalten. Ich hoffe, dass die Bundesregierung erkennt, dass man hier nicht mehr lange zuwarten kann.
Heinlein: Sie hoffen also, Sie sind sich aber nicht sicher, dass der Einfluss der Gewerkschaften auf die Wirtschaftspolitik von rot/grün steigt oder anhält?
Engelen-Kefer: Ich meine wir haben ja schon seit längerer Zeit hier auf die Bundesregierung eingewirkt und wir waren ja nicht ganz erfolglos. Ursprünglich war ja geplant, dass der Bundeszuschuss zur Bundesanstalt für Arbeit auf null gestellt wird. Das hätte bedeutet, dass die Arbeitsmarktpolitik drastisch hätte reduziert werden müssen, und das hätte unmittelbar mehr Arbeitslose bewirkt, vor allem in den neuen Bundesländern. Da ist uns die Bundesregierung auch gefolgt und hat den Bundeszuschuss auf zwei Milliarden Euro gestellt, so dass die Arbeitsmarktpolitik durchgehalten werden kann, dass wir hier keine Einbrüche befürchten müssen. Ich hoffe also, dass die Einsicht auch wächst, dass wir ohne zusätzliche Verbesserung der Infrastrukturprojekte und damit neuer Beschäftigung und zwar sofort nicht auskommen.
Heinlein: Der Kanzler seinerseits fordert von den Gewerkschaften jetzt auch Einsicht. Er fordert moderate Tarifabschlüsse, um der Konjunktur nicht weiter zu schaden. Werden denn die Gewerkschaften, wird der DGB dieser Bitte entsprechen?
Engelen-Kefer: Ich habe mit Genugtuung vernommen, dass der Bundeskanzler und im übrigen auch der Bundesfinanzminister und der Bundesarbeitsminister sowie im übrigen auch der Wirtschaftsminister sehr deutlich die Unternehmen an ihre Verantwortung mahnen, denn darum geht es ja. Die Gewerkschaften haben in der letzten Tarifrunde Vorleistungen erbracht. Sie haben die Beschäftigungssicherung in den Vordergrund gestellt, nämlich über die Förderung der Altersteilzeit, die ja auch wirkt, damit eben jüngere eine Beschäftigung finden. Die Unternehmen haben nicht das getan, was sie versprochen haben, nämlich den sehr, sehr hohen Berg an bezahlten Überstunden von 1,9 Milliarden abzubauen, in mehr Freizeit umzusetzen und somit die Beschäftigung zu stabilisieren. Das steht aus, das muss dringend gemacht werden. Aber die Gewerkschaften haben auch weitere Vorleistungen in den Tarifverträgen gebracht zu flexibleren Arbeitszeitgestaltungen, damit eben eine Alternative gegeben wird zu Entlassungen in schwierigen Zeiten. Ich hoffe, dass wir hier auch einiges erreichen können, dass die Unternehmen nämlich Verantwortung zeigen und nicht fantasielos die Menschen auf die Straße setzen.
Heinlein: Frau Engelen-Kefer, den Arbeitnehmern stehen ja ohnehin ab dem kommenden Jahr schwierige Zeiten bevor, denn die Krankenkassenbeiträge sollen im kommenden Jahr über 14 Prozent steigen. Läuft da nicht etwas verkehrt? Was wollen die Gewerkschaften unternehmen?
Engelen-Kefer: Ich glaube, dass die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung überfällig ist. Wir sind dabei, dies mit zu gestalten. Nur da darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und wie in der Vergangenheit die Reform auf dem Rücken der Patienten austragen, was im übrigen auch finanziell gar nichts bringt, sondern hier kommt es darauf an, dass die Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden. Die liegen auch bei den Leistungsanbietern und da müssen wir sehen, wie wir zu einer ausgewogenen Reform kommen, die alle entsprechend mit einbezieht. Wir werden daran mitwirken!
Heinlein: Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. - Frau Engelen-Kefer, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Engelen-Kefer: Auf Wiederhören Herr Heinlein.
Link: Interview als RealAudio
Heinlein: Frau Engelen-Kefer, mehr Beschäftigung gleich mehr Nachfrage, so das Rezept der Gewerkschaften. Warum ist dies das Patent gegen die Rezession?
Engelen-Kefer: Ein Patent gibt es zunächst einmal nicht, aber in jedem Fall kann man eine Haushaltskonsolidierung, die wir ja auch befürworten, also den Abbau des Schuldenberges, auf mittlere und längere Sicht nur durchhalten, wenn auch die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit abgebaut wird, denn sonst muss man enorme Kosten zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit zahlen. Man hat Steuerausfälle, Ausfälle an Sozialversicherungsbeiträgen und das ist eine Spirale nach unten und das bringt nichts. Nur ganz kurz: Wir sind auch nicht für kurzfristige pauschale Konjunkturspritzen. Das bringt nichts. Wir meinen aber, dass jetzt schon etwas getan werden muss und nicht erst in den nächsten drei Jahren. Deshalb wollen wir ein Vorziehen schon beschlossener Infrastrukturprogramme möglichst schnell.
Heinlein: Was ist denn der Unterschied zwischen Infrastrukturmaßnahmen und staatlichen Konjunkturprogrammen?
Engelen-Kefer: Bei staatlichen Konjunkturprogrammen in der herkömmlichen Art - das sind vor allem Steuererleichterungen und das betrifft dann wiederum vor allem die Unternehmen; darum geht ja die derzeitige Auseinandersetzung mit der Opposition - handelt es sich um pauschal wirkende Maßnahmen. Da gibt es überhaupt keine Sicherheit, dass hierdurch mehr Nachfrage geschaffen wird oder mehr Investitionen erzeugt werden. Das verpufft sehr leicht und erhöht die Schuldenberge und bringt nichts. Was wir meinen ist, dass wir gezielte Verbesserung zum Beispiel der Verkehrsnetze brauchen. In einem Teil der Bundesländer im Osten, aber teilweise auch im Westen ist es dringend nötig, die öffentlichen Verkehrssysteme oder auch die Straßennetze auszubauen, damit überhaupt wirtschaftliche Tätigkeit in bestimmten Regionen ausgeweitet werden kann. Oder wir sagen ja alle, wie wichtig die Bildung ist. Wir haben eine sehr schlechte Situation zum Beispiel der Gebäude von Schulen, Fachhochschulen, Universitäten. Wir haben natürlich einige hervorragend neue moderne, aber hier sind riesige Instandhaltungsinvestitionen zu tätigen, die durchaus kurzfristig gemacht werden könnten und die gleichzeitig auch den arbeitslosen Bauleuten eine Beschäftigungschance geben und das Bildungswesen stabilisieren. - Das sind nur zwei Beispiele. Wir haben darüber hinaus in anderen Bereichen ebenfalls Möglichkeiten.
Heinlein: Frau Engelen-Kefer, nun haben Sie diese Forderungen auf dem SPD-Parteitag ja vorgetragen, allerdings nur sehr wenig Gehör gefunden. Warum ignoriert denn die Bundesregierung den Rat der Gewerkschaften?
Engelen-Kefer: Ich hoffe, dass dieser Zusatz zu diesem Hauptantrag, dass geprüft werden soll, ob zusätzlich, nicht zu dem, was bereits geplant ist - es sind ja bereits mehr Infrastrukturausgaben über die UMTS-Milliarden und über das Städteumbauprogramm Ost geplant - zu diesen Maßnahmen zum Beispiele Teile des Solidarpaktes II vorgezogen werden können. Das betrifft vor allem die neuen Bundesländer. Das ist als Prüfauftrag ja mit enthalten. Ich hoffe, dass die Bundesregierung erkennt, dass man hier nicht mehr lange zuwarten kann.
Heinlein: Sie hoffen also, Sie sind sich aber nicht sicher, dass der Einfluss der Gewerkschaften auf die Wirtschaftspolitik von rot/grün steigt oder anhält?
Engelen-Kefer: Ich meine wir haben ja schon seit längerer Zeit hier auf die Bundesregierung eingewirkt und wir waren ja nicht ganz erfolglos. Ursprünglich war ja geplant, dass der Bundeszuschuss zur Bundesanstalt für Arbeit auf null gestellt wird. Das hätte bedeutet, dass die Arbeitsmarktpolitik drastisch hätte reduziert werden müssen, und das hätte unmittelbar mehr Arbeitslose bewirkt, vor allem in den neuen Bundesländern. Da ist uns die Bundesregierung auch gefolgt und hat den Bundeszuschuss auf zwei Milliarden Euro gestellt, so dass die Arbeitsmarktpolitik durchgehalten werden kann, dass wir hier keine Einbrüche befürchten müssen. Ich hoffe also, dass die Einsicht auch wächst, dass wir ohne zusätzliche Verbesserung der Infrastrukturprojekte und damit neuer Beschäftigung und zwar sofort nicht auskommen.
Heinlein: Der Kanzler seinerseits fordert von den Gewerkschaften jetzt auch Einsicht. Er fordert moderate Tarifabschlüsse, um der Konjunktur nicht weiter zu schaden. Werden denn die Gewerkschaften, wird der DGB dieser Bitte entsprechen?
Engelen-Kefer: Ich habe mit Genugtuung vernommen, dass der Bundeskanzler und im übrigen auch der Bundesfinanzminister und der Bundesarbeitsminister sowie im übrigen auch der Wirtschaftsminister sehr deutlich die Unternehmen an ihre Verantwortung mahnen, denn darum geht es ja. Die Gewerkschaften haben in der letzten Tarifrunde Vorleistungen erbracht. Sie haben die Beschäftigungssicherung in den Vordergrund gestellt, nämlich über die Förderung der Altersteilzeit, die ja auch wirkt, damit eben jüngere eine Beschäftigung finden. Die Unternehmen haben nicht das getan, was sie versprochen haben, nämlich den sehr, sehr hohen Berg an bezahlten Überstunden von 1,9 Milliarden abzubauen, in mehr Freizeit umzusetzen und somit die Beschäftigung zu stabilisieren. Das steht aus, das muss dringend gemacht werden. Aber die Gewerkschaften haben auch weitere Vorleistungen in den Tarifverträgen gebracht zu flexibleren Arbeitszeitgestaltungen, damit eben eine Alternative gegeben wird zu Entlassungen in schwierigen Zeiten. Ich hoffe, dass wir hier auch einiges erreichen können, dass die Unternehmen nämlich Verantwortung zeigen und nicht fantasielos die Menschen auf die Straße setzen.
Heinlein: Frau Engelen-Kefer, den Arbeitnehmern stehen ja ohnehin ab dem kommenden Jahr schwierige Zeiten bevor, denn die Krankenkassenbeiträge sollen im kommenden Jahr über 14 Prozent steigen. Läuft da nicht etwas verkehrt? Was wollen die Gewerkschaften unternehmen?
Engelen-Kefer: Ich glaube, dass die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung überfällig ist. Wir sind dabei, dies mit zu gestalten. Nur da darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und wie in der Vergangenheit die Reform auf dem Rücken der Patienten austragen, was im übrigen auch finanziell gar nichts bringt, sondern hier kommt es darauf an, dass die Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden. Die liegen auch bei den Leistungsanbietern und da müssen wir sehen, wie wir zu einer ausgewogenen Reform kommen, die alle entsprechend mit einbezieht. Wir werden daran mitwirken!
Heinlein: Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. - Frau Engelen-Kefer, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Engelen-Kefer: Auf Wiederhören Herr Heinlein.
Link: Interview als RealAudio