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"Kurzfristiger Erfolg sollte nicht die treibende Kraft sein"

Der Präsident der Bundesbank, Axel Weber, plädiert für ein langfristig orientiertes Boni-System für Bankmanager. Klar sei aber auch, dass bei Geschäftsverlusten diese Bonuszahlungen auch in Malusforderungen umgewandelt werden müssten.

Axel Weber im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Es geht um viel ab heute in Pittsburgh. Der Weltfinanzgipfel will die entscheidenden Weichen stellen, um eine Wiederholung der Finanzkrise künftig zu verhindern. Üppigen Managergehältern und Millionenboni soll der Kampf angesagt werden. Nach Jahren der Zockerei und des rücksichtslosen Gewinnstrebens soll die internationale Finanzwirtschaft an die Kandare genommen werden. Am Jahrestag der Lehman-Pleite Mitte September deutliche Worte von US-Präsident Obama.

    Barack Obama: Jedem muss klar sein, es wird keine Rückkehr zu rücksichtslosem Handeln geben, zu den unkontrollierten Geschäften, die durch schnelle Profite und hohe Boni motiviert waren. Wir sehen die Rückkehr zur Normalität, doch hören sie mir zu: Normalität darf nicht zu Gleichgültigkeit und Selbstzufriedenheit führen.

    Heinlein: Barack Obama Mitte September in seiner Rede an der Wall Street. Heute nun sollen den Worten Taten folgen. Nach Washington und London ist Pittsburgh bereits das dritte G20-Treffen innerhalb eines Jahres. Vor dieser Sendung habe ich mit Bundesbankpräsident Axel Weber über den Gipfel von Pittsburgh gesprochen. Guten Morgen, Herr Weber.

    Axel Weber: Ich grüße Sie! Schönen guten Morgen.

    Heinlein: Mehr Kontrolle, weniger Boni, wird das Leben nach Pittsburgh für Bankmanager künftig ungemütlicher?

    Weber: Es geht darum, die richtigen Anreize zu setzen, was Vergütungssysteme betrifft. Kurzfristiger Unternehmenserfolg sollte hier nicht mehr im Mittelpunkt stehen, langfristige Erfolgsorientierung ist unseres Erachtens gefordert. Wir brauchen auch ein angemessenes Verhältnis von festen und variablen Gehaltsteilen. All dies haben wir im Finanzstabilitätsforum beraten, wir haben es für Pittsburgh auf den Weg gebracht. Ich gehe davon aus, dass diese Eckpunkte dort auch verabschiedet werden. Also ich sehe dem Ganzen positiv entgegen. Ich denke, wir werden hier deutliche Änderungen in den Anreizstrukturen für Banken sehen.

    Heinlein: Wie müssen denn diese deutlichen Veränderungen konkret aussehen?

    Weber: Konkret wird vieles dann der Ausführung unter den beteiligten Banken natürlich anheimgestellt werden, aber ich denke, es ist wichtig, dass Boni-Strukturen nicht darin bestehen können, dass es garantierte Boni gibt - das ist nicht am Erfolg des Unternehmens gemessen – und kurzfristiger Erfolg sollte nicht die treibende Kraft sein. Darauf wollen wir hinaus und ich denke, wir werden das auch erreichen.

    Heinlein: Sie sagen, die Banken müssten das untereinander klären. Aber die Spielregeln müssen gemacht werden in Pittsburgh von der Politik?

    Weber: Die Spielregeln werden dort gemacht. Es wird Teil des aufsichtlichen Rahmens werden. Es wird Kontrolle geben, ob diese entsprechenden Regeln und Vorschläge in den Vergütungssystemen der Banken auch umgesetzt sind. Das heißt, wir setzen hier nicht auf reine Freiwilligkeit, sondern wir definieren einen Rahmen, den wir vorgeben. Dieser Rahmen kann dann im Detail ja in individuellen Anstellungsverträgen ausgestaltet werden, aber der Rahmen muss beachtet werden. Es kann keine Verträge und sollte keine Verträge geben, die diesen Rahmen sprengen oder ihn nicht berücksichtigen.

    Heinlein: Muss es, Herr Weber, eine absolute Höchstgrenze für Boni-Zahlungen geben?

    Weber: Ich glaube, absolute Höchstgrenzen sind nicht so sehr im Mittelpunkt dessen, was wir unter den Regulierungsbehörden als Erfolg versprechend durchsetzbar auf globaler Ebene bis jetzt diskutiert haben. Für uns ist es wichtig, dass wir ein vernünftiges, angemessenes Verhältnis zwischen festen und variablen Bestandteilen des Gehaltes bekommen. Und vergessen Sie bitte nicht: Die Kapitalregeln, die neuen, die wir jetzt auch auf den Weg bringen werden, die werden die Rentabilität des Bankensystems deutlich reduzieren. Der Kuchen wird kleiner, den es zu verteilen gibt, und das bedeutet natürlich auch ganz natürliche Grenzen, was die Boni- und Gehaltssummen insgesamt betrifft.

    Heinlein: Können Sie dieses Verhältnis, das Sie angesprochen haben, zwischen Festgehalt und Boni-Zahlungen noch genauer beziffern? Welches Verhältnis ist denn angemessen, 80/20 oder 90/10?

    Weber: Ich will mich jetzt hier im Vorfeld des Pittsburgher Gipfels nicht über die Beschlüsse dort äußern, die dann ganz konkret gefasst werden. Für uns ist es wichtig, dass man hier klare Eckpunkte definiert. Ich will aber jetzt hier nicht in konkrete Zahlenbeispiele einsteigen.

    Heinlein: Sollten denn auch Bankmanager Abzüge in ihren Boni bekommen, wenn sie Menschen falsch oder schlecht beraten?

    Weber: Es geht nicht nur um die Beratung, sondern es geht auch um den wirtschaftlichen Erfolg. Natürlich ist es so, wenn Sie sich einen Bonus-Pool vorstellen, dass der in guten Zeiten bei erfolgreichem Wirtschaften aufgebaut wird, aber es muss auch klar sein, dass dieser Pool wieder auch in der absoluten Höhe sinken kann. Bei Verlusten, die entstehen, werden letztendlich diese Bonuszahlungen auch in Malusforderungen umgewandelt werden müssen und der Bonuspool muss mittel- bis langfristig orientiert sein. Also natürlich sind solche Rückzahlungen oder die Reduktion dieser Bonuspools auch Teil der Vorschläge.

    Heinlein: Warum kann man Managern, Bankmanagern nicht einfach ein festes Gehalt zahlen wie überall anders? Warum braucht es überhaupt diese Boni?

    Weber: Ich denke, dass die Orientierung am Unternehmenserfolg und die Anreizstrukturen, die damit verbunden sind, durchaus wichtig sind. Ich denke nur, was man beseitigen muss, sind die Fehlanreizstrukturen, die über Kurzfristorientierung in den Boni-Systemen dann Platz gegriffen haben.

    Heinlein: Anreize schaffen, sagen Sie, ein Anreizsystem. Heißt das übersetzt, Boni-Zahlungen sind notwendig als zusätzliche Motivation, damit Bankmanager vernünftig arbeiten?

    Weber: Ich würde das nicht generell jetzt auf Bankmanager reduzieren. Wir haben eine Diskussion über ein Gehaltssystem, was bis jetzt Boni-Zahlungen eben nicht an nachhaltigem Unternehmenserfolg orientiert hat. Wir wollen diese Strukturen ändern und dementsprechend wollen wir in den Mittelpunkt stellen Langfristorientierung und Anreizkompatibilität, also Verträglichkeit der Anreizstrukturen für die Bezahlstruktur. Das ist, was die Staats- und Regierungschefs auf den Weg gebracht haben. Die generelle Debatte, das war nicht das Thema, was wir im Finanzstabilitätsforum beraten haben.

    Heinlein: Thema von Pittsburgh, Herr Weber, sind ja nicht nur die Managergehälter; es geht auch um eine bessere internationale Finanzaufsicht. Hier haben sich die Europäer auf eine klare Linie verständigt, ab 2010 strenge und einheitliche Kontrollen. Können Sie sich mit dieser Lösung anfreunden?

    Weber: Es gibt hier eine Reihe von Aspekten, die auf den Weg gebracht sind. Auch jetzt haben wir schon strenge Kontrollen, wir haben eine Kooperation der Aufsicht in den verschiedenen europäischen Ländern. Das europäische System wird sich weiterentwickeln, die europäischen Vorschläge sind hier Teil dieser Weiterentwicklungsvorschläge, aber sie liegen eben jetzt zunächst mal auf dem Tisch. Was an diesen Vorschlägen abweicht von dem jetzigen Diskussionsstand ist, dass hier ein System konstruiert wird, was ein Nebeneinander nationaler und europäischer Aufsicht konstruiert, und ich halte grundsätzlich und hielt bis jetzt auch diesen Ansatz für richtig. Deswegen: Wir brauchen mehr internationale Koordinierung der Aufsicht, in diese Richtung müssen wir gehen.

    Heinlein: Also könnten diese europäischen Vorschläge durchaus Vorbild sein für eine globale, für eine internationale Lösung?

    Weber: Auch dort ist es so, dass infolge der Krise die Kooperation der Finanzaufsichtsbehörden auch global im Rahmen der G20 so eng ist, wie sie noch nie war. Wir werden die Regeln der Finanzaufsicht global weiterentwickeln, global identische Standards für Eigenkapital, für Liquidität, für Vergütungssysteme, und ich denke, dass es wichtig ist, zum einen eine global orientierte Aufsicht zu haben, zum Zweiten aber auch identische Regeln, und das fehlte bis jetzt insbesondere. Hier brauchen wir einheitliche Regeln, die können wir dann auch viel einheitlicher global koordiniert kontrollieren. Also wir brauchen beides.

    Heinlein: Wie groß, Herr Weber, ist denn insgesamt die Gefahr, dass der Ehrgeiz zur Reform des globalen Finanzsystems nachlässt, je besser es ihnen, den Banken und der Wirtschaft, wieder geht?

    Weber: Wir als Regulatoren sehen natürlich, dass der nachlassende Reformeifer ein Problem sein könnte, und dementsprechend sind wir froh darüber, dass es jetzt im Kreis der G20, der Staats- und Regierungschefs, aber auch aller Regulatoren, auch der Finanzminister, einen breiten Konsens gibt für die Themen und die Agenda, die bei dem Weltfinanzgipfel vorangetrieben werden sollen. Wir müssen die systemischen Risiken, die von Banken ausgehen, eindämmen. Das ist uns allen klar und wir haben hier viele Projekte vorangebracht. Hier sind wir ein gutes Stück vorangekommen.

    Heinlein: Erwarten Sie also, dass in Pittsburgh mehr herauskommt als in London und Washington?

    Weber: London und Washington waren Vorbereitungen für diesen Pittsburgh-Gipfel. Wir arbeiten alle mit den Vorschlägen auf Pittsburgh hin. In Pittsburgh wird ein Paket auf dem Tisch liegen, was weitestgehend auch Konsens unter den Vorbereitungsgremien der Regulatoren war. Insofern gehe ich davon aus, Pittsburgh ist der Endpunkt dieses Prozesses, auf den wir alle hingearbeitet haben, und dieser Endpunkt wird natürlich deutlich mehr Fortschritt bringen als jeder der Zwischengipfel auf diesem Weg zu dem Gipfel von Pittsburgh.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Bundesbankpräsident Axel Weber. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Frankfurt.