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Labour-Party in Großbritannien
Das Erstarken der Euroskeptiker

Einmal in ihrer Geschichte, vor 40 Jahren, stimmten die Briten über ihre EU-Mitgliedschaft ab. Damals war die Labour-Party in der Frage noch gespalten, danach lange pro-europäisch. Bald aber könnte die Stimmung kippen: beim nächsten Referendum 2017. Beispielhaft für die Entwicklung steht Kate Hoey.

Von Martin Alioth | 31.08.2015
    Kate Hoey
    Kate Hoey: seit über einem Vierteljahrhundert im Unterhaus für die Labour-Party (AFP/Chris Jackson )
    Im Studentenquartier von Belfast herrscht sommerliche Betriebsamkeit. Hier begann auch die Labour-Politikerin Kate Hoey ihre Ausbildung, denn sie ist, obwohl sie seit über einem Vierteljahrhundert den Londoner Wahlkreis Vauxhall im Unterhaus vertritt, eine gebürtige Belfasterin. In ihren Studienjahren war sie Marxistin. Euroskepsis habe lange Zeit als Reservat der Rechten gegolten, aber das ändere sich jetzt, selbst innerhalb der Labour-Partei, sagt Hoey.
    In den letzten Jahren habe Labour zur Europapolitik vornehmlich geschwiegen, nur wenige Abgeordnete nähmen an Debatten teil. Erst wenn Themen wie die Einwanderung oder die Stimmengewinne der anti-europäischen UKIP-Partei das Thema hochspülten, weil Labour sich weigere, Grenzkontrollen einzuführen, wachten diese Kollegen auf.
    Neue Sicht der Linken auf die EU
    Die Bedrohung Labours durch UKIP, namentlich im Norden Englands, ist aber nur ein Faktor, der das Umdenken bestimmt. Relevanter vielleicht ist eine linke Kritik an der EU. Aus dieser Perspektive habe die EU aufgrund ihrer Obsession mit Wettbewerb und Märkten zum Beispiel die Privatisierung der britischen Post erzwungen, so Hoey.
    Unter geltendem EU-Recht wäre es auch nicht möglich, die britische Eisenbahn wieder zu verstaatlichen, wie das derzeit von einigen Kandidaten für den Vorsitz der Labour-Partei versprochen werde. In diesen Fragen denke die Linke eben anders: Für sie sei privates Kapital nicht die einzige Methode; multinationale Interessen hätten allzu viel Einfluss in Brüssel.
    Die Behandlung Griechenlands und die Resultate früherer Privatisierungen führten zu einer neuen Sicht der Linken auf die EU, die nicht mehr als eine wohlmeinende Organisation gesehen werde, die Grenzpfähle entferne und Sozialismus bringe.
    Hoey plant eine überparteiliche Koalition
    Aber so einfach sei es eben nicht. Hoeys Perspektive erhält zusätzliche Sprengkraft wegen der derzeitigen Wahl eines neuen Labour-Vorsitzenden. Der überraschende Vorsprung des Alt-Linken Jeremy Corbyn erschüttert alte Gewissheiten. Corbyn sei mit Abstand der euroskeptischste Kandidat. Das werde alles verändern.
    Hoey plant eine überparteiliche Koalition, die für einen Austritt aus der EU zu Felde ziehen werde. Sie verweist auf die historischen und kulturellen Bindungen an das Commonwealth, mit dem die Briten ein engeres Verhältnis hätten als mit zahlreichen europäischen Ländern, und sie hat auch schon ein Motto: "Nein danke, wir denken global." Die 69-Jährige ist zuversichtlich: Das Referendum sei eine Chance, die ergriffen werden müsse.