Zwar sind auf Deutschlands Straßen immer mehr E-Autos unterwegs, doch viele Pkw-Fahrer scheuen noch vor dem Umstieg auf ein Elektrofahrzeug zurück. Es gibt schlicht zu wenige Ladestationen – und dazu dauert das „Tanken“ mit Strom viel zu lange.
Das soll sich laut Bundesregierung nun ändern. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat am 19. Oktober 2022 den Masterplan Ladeinfrastruktur II vorgestellt.
Um das Fahren mit dem E-Auto attraktiver zu machen, soll es zukünftig deutlich mehr Strom-Tankstellen geben – sowohl in Städten, als auch auf dem Land. Das sei wichtig, um Deutschland fit zu machen für eine klimafreundliche Mobilität, so Wissing. Das Ziel der Bundesregierung ist es nämlich, die Treibhausgase, die durch den Verkehr entstehen, bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.
Was steht im Masterplan Ladeinfrastruktur II?
Der vom Kabinett beschlossene Plan zählt insgesamt 68 Maßnahmen auf, die den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranbringen sollen. Aktuell gibt es laut Bundesnetzagentur etwa 70.000 E-Ladesäulen – bis zum Jahr 2030 sollen es eine Million sein.
Im Zentrum des Papiers steht laut Bundesverkehrministerium die Nutzerfreundlichkeit. Autofahrerinnen und Autofahrer sollen unkompliziert eine E-Tankstelle finden und ihren Pkw schnell vollladen können. Einige Maßnahmen dafür sollen sein:
- Schnellladepunkte, von denen es aktuell 11.000 in Deutschland gibt, sollen ausgebaut werden. In 20 Minuten soll der Akku „vollgetankt“ sein.
- Digitalisierung: Autofahrer sollen schnell sehen können, ob eine Ladesäule frei ist und was der Strom kostet – ähnlich wie bei einer normalen Tankstelle.
- Standorte: Autofahrer sollen nicht lange rumfahren und nach einem Ladepunkt suchen müssen. An Autobahnen und Rastplätzen soll es mehr Angebote geben. Auch für Unternehmen soll es einfacher werden, Ladestationen auf eigenen Betriebsgeländen zu errichten – bürokratische Hürden sollen abgebaut werden.
- Selbstversorger: Wer sich selbst eine Wallbox angeschafft hat, um sein Auto zu laden, soll künftig selbsterzeugten Strom besser nutzen und ihn auch mit anderen teilen können. Besonders für Pkw-Fahrer im ländlichen Bereich, die eine Solaranlage auf dem Dach ihres Hauses installiert haben, soll diese Maßnahme attraktiv sein.
- LKW: In Zukunft sollen mehr Elektro-Lastwagen über die Autobahnen rollen. Dafür ist ein Schnellladenetz entlang der Hauptverkehrsachsen geplant.
Zur Umsetzung des Plans sind 6,3 Milliarden Euro vorgesehen.
Wie soll das deutsche Stromnetz dies leisten?
Als schwierigste Aufgabe bezeichnete Verkehrsminister Wissing die Integration ins Stromnetz, das rechtzeitig ausgebaut werden soll. Bisher betrage der Anteil von Elektroautos am Stromverbrauch 0,5 Prozent - 2030 seien es bei 15 Millionen E-Pkw 8 Prozent.
Die Netze müssen also dringend für den steigenden Bedarf gerüstet werden. Dazu heißt es vom Bundesverkehrministerium: „Mit der Bundesnetzagentur sowie den Netz- und Ladeinfrastrukturbetreibern werden die Prozesse für den Netzanschluss einfacher, transparenter und effizienter organisiert.“
Welche Reaktionen gibt es auf den Masterplan?
Zustimmung zu den Plänen gab es vom Verband der Automobilindustrie (VDA). In einer Pressemitteilung hieß es, die geplanten Maßnahmen seien sinnvoll und würden den Ladeinfrastrukturausbau spürbar beschleunigen.
Ähnlich äußerte sich Reinhard Zirpel, Präsident des Verbandes der Internationalen Kraftfahrzeughersteller. Er mahnte allerdings mehr Tempo an: „Der bei weitem größte Teil, der für die bis 2030 angestrebten 15 Millionen E-Fahrzeuge benötigten Ladepunkte, muss erst noch aufgebaut werden. Die Ladeinfrastruktur darf für den Erfolg der Elektromobilität nicht zum Flaschenhals werden.“
Kerstin Andreae, Chefin des Energiebranchenverbandes BDEW, kritisierte, der Masterplan verpasse die Chance, gezielt die Bremsklötze zu beseitigen, die viel zu lange aufseiten der öffentlichen Hand einen schnelleren Ladesäulenausbau erschwerten. So sei mehr Tempo bei Genehmigungen nötig und deutlich weniger Bürokratie bei Förderprogrammen.
Auch die Deutsche Umwelthilfe äußerte in der ARD-Tagesschau Bedenken wegen hoher bürokratischer Hürden. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch rief Verkehrsminister Volker Wissing dazu auf, auf „jahrelange Ausschreibungen und Bewerbungsvorgänge“ zu verzichten.
Laut Deutschlandfunk-Korrespondentin Nadine Lindner ist die Rolle der Automobilindustrie nicht klar definiert. Zwar sei die Branche als Akteur für die Umsetzung des Plans benannt, doch lasse das Papier konkrete Zahlen dazu vermissen.
Was plant die EU zur Ladeinfrastruktur?
Auch das Europäische Parlament hatte sich am 19. Oktober 2022 mit dem Thema Ladeinfrastrukutr auseinandergesetzt und sich für verbindliche Ziele für den Ausbau von Ladestellen für E-Autos ausgesprochen. Bis 2026 soll es mindestens alle 60 Kilometer eine Ladestation für E-Autos auf den größten Straßen in der EU geben, forderten die Abgeordneten in Straßburg.
Sie stimmten auch dafür, dass es für Lkw und Busse ab dem Jahr 2026 alle 60 Kilometer eine Ladestation geben soll, allerdings nur auf den bedeutendsten Straßen in der EU. Wasserstoff-Tankstellen soll es demnach bis 2028 alle 100 Kilometer geben.
Mit seiner Entscheidung legte das Parlament seine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über eine entsprechende EU-Verordnung fest.
Quellen: Deutschlandfunk, Bundesverkehrsministerium, dpa, VDA, VDIK, statista, vsc