Archiv

Flüchtlingsversorgung
Länder bekräftigen Forderung nach mehr Geld vom Bund

Zwei Tage vor einem Spitzengespräch zur Flüchtlingsfinanzierung bekräftigen die Länder ihre Forderungen nach mehr Geld vom Bund. Mit einmaligen Pauschalzahlungen sei es nicht getan, erklärte Niedersachsens Ministerpräsident Weil nach Beratungen mit seinen Amtskollegen und Vertretern der Kommunalverbände.

    Hendrik Wüst (CDU, l) Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, kommen nach der Ministerpräsidentenkonferenz in der Landesvertretung von Niedersachsen zu einer Pressekonferenz. Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Energiekrise und der Gaspreisdeckel.
    Hendrik Wüst (CDU, l) Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, im Oktober 2022 (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Weil betonte, die Zahlungen des Bundes müssten sich daran ausrichten, wie viele Menschen man tatsächlich aufgenommen habe. Zudem brauche man mehr Planungssicherheit, forderte der SPD-Politiker. Jedes Jahr neu über die finanziellen Mittel zu verhandeln, könne auch nicht im Interesse des Bundes sein. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wüst von der CDU verlangte eine "faire Lastenverteilung".
    Man brauche Ergebnisse, betonte auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Sager. Er forderte den Bund auf, die Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge vollständig zu übernehmen. Zudem müsse man die irreguläre Zuwanderung begrenzen.
    Die Bundesregierung appellierte an die Kompromissbereitschaft der Länder. Ihr Sprecher Hebestreit bekräftigte in Berlin, dass der Bund sich finanziell bereits in erheblichem Maße engagiert habe. Das Problem lasse sich nicht allein mit Geld lösen.
    Die Grünen-Vorsitzende Lang unterstützt in der Diskussion die Position der Länder. Sie wandte sich in der "Stuttgarter Zeitung" gegen eine bekanntgewordene Beschlussvorlage der Bundesregierung, in der keine wesentliche Erhöhung der Flüchtlingshilfen vorgesehen ist.

    Länder werfen Bund vor, falsche Berechnungen vorzulegen

    Am Mittwoch beraten Bund und Länder im Kanzleramt in Berlin über das Thema. Die Finanzminister der Länder fordern, dass der Bund seine finanzielle Unterstützung für Länder und Gemeinden ausweitet. In einem internen Papier heißt es, die Berechnungen des Kanzleramts seien falsch. Faktisch habe der Bund seine Hilfen in den vergangenen Jahren trotz steigender Flüchtlingszahlen sogar zurückgefahren. Über das Papier berichten die Nachrichtenagentur Reuters und die "Süddeutsche Zeitung".
    Die Landes-Finanzminister beziehen sich auf einen Entwurf für die Abschlusserklärung aus dem Kanzleramt, der unter anderem dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Darin beharrt der Bund darauf, die bisherigen Finanzhilfen für die verschiedenen Aspekte der Flüchtlingsbetreuung beizubehalten. Und er fordert von den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten, dass diese angeben sollen, wie viel Geld von der Bundes-Pauschale von 3,5 Milliarden Euro für die Kommunen sie 2022 überhaupt weitergeleitet haben.

    Bundeszahlen versus Länderzahlen

    Der Bund verweist darauf, dass er für 80 Prozent der Geflüchteten etwa 90 Prozent der Sozialleistungen übernehme. Sie kämen aus der Ukraine und erhielten Bürgergeld oder Sozialhilfe. Dafür habe der Bund im Jahr 2022 rund drei Milliarden Euro aufgewendet, 2023 seien circa fünf Milliarden Euro vorgesehen. Die Länder entgegnen, das berücksichtige nicht die Kosten für Integration, Betreuung, Kitas und Schulen. Zudem nehme die Zahl der Flüchtlinge zu, die nicht aus der Ukraine kommen und für die Länder und Kommunen die Kosten vollständig übernehmen müssten. Ihre Zahl liege im ersten Quartal dieses Jahres um 80 Prozent über dem Niveau des vergangenen Jahres. Der Bund beziehe sich bei seinen Berechnungen auf die Zahlen des vergangenen Jahres.
    Der Bund argumentiert, dass laut Grundgesetz Länder und Kommunen für die Finanzierung der Flüchtlinge zuständig seien und er in den vergangenen Jahren freiwillig Leistungen übernommen habe, die sich im Jahr 2023 über verschiedene Töpfe ohnehin schon auf 15,6 Milliarden Euro belaufen würden. Die Finanzminister der Länder bestreiten das. In ihrem Papier heißt es: Der bisherige Höhepunkt von Bundesleistungen an die Länder im Rahmen der Flüchtlingsfinanzierung lag im Jahr 2016 bei 9,1 Milliarden Euro. "Im Jahr 2023 gibt der Bund an Länder fluchtbedingte Leistungen von insgesamt 2,75 Milliarden Euro. Im Jahr 2024 fällt der Betrag auf 1,25 Milliarden Euro und bleibt nach geltendem Recht unverändert auf diesem Niveau."

    Forderungen der Bundesländer

    Die Länder verlangen eine Rückkehr zu einer Fallpauschale pro Flüchtling. Dieses Modell gab es bis Ende 2021. Die Pauschale müsse aber wegen gestiegener Kosten von 670 Euro pro Monat auf 1.000 Euro angehoben werden. Zudem wollen sie eine Pauschale für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und eine vollständige Erstattung der Kosten für die Unterkünfte der Flüchtlinge.
    Hessens Ministerpräsident Rhein, CDU, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Städte, Gemeinden und Landkreise brauchten für Unterbringung und Integration der Flüchtlinge deutlich mehr Geld. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wüst von der CDU sagte der "Rheinischen Post", parteiübergreifend habe man sich verständigt, dass sich der Bund und die Länder die Kosten teilen sollten.
    Unterstützung bekamen sie von der Grünen-Bundesvorsitzenden Lang. In der "Stuttgarter Zeitung" wird sie mit den Worten zitiert, die Kommunen hätten im vergangenen Jahr Unglaubliches geleistet. Es gebe ein gemeinsames Interesse, dass vor Ort gute Lösungen entstünden.

    Verteilung von Flüchtlingen und Zäune an den Außengrenzen

    Die Linkspartei hat der Bundesregierung ein Versagen in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Bartsch, sagte im Deutschlandfunk, die Probleme müssten anders angepackt werden. Es müsse eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge in der EU geben. Zudem kritisierte er Überlegungen, an den EU-Außengrenzen Zäune zu errichten. Mauern und Stacheldraht würden überhaupt nichts bringen, wenn Flüchtlinge mit Booten über das Meer kämen, betonte Bartsch.
    Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff, ebenfalls CDU, sagte der "Bild am Sonntag", die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass Zuwanderung gesteuert werde. Bayerns Regierungschef Söder, CSU, drohte, Herkunftsstaaten, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, Hilfen zu kürzen.

    Forderungen von der Bundespolizei

    Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Teggatz, sprach sich im Deutschlandfunk für Grenzkontrollen aus und argumentierte mit der Politik der EU-Nachbarstaaten, die sich nicht an die Schengen-Regeln hielten. "Das europäische Problem ist die Tatsache, dass entweder Schengen-Vertragsstaaten wie Griechenland, Italien und Spanien beispielsweise die notwendigen Registrierungen nicht vornehmen und die Verfahren nicht führen, oder aber andere Schengen-Staaten, die genau diese Menschen einfach durchwinken." Als Lösung blieben nur noch Grenzkontrollen, sagte Teggatz, dann könnten die Menschen an der Grenze auch zurückgewiesen werden.
    Diese Nachricht wurde am 08.05.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.