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Länderfinanzausgleich

Engels:Es gibt kaum ein Thema zwischen Bund und Ländern, um das seit Jahren so verbissen gerungen wird, wie um den Länderfinanzausgleich. Die Zahlungen der Länder untereinander sowie die Zuschüsse des Bundes dienen einem einzigen Ziel: Ausgeglichene Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu schaffen. Die Geberländer sahen sich allerdings durch das bestehende System benachteiligt, und das Bundesverfassungsgericht hat ihnen 1999 recht gegeben. Der Länderfinanzausgleich muss verändert werden. Doch darüber müssen sich nicht nur die Länder untereinander, sondern auch mit dem Bund einigen. Nachdem die Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche Eckpunkte für einen Kompromiss erzielten, konterte das Bundesfinanzministerium am Donnerstag mit einem eigenen Entwurf für das sogenannte ‚Maßstäbegesetz‘. Das trifft bei den Ländern nicht auf Begeisterung. Verbunden bin ich nun mit dem Bürgermeister von Bremen, Henning Scherf Er gehört der SPD an. Guten Morgen Herr Scherf.

    Scherf: Guten Morgen.

    Engels:Was ist denn nun so schlecht an dem Vorschlag von Bundesfinanzminister Eichel?

    Scherf: In Ihrer Anmoderation haben Sie etwas Falsches gesagt. Das Bundesverfassungsgericht hat den drei Südländern nicht recht gegeben, sondern hat ihre Klage ohne Ausnahme abgewiesen. Nur hat er in dem Text – dem Urteilstext – gesagt: ‚Ihr müsst neu verhandeln‘. Aber das Ziel war, das der bisherige Länderfinanzausgleich für verfassungswidrig erklärt würde – dies alles hat das Bundesverfassungsgericht nicht gemacht. Das wird aber strickt durch die ganze Republik anders weitergegeben. Das wollte ich Ihnen nur freundlich zu Ihrer Anmoderation sagen. Und im übrigen, zu dem Vorschlag vom Bund: Wir sind am letzten Wochenende davon ausgegangen – alle 16 –, dass aus dem Bundesfinanzministerium ein Vorschlag zum Maßstäbegesetz droht, der am 14. Februar in das Kabinett soll und da wahrscheinlich auch verabschiedet wird, der nicht mit uns abgestimmt ist und darum unsere Kritik provozieren wird. Und dafür wollten wir eine gemeinsame Ausgangsposition finden, und die haben wir in Wiesbaden gefunden. Sie besteht darin: Wir 16 schlagen vor, dass wir bei den zukünftigen Verhandlungen – die fangen ja jetzt erst an, wir sind nicht am Ende, sondern gerade am Anfang – einen Korridor finden, der die zukünftigen Ausschläge im Länderfinanzausgleich – sowie für die gebenden wie die nehmenden Länder – nicht über plus/minus 12 Mark pro Einwohner ausschlagen lässt. Das ist für alle ein Versuch, die Lage so berechenbar zu halten, dass niemand unter die Räder kommt. Daran hat sich das Bundesfinanzministerium nicht gehalten. Wir haben dann weiter gemeinsam vorgeschlagen, dass wir die Bundesergänzungszuweisungen senken wollen, und dass wir dagegen aber Umsatzsteuerpunkte rechnen wollen. Das möchte der Bundesfinanzminister auch nicht. Und darum sind wir jetzt nicht überrascht, dass dieser erste Vorschlag nicht auf unsere Vorschläge eingeht.

    Engels: Wenn ich Sie recht verstehe, dann waren Sie ja davon ausgegangen von Ihrem Kompromisspapier, dass der Bund bei seiner bisherigen Zahlerrolle – in Grundzügen zumindest – bleibt. Er will sich aber zurückziehen aus dieser Rolle, indem beispielsweise die kommunale Finanzkraft der Länder stärker, nämlich jetzt zu 100 Prozent eingerechnet, werden soll. Der Rückzug des Bundes – das hört sich vernünftig an. Warum sollte das nicht der Weg sein?

    Scherf: Man kommt überhaupt nicht voran, wenn man auf einen Konsens aus ist, dass irgendeiner von unseren 16 Bundesländern plus der Bund – also von uns 17 Akteuren – meint, bei diesem Verhandeln den großen Reibach machen zu können. Wenn das Ausgangslage ist, kommen wir nie auf einen grünen Zweig. Also, wir müssen im Umgang untereinander und auch im Umgang Länder auf der einen Seite und Bund auf der anderen Seite klarstellen: Es kann nicht so sein, dass der eine sich saniert und die anderen sitzen in der Tinte. Und das versucht der Kollege Hans Eichel. Wenn er – wie früher – Ministerpräsident in Hessen wäre, würde er jetzt genau so reden wie ich.

    Engels: Einer in der Tinte – sagen Sie. Bremen ist ja seit Jahren und Jahrzehnten Empfängerland. Wie sieht es denn aus? Der Bund hat ja zumindest in seinem Vorschlag vorgeschlagen, das Stadtstaatenprivileg zu erhalten. Das heißt, Bewohner der Städte werden stärker gewichtet. Das würde Ihnen zugute kommen. Warum genügt Ihnen das nicht?

    Scherf: Es ist ein Eckpunkt, der ist ganz wichtig, der auch übrigens vom Bundesverfassungsgericht nicht prinzipiell in Frage gestellt worden ist, sondern wo nur gesagt worden ist: ‚Ihr müsst nachrechnen, ob das eigentlich ausreichend ist‘. Also, wir haben da einen Auftrag bekommen, zusätzlich zu argumentieren, ob das geht. Der Hintergrund ist übrigens der, dass wir nicht arm sind – die Hamburger und die Bremer sind nicht arm –, sondern wir sind die mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt. Uns wird das Geld, das wir selber erwirtschaften, weggenommen - dadurch, dass bei uns in Bremen über 30 Prozent Pendler sind, die Arbeiten in Bremen erwirtschaften, die Steuern zahlen hier in Bremen. Wir kassieren sie auch in Bremen ein und anschließend dürfen wir sie wieder aus der Hand geben, weil die hier nicht in Bremen wohnen. Dieser Ausgleich, der trifft besonders hart die Stadtstaaten, weil die nicht innerhalb des Flächenlandes ausgleichen können – wie in Düsseldorf und wie in Stuttgart und wie in München – mit hohen Werten. In München 175, in Stuttgart 185 sind die jeweiligen Einwohner der Landeshauptstädte in den Landesausgleich einbezogen worden. Da geht es um uns; das ist nur eine Sache. Wir kämpfen um vieles darüber hinaus.

    Engels: Aber auf der anderen Seite ist das Stadtstaatenprivileg, wie es Hans Eichel in der bewahrenden Form vorschlägt, doch durchaus reizvoll, vielleicht dann doch dem Bund zuzustimmen.

    Scherf: Ich sage doch, das ist eine der vielen Stellschrauben - so nennen wir das -, mit der man diesen Ausgleich versucht, zu balancieren. Dass die vom Bund nicht umstritten wird, ist gut. Aber damit sind wir nicht am Ende, damit haben wir nicht das Ergebnis zu Ende gebracht, sondern wir müssen sehr genau ausbalancieren, wie denn die Finanzströme untereinander weiterfließen. Es gibt ein Vielfaches, als dies Stadtstaatenklausel – ein Vielfaches in dem Umverteilungsprozess: Bundesergän-zungszugabe einerseits und Umsatzsteuerpunkte andererseits. Da müssen wir zu Verständigungen kommen.

    Engels: : In welche Richtung muss denn Hans Eichel Ihrer Meinung nach nachbessern?

    Scherf: Ja, ich kann jetzt keinen einzelnen Vorschlag machen, sondern ich kann nur sagen, wir müssen eine ganze Reihe von Stellschrauben noch versuchen, auszutangieren. Das ist übrigens unsern Finanzministern aufgetragen worden. Die sitzen da bis Mitte März dran – so lange dauert das –, um auf der Wiesbadener Basis einen belastbaren, tragfähigen Kompromiss zwischen unseren 16 Ländern zu finden. Erst wenn diese Runde durch ist, kann ich Ihnen Auskunft geben, wo wir mit dem Bund nachverhandeln müssen. Wir müssen verhandeln, das weiß Hans Eichel, das weiß übrigens auch der Kanzler, und wir haben uns eine Frist gesetzt, dass das Ganze bis Juni über die Bühne kommt. Also, dann werde ich Ihnen alles im Detail erklären können.

    Engels: Drehen wir das Spiel mal etwas weiter. Für die Zustimmung zur Steuerreform im vergangenen Jahr hat Bremen vom Bund Vergünstigungen zugesichert bekommen. Machen Sie nun etwaige Nachbesserungen beim Länderfinanzausgleich zur Bedingung, für die Zustimmung beispielsweise zur Rentenreform im Bundesrat?

    Scherf: Also, der Kanzler hat mir in einem freundschaftlichen Gespräch gesagt, dass man das sorgfältig auseinanderhalten muss und dass man da nicht ein gigantisches Paket stricken muss. Wir müssen sehen, dass wir bei der Rentenreform, bei der Frage, ob wir diesen Teil, der zustimmungspflichtig ist – ein Großteil ist ja überhaupt nicht zustimmungspflichtig, der geht, egal wie der Bundesrat votiert, sowieso durchs Gesetz –, aber wir müssen den Teil nehmen, wo die Privataltersversorgung von der Bundesregierung strukturiert worden ist, der ist zustimmungspflichtig, den müssen wir beraten. Das geht über den Vermittlungsaus-schuss nach meiner Einschätzung, und ich kann Ihnen beim besten Willen nicht das Ergebnis des Vermittlungsausschusses jetzt vorhersagen. Ich kann nur sagen: Wir sind konstruktiv; wir sind so konstruktiv, wie wir es in den ganzen Jahren zuvor auch gewesen sind. An dem kleinen Bremen sollen eigentlich gute Konsense nicht scheitern. Darauf setzen viele, nicht nur der Bundeskanzler, sondern andere auch.

    Engels: Noch im letzten Jahr waren Sie sehr optimistisch, sich rasch über die Neuregelung des Länderfinanzausgleiches zu einigen...

    Scherf:. . . stimmt, stimmt . . .

    Engels:... bleiben Sie das immer noch?

    Scherf: Ja, ich bin ein Optimist, also, ich gebe nicht auf. Aber das ist eines der kompliziertesten Verhandlungsgegenstände, die es überhaupt in der Bundesrepublik gibt. Und es geht da nicht um Lappalien, sondern es geht da für alle Beteiligten um fundamentale Großgigantenfragen. Wenn wir die nicht hinkriegen, dann läuft ganz vieles andere nicht. Und darum muss man die Geduld haben, so einen langen Bogen – mit übrigens drei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht; wir haben inzwischen drei Urteile des Bundesverfassungsgerichts – 86, 92 und 99 –, alle drei Urteile müssen im Kopf bleiben. Ich kenne sie auswendig, so drin bin ich in dieser Sache. Und dies ist der Hintergrund, und ich hoffe immer fröhlich weiter, dass wir diese Verständigung hinkriegen.

    Engels: Henning Scherf war das. Er ist der Bürgermeister von Bremen. Herr Scherf ich bedanke mich.

    Scherf: Ja, bitte. Ein schönes Wochenende.

    Link: Interview als RealAudio