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Lärmpausen am Frankfurter Flughafen
Bilanz nach einem Monat Praxistest

Seit einem Monat werden am Frankfurter Flughafen am frühen Morgen und späten Abend probeweise einzelne Bahnen für Starts und Landungen gesperrt. Dadurch sollen die Menschen teilweise zusätzlich zum Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr eine Stunde länger Nachtruhe haben. Was genau bringt das Konzept?

Von Ludger Fittkau | 27.05.2015
    Eine Maschine der Lufthansa ist am 29.09.2014 am Flughafen von Frankfurt am Main (Hessen) nahe eines Stoppschilds im Landeanflug.
    Immer wieder werden in den Randzeiten einzelne Landebahnen nicht angeflogen. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Steinheim am Main könnte eine Idylle sein. Fachwerkhäuser in einer schönen Altstadt, überragt vom runden weißen Turm eines Schlosses. Auffallend viele Apfelwein-Kneipen in den mittelalterlichen Gassen des 13.000 Einwohner-Ortes, der seit 40 Jahren zur Stadt Hanau gehört.
    Doch schon lange leidet Steinheim unter dem Fluglärm. Denn der Ort liegt in der Einflugschneise des Flughafens Frankfurt am Main. Die 60 Jahre alte Renate Nolte ist in Steinheim geboren und lebt bis heute hier. Von den Lärmpausen, die seit einem Monat Steinheim morgens entlasten sollen, hat sie noch nichts gemerkt. Im Gegenteil:
    "Es ist viel mehr, es kommt aus allen Richtungen, Süd, Ost, West, Nord. Aus allen."
    Das gilt für den Abend – doch zum Ausgleich sollen nun zwischen fünf und sechs Uhr morgens weniger Flugzeuge über Steinheim den Rhein-Main-Airport ansteuern. Im Gegensatz zu Renate Nolte, die das am frühen Morgen noch nicht registriert hat, nimmt der Steinheimer Willi Schäfer die Veränderungen durch die morgendlichen Lärmpausen durchaus wahr:
    "Manchmal ist es so, dass kein Lärm da ist. Plötzlich kein Lärm. Das empfindet man unheimlich positiv. Und dann irgendwann fängt es an, wenn man draußen sitzt, dann kommen im Minutentakt die Flieger rein."
    Zusätzliche Entlastungen vor und nach dem Nachtflugverbot
    Als Erfinder des Lärmpausen-Modells gilt Tarek Al Wazir, der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister. Im ersten Monat nach Einführung des Modells habe die Bündelung des Flugverkehrs auf bestimmten Landebahnen in den Morgen- und Abendstunden in drei von vier Fällen funktioniert, bilanziert der Politiker der Grünen:
    "Es zeigt sich, dass das System sehr viel stabiler läuft, als die Skeptiker vorher befürchtet haben. Und das macht es möglich, Menschen jeweils zusätzlich zu entlasten, weil wir eben eine Bahn aus dem Betrieb nehmen in der Stunde vor oder nach dem Nachtflugverbot."
    Das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen gilt von 23.00 Uhr abends bis 5 Uhr morgens. Jeweils in der Stunde davor und danach wird der Flugverkehr jetzt zusätzlich gebündelt, um abwechselnd Flughafen-Anwohnern eine Extra- Lärmpause zu verschaffen. Dadurch, dass immer mal eine Landebahn über ihrem Ort gesperrt ist.
    Steinheim am Main gehört zu den Gemeinden, die in dieses Lärmpausenmodell einbezogen sind. Doch bei den Gesprächen in der Altstadt zeigt sich schnell: Von Entlastungen spüren die meisten nichts. Der massive Fluglärm, der weiterhin den ganzen Tag lang herrscht, bestimmt die Wahrnehmung wie bisher. Peter Wilkens flaniert zwar manchmal mit seiner Familie durch die schönen Steinheimer Gassen, doch immer leben will er hier nicht mehr:
    "Ich habe aber mal in Steinheim gewohnt und das war furchtbar. Ich bin wegen dem Fluglärm aus Steinheim weggezogen."
    "Sie fliegen knapp über die Häuser. Also ich würde sagen, irgendwann landet einer auf dem Turm."
    Viele sind noch nicht zufrieden
    Auf dem markanten Turm des Steinheimer Schlosses nämlich. Galgenhumor. Der Grünen-Politiker und stellvertretende hessische Ministerpräsident Tarek Al Wazir weiß, dass viele Menschen rund um den Flughafen mit seinem Lärmpausenmodell nach vier Wochen noch nicht zufrieden sind:
    "Ich verstehe, dass es manche Betroffene gibt die sagen: Dass reicht mir nicht. Das versteh ich sehr gut. Aber man muss durchaus sehen, dass wir da gerade Pionierarbeit machen. Und Pionierarbeit, die hat nicht sofort Ergebnisse, die alle zufrieden stellen. Aber langfristig ist das ein wirklicher Gewinn."
    Ob Steinheim am Main langfristig von der Lärmpausen oder anderen Maßnahmen zur Fluglärmreduzierung profitieren wird, daran zweifeln noch viele Bürger des Ortes, der seit 1974 zur Stadt Hanau gehört. Manche Steinheimer argwöhnen, es sei für sie ein Nachteil, dass das Hanauer Rathaus auf der anderen, der nördlichen Mainseite liegt. Die Politik kümmere sich nicht genug um den Stadtteil am Südufer – insbesondere bei Thema Fluglärm. Das bekommt man in den Steinheimer Gassen bisweilen zu hören. Doch man trifft auch auf Leute wie Silke Endres, die den Fluglärm in ihrem Alltag ziemlich gut ausblenden können:
    "Man ist das gewohnt. Hat man ein Haus an der Bahn, hört man die nicht mehr. Wohnt man an der Hauptstraße, hört man den Lärm von den Autos auch nicht. Wohnt man da, wo ein Flugzeug drüber geht, hört man das nicht mehr. Hört man da, wie eine Glocke ist, hört man die nicht mehr. So einfach ist das."
    So einfach ist das aber längst nicht für alle rund um den Rhein-Main-Flughafen. Deswegen wird der Fluglärm hier weiterhin ein großes Thema bleiben – Lärmpausen hin oder her.