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Lambsdorff: Deutsche Post bereit für den Wettbewerb

In Straßburg haben sich gestern die EU-Abgeordneten dafür ausgesprochen, das Postmonopol für Briefe unter 50 Gramm erst 2011 zu kippen. Nach Ansicht des wirtschaftspolitischen Sprechers der FDP im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, ist es der Bundesregierung nicht gelungen, die deutschen Interessen auf europäischer Ebene durchzusetzen. Die Deutsche Post habe sich längst auf den Wettbewerb eingestellt und hätte sich im EU-Ausland schon umschauen können. Das sei nun erst im Jahr 2011 möglich.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski : Im Straßburger Europaparlament haben sich gestern die Abgeordneten mit 512 zu 155 Stimmen dafür ausgesprochen, das Postmonopol für Briefe unter 50 Gramm erst 2011 zu kippen. Davon profitiert auch die Deutsche Post, der die Auslieferung von Briefen bis 50 Gramm in Deutschland vorbehalten ist. Die EU-Kommission wollte die Freigabe der Märkte schon von 2009 an, nun müssen sich Parlament und Rat noch einigen. Es wird aber damit gerechnet, dass die Parlamentsposition dem Endergebnis entspricht. Bis 2011 also bleibt das Monopol. Ist das nun gut für die Post und den Verbraucher, also die Empfänger? Dazu begrüße ich den Europaabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff, er ist der wirtschaftspolitische Sprecher der Liberalen in Straßburg. Guten Morgen, Herr Lambsdorff.

    Alexander Graf Lambsdorff:Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Lambsdorff, Ihre Kollegen haben beschlossen, das Monopol zu verlängern, Oma Hansen auf der Hallig darf aufatmen, die Inselbewohner in der Ägäis auch, sie bekommen weiterhin Briefe über das Wasser zugestellt. Müsste das Monopol nicht im Sinne einer Grund- oder Universalversorgung, also im Sinne des Gemeinwohls sowieso erhalten bleiben?

    Graf Lambsdorff: Nein, ich glaube, das wäre die vollkommen falsche Schlussfolgerung. Es gibt ja bereits Beispiele, wo in Europa die Zustellung frei gegeben worden ist - denken Sie an England, denken Sie an Skandinavien. Dort hat sich der Service verbessert und nicht verschlechtert. Denken Sie im Übrigen bei uns in Deutschland auch an die Paketdienste, die sind schon seit langem freigegeben. Päckchen und Pakete können Sie mit jedem verschicken, der Ihnen diese Leistung anbietet. Und auch da ist mir nicht bekannt, dass sich nicht nur die Inselbewohner, sondern auch die bayerischen Bergstämme darüber beklagen würden, dass sie weniger Pakete als in der Vergangenheit zugestellt bekämen.

    Liminski: Über die Sondergewinne aus dem Briefmonopol haben die Postkonzerne aber die teure Versorgung auch für die bayerischen Bergstämme gesichert. Bedeutet mehr Wettbewerb nicht auch weniger Service?

    Graf Lambsdorff: Nein, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Wettbewerber müssen sich um Kunden bemühen. Um diese Kunden zu erreichen, müssen sie ihnen einen Service anbieten, der dazu führt, dass die Kunden die Leistungen des Unternehmens weiter in Anspruch nehmen. Auch hier denken Sie doch an liberalisierte Bereiche wie zum Beispiel den Handymarkt. Natürlich gibt es durch den Wettbewerb dort besseren Service, nicht schlechteren als zu Zeiten, als noch die Deutsche Bundespost alleine über das Telefon entschied. Wettbewerb sorgt für besseren Service, nicht für schlechteren.

    Liminski: In drei Ländern gibt es kein Postmonopol mehr. Sie haben eben Großbritannien genannt, Finnland, Schweden. In den anderen EU-Ländern jetzt aber noch bis 2011. Wie kann man diese Wettbewerbsverzerrung unterbinden? Vielleicht mit einer neuen Richtlinie oder über den Europäischen Gerichtshof?

    Graf Lambsdorff: Na ja, das Problem, was wir hier haben, ist natürlich, dass in gewisser Weise hier ein Etikettenschwindel zum Teil betrieben worden ist, wenn es heißt, jetzt habe das Europaparlament die Freigabe des Briefmonopols beschlossen oder aber etwa der Postdiensteliberalisierung zugestimmt. Diese Freigabe ist ja schon seit langem, seit sehr langem in der Diskussion. Die erste Diskussion begann 1991. Wir haben eine Richtlinie aus dem Jahr 1997, wir haben eine weitere aus dem Jahr 2002. Die Postdienstleister, die sich darauf bisher nicht eingestellt haben, die müssen jetzt sich sputen, um es bis 2011 tatsächlich zu schaffen sich vorzubereiten. Im übrigen muss man eines auch sagen, es ist der Bundesregierung hier nicht gelungen, auf europäischer Ebene deutsche Interessen durchzusetzen, denn die Deutsche Post hat sich bereits auf den Wettbewerb eingestellt, 2008 soll ja in Deutschland das Monopol fallen, was ich auch für richtig halte. Aber ich glaube, dass in unserem Interesse es gewesen wäre, wenn man in Europa tatsächlich beim ursprünglichen, lange schon feststehenden Datum 2009 geblieben wäre und nicht jetzt diese Verschiebung auf 2011 hingenommen hätte.

    Liminski: Das heißt, die Wettbewerbsverzerrung kann auf nationalem Weg umgangen oder unterlaufen werden? In Deutschland soll das Monopol also schon nächstes Jahr aufgehoben werden?

    Graf Lambsdorff: Ja, ich glaube, dass das vollkommen in Ordnung ist. Sie dürfen eines nicht vergessen: Postdienstleistungen sind so genannte netzwerkgebundene Dienstleistungen. Das heißt, sie haben Briefkästen, sie haben Postämter und Postagenturen, sie haben ein ganzes Netzwerk flächendeckend in ihrem Gebiet, dass sie bedienen. Es wäre also vollkommen undenkbar im Grunde, dass in kürzester Zeit hier andere ein ähnliches Netzwerk aufbauen und der Deutschen Post das Wasser abgraben. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Deutsche Post ist sehr wettbewerbsfähig, sie hat es in Deutschland schon geschafft, sich vorzubereiten auf den Wettbewerb. Die könnte sich in der Tat im Ausland schon umgucken. Und das ist durch die Verschiebung jetzt leider nicht möglich.

    Liminski: In der Politik gibt es durchaus Stimmen, das Monopol eine Zeit lang noch aufrecht zu erhalten, die SPD zum Beispiel. Ihr könnte man entgegenkommen, in dem man die Postbranche in das Entsendegesetz aufnähme, also Mindestlöhne bei der Post einführte. Dann, so hat gestern ein Sprecher von Arbeitsminister Müntefering gesagt, wären die Sorgen wegen einer Liberalisierung des Postmarkts erheblich gelindert. Und in dieselbe Richtung gehen Äußerungen von SPD-Chef Beck heute in der FAZ, dadurch wäre die Gefahr von Dumpinglöhnen für die Arbeitnehmern der Branche gebannt. Ist das der richtige Weg?

    Graf Lambsdorff: Das ist Populismus pur. Es ist Rot-Grün gewesen, das die Freigabe des Postmonopols in Deutschland bereits 2008 beschlossen hat. Damals hat man in überhaupt gar keiner Weise über solche Themen nachgedacht. Jetzt plötzlich, wo die Freigabe auf europäischer Ebene erneut diskutiert wird, im Übrigen mit dem Ergebnis einer Verschiebung, kommt die SPD mit derartigen Forderungen. Was das allerdings zeigt, ist, den zweiten Teil des Etikettenschwindels, was die Liberalisierung angeht. Wir haben eine Verschiebung, wir haben national festzulegende Lizenzaufgaben für neue Anbieter in den Märkten, das heißt, jeder Staat kann Lizenzen vergeben. Wir haben eine Beteiligung der neuen Anbieter an der Finanzierung der allgemeinen Versorgung. Und wir bekommen genau das in ganz Europa, was Herr Beck jetzt hier vorexerziert, nämlich eine Debatte über die Arbeitsbedingungen bei den neuen Anbietern. Ich halte das alles für protektionistisches Wortgeklingel und glaube, dass wir uns darauf nicht einlassen sollten.

    Liminski: Halten Sie die Entscheidung des Europaparlaments gestern für eine verpasste Chance für den Wettbewerb?

    Graf Lambsdorff: Ja und Nein. Das Europaparlament war in gewisser Weise darauf angewiesen, auch auf eine Einigung mit dem Rat hinzuwirken. In Rat sitzen ja die Mitgliedsstaaten, da sitzt für uns Herr Glos, dem es wie gesagt nicht gelungen ist, deutsche Interessen da durchzusetzen. Und im Rat gab es nach wie vor eine Blockadegruppe von Ländern, die der Liberalisierung 2009 nicht zustimmen wollten. Das Europäische Parlament hätte nach meinem dafürhalten zwar für 2009 jetzt stimmen sollen, um anschließend in Verhandlungen mit dem Rat ein besseres Ergebnis zu erzielen. Andererseits, Rat und Parlament sind gemeinsam Gesetzgeber und man muss sich einigen. Es war absehbar, dass im Rat eine Mehrheit für ein Ja vor 2011 nicht zu erzielen war.

    Liminski: Halbverpasste Chance für den Wettbewerb in der europäischen Postbranche. Das war der wirtschaftspolitische Sprecher der Liberalen im Europaparlament Alexander Graf Lambsdorff, FDP. Besten Dank für das Gespräch, Herr Lambsdorff.