Friedbert Meurer: Moskau und Minsk haben mit ziemlich harten Bandagen gegeneinander gekämpft, aber eben auch mit den bekannten Konsequenzen für uns. Wie sehr muss uns der Vorgang der letzten Tage weiter noch beunruhigen?
Otto Graf Lambsdorff: Der muss uns genauso beunruhigen wie seinerzeit der Vorgang in der Ukraine. Was die Russen dort tun, hat mit Zuverlässigkeit eines Lieferanten nichts mehr zu tun. Insofern war die Sowjetunion zuverlässiger als die jetzige russische Regierung. Das ist außerdem ein Hinweis darauf, dass die Ostseepipeline eine gefährliche Einrichtung ist, denn dort wird man natürlich versuchen, Länder zu umgehen und die Abhängigkeit Deutschlands zu vergrößern.
Frau Merkel hat eine schwierige Position: Sie muss das Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union neu aushandeln und neu vereinbaren, das wird schon schwierig sein, sie muss den Russen noch einmal sagen, dass sie die Energiecharta unterschreiben sollten. Das haben sie schon in Finnland abgelehnt, das werden sie auch hier nicht tun. Und die Europäische Union verhandelt jetzt nicht aus einer Position der Stärke - leider. Vor allen Dingen, wenn einzelne Gesellschaften, und dazu muss man leider auch deutsche Gesellschaften zählen, mit den Russen, mit Gasprom, und Gasprom ist in Russland sehr stark, Vereinbarungen treffen, dann gibt es keine einheitliche europäische Front. Und die brauchen wir, wenn man einem Monopolisten, wie es nun mal Russland insbesondere im Falle der Gaslieferungen ist, entgegentreten will.
Meurer: Ich nehme Ihre Bemerkung zu der Gaspipeline durch die Ostsee. Warum soll das für uns gefährlich sein, sie macht uns doch unabhängig von Transitstreitereien?
Lambsdorff: Sie macht uns einerseits natürlich politischen Ärger, den auch wir ausbaden müssen mit den Polen und mit den baltischen Staaten. Und zum anderen sind wir einzig und allein betroffen von einer möglichen Kürzung und Sperrung durch diese Pipeline. Das ist nun der einzige Vorteil, den wir jetzt gesehen haben, dass Russland nicht einfach jemandem den Hahn abdrehen kann, ohne dass andere mitbetroffen werden. Wenn die Ostseepipeline erstmal besteht, besteht diese Gefahr nicht mehr, aus Sicht der Russen eine Gefahr, und das ist unerfreulich. Die Ostseepipeline ist und bleibt ein politischer und auch ein energiepolitischer Fehler. Sie sollte nicht gebaut werden.
Meurer: Wieso sollten die Russen uns das Öl abdrehen, da hängen ihre Devisen dran?
Lambsdorff: Das hat man sich auch gefragt, bevor die Ereignisse in der Ukraine und jetzt die Ereignisse in Weißrussland vor sich gegangen sind, die ja auch eine politische Implikation haben. Wohin gehört Weißrussland?, gucken die Russen. Der Kreml möchte am liebsten, dass Weißrussland in das Staatsgebilde der Russischen Föderation zurückkehrt, der Westen möchte das verhindern, andererseits sich aber nicht ausgerechnet mit Herrn Lukaschenko solidarisieren. Also das ist alles eine höchst gefährliche und höchst schwierige Gemengelage, und der kann nur einigermaßen vernünftig begegnet werden im Sinne der Energiesicherheit für die Europäische Union, wenn die Europäische Union mit einer Stimme spricht. Ich plädiere jetzt nicht für eine integrierte Energiepolitik in Brüssel, aber wohl für eine Kooperation der Regierungen. Und da ist der Vorschlag, den die Europäische Kommission gemacht hat, offensichtlich eine vernünftige Grundlage, da muss schnell gehandelt werden, und das ist auch eine Aufgabe der Präsidentschaft für die nächsten sechs Monate.
Meurer: Deutschland bezieht 20 Prozent seines Öls aus Russland. Sollte das reduziert werden, sollten wir auf russisches Öl ganz verzichten?
Lambsdorff: Wir können nicht auf russisches Öl verzichten, im Übrigen sind die 20 Prozent beim Öl ja die geringere Zahl, 40 Prozent sind es beim Gas, und das wird nun in der Tat eine bedenkliche Größenordnung. Diese Größenordnung hätte nicht verstärkt werden sollen und verstärkt werden dürfen, das tut aber die Ostseepipeline. Nein, wir können nicht verzichten, aber wir sprechen, und auch Frau Merkel spricht, von Diversifizierung. Das tun wir schon seit 10 oder 20 Jahren, das war schon so, als ich Bundeswirtschaftsminister war. Es geschieht aber wenig.
Diversifizierung heißt, man muss die Quellen vermehren, aus denen man Energie bezieht, man muss die Energiearten vermehren, man muss das Thema nukleare Energie wirklich offen und vernünftig ansprechen, und man muss sich mit Gasverflüssigung beschäftigen. Es gibt ja andere Quellen, aus denen man Erdgas beziehen kann, aber dann gibt es auch keine Leitungen, da muss man über Gastanker reden, und da muss man über ein Terminal sprechen, das ja in Wilhelmshaven schon einmal erwogen worden ist und das jetzt endlich gebaut werden soll, damit dort Gasverflüssigung aus Tankern angelandet werden kann.
Meurer: Nun bleibt Russland ein wichtiger internationaler Akteur. Wie sollten wir, wie sollte die Bundesregierung mit Russland umgehen?
Lambsdorff: Die Bundesregierung muss aufgeben, was unter Schröder angefangen worden ist, von einer strategischen Partnerschaft zu reden und Herrn Putin für einen lupenreinen Demokraten zu erklären. Das ist nun inzwischen auch überholt. Das Auswärtige Amt fährt wohl neuerdings eine Strategie, die immer noch von Vernetzung spricht. Ich halte auch das für falsch. Wir brauchen Russland als Partner. Wir brauchen die Kooperation mit Russland, aber nicht einen strategischen Partner. Das kann man mit einem Land, das sich immer mehr von Demokratie und Menschenrechten entfernt, nicht haben und nicht sein, sondern wir brauchen vor allem eine einheitliche Linie in der europäischen Politik, in der europäischen Energiepolitik in der Haltung gegenüber der Russischen Föderation.
Otto Graf Lambsdorff: Der muss uns genauso beunruhigen wie seinerzeit der Vorgang in der Ukraine. Was die Russen dort tun, hat mit Zuverlässigkeit eines Lieferanten nichts mehr zu tun. Insofern war die Sowjetunion zuverlässiger als die jetzige russische Regierung. Das ist außerdem ein Hinweis darauf, dass die Ostseepipeline eine gefährliche Einrichtung ist, denn dort wird man natürlich versuchen, Länder zu umgehen und die Abhängigkeit Deutschlands zu vergrößern.
Frau Merkel hat eine schwierige Position: Sie muss das Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union neu aushandeln und neu vereinbaren, das wird schon schwierig sein, sie muss den Russen noch einmal sagen, dass sie die Energiecharta unterschreiben sollten. Das haben sie schon in Finnland abgelehnt, das werden sie auch hier nicht tun. Und die Europäische Union verhandelt jetzt nicht aus einer Position der Stärke - leider. Vor allen Dingen, wenn einzelne Gesellschaften, und dazu muss man leider auch deutsche Gesellschaften zählen, mit den Russen, mit Gasprom, und Gasprom ist in Russland sehr stark, Vereinbarungen treffen, dann gibt es keine einheitliche europäische Front. Und die brauchen wir, wenn man einem Monopolisten, wie es nun mal Russland insbesondere im Falle der Gaslieferungen ist, entgegentreten will.
Meurer: Ich nehme Ihre Bemerkung zu der Gaspipeline durch die Ostsee. Warum soll das für uns gefährlich sein, sie macht uns doch unabhängig von Transitstreitereien?
Lambsdorff: Sie macht uns einerseits natürlich politischen Ärger, den auch wir ausbaden müssen mit den Polen und mit den baltischen Staaten. Und zum anderen sind wir einzig und allein betroffen von einer möglichen Kürzung und Sperrung durch diese Pipeline. Das ist nun der einzige Vorteil, den wir jetzt gesehen haben, dass Russland nicht einfach jemandem den Hahn abdrehen kann, ohne dass andere mitbetroffen werden. Wenn die Ostseepipeline erstmal besteht, besteht diese Gefahr nicht mehr, aus Sicht der Russen eine Gefahr, und das ist unerfreulich. Die Ostseepipeline ist und bleibt ein politischer und auch ein energiepolitischer Fehler. Sie sollte nicht gebaut werden.
Meurer: Wieso sollten die Russen uns das Öl abdrehen, da hängen ihre Devisen dran?
Lambsdorff: Das hat man sich auch gefragt, bevor die Ereignisse in der Ukraine und jetzt die Ereignisse in Weißrussland vor sich gegangen sind, die ja auch eine politische Implikation haben. Wohin gehört Weißrussland?, gucken die Russen. Der Kreml möchte am liebsten, dass Weißrussland in das Staatsgebilde der Russischen Föderation zurückkehrt, der Westen möchte das verhindern, andererseits sich aber nicht ausgerechnet mit Herrn Lukaschenko solidarisieren. Also das ist alles eine höchst gefährliche und höchst schwierige Gemengelage, und der kann nur einigermaßen vernünftig begegnet werden im Sinne der Energiesicherheit für die Europäische Union, wenn die Europäische Union mit einer Stimme spricht. Ich plädiere jetzt nicht für eine integrierte Energiepolitik in Brüssel, aber wohl für eine Kooperation der Regierungen. Und da ist der Vorschlag, den die Europäische Kommission gemacht hat, offensichtlich eine vernünftige Grundlage, da muss schnell gehandelt werden, und das ist auch eine Aufgabe der Präsidentschaft für die nächsten sechs Monate.
Meurer: Deutschland bezieht 20 Prozent seines Öls aus Russland. Sollte das reduziert werden, sollten wir auf russisches Öl ganz verzichten?
Lambsdorff: Wir können nicht auf russisches Öl verzichten, im Übrigen sind die 20 Prozent beim Öl ja die geringere Zahl, 40 Prozent sind es beim Gas, und das wird nun in der Tat eine bedenkliche Größenordnung. Diese Größenordnung hätte nicht verstärkt werden sollen und verstärkt werden dürfen, das tut aber die Ostseepipeline. Nein, wir können nicht verzichten, aber wir sprechen, und auch Frau Merkel spricht, von Diversifizierung. Das tun wir schon seit 10 oder 20 Jahren, das war schon so, als ich Bundeswirtschaftsminister war. Es geschieht aber wenig.
Diversifizierung heißt, man muss die Quellen vermehren, aus denen man Energie bezieht, man muss die Energiearten vermehren, man muss das Thema nukleare Energie wirklich offen und vernünftig ansprechen, und man muss sich mit Gasverflüssigung beschäftigen. Es gibt ja andere Quellen, aus denen man Erdgas beziehen kann, aber dann gibt es auch keine Leitungen, da muss man über Gastanker reden, und da muss man über ein Terminal sprechen, das ja in Wilhelmshaven schon einmal erwogen worden ist und das jetzt endlich gebaut werden soll, damit dort Gasverflüssigung aus Tankern angelandet werden kann.
Meurer: Nun bleibt Russland ein wichtiger internationaler Akteur. Wie sollten wir, wie sollte die Bundesregierung mit Russland umgehen?
Lambsdorff: Die Bundesregierung muss aufgeben, was unter Schröder angefangen worden ist, von einer strategischen Partnerschaft zu reden und Herrn Putin für einen lupenreinen Demokraten zu erklären. Das ist nun inzwischen auch überholt. Das Auswärtige Amt fährt wohl neuerdings eine Strategie, die immer noch von Vernetzung spricht. Ich halte auch das für falsch. Wir brauchen Russland als Partner. Wir brauchen die Kooperation mit Russland, aber nicht einen strategischen Partner. Das kann man mit einem Land, das sich immer mehr von Demokratie und Menschenrechten entfernt, nicht haben und nicht sein, sondern wir brauchen vor allem eine einheitliche Linie in der europäischen Politik, in der europäischen Energiepolitik in der Haltung gegenüber der Russischen Föderation.