Klaus Remme: Die Gespräche zwischen der Bundeskanzlerin und Wladimir Putin werden ständig verglichen mit dem engen Verhältnis zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem russischen Präsidenten. Otto Graf Lambsdorff kennt sich aus in Russland. Er sitzt im internationalen Beirat der russischen Bankengruppe Menatep, einst Mehrheitsaktionärin der Yukos-Gruppe von Michail Chodorkowski. Mit ihm habe ich vor einigen Minuten gesprochen. Meine erste Frage: Ernten wir jetzt die Früchte dieser Freundschaft, oder müssen wir die Folgen der vergangenen Jahre eher ausbaden?
Otto Graf Lambsdorff: Beides ist richtig. Ich denke, dass die deutsche Wirtschaft die Früchte erntet, die sich in guten allgemeinen wirtschaftlichen Beziehungen und Handelsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland entwickelt haben. Das ist gut so, das ist überhaupt nicht zu beanstanden. Die Wirtschaft will ihre Geschäfte machen. Die Wirtschaft muss auch nicht langfristig denken. Das ist nicht unbedingt ihre Aufgabe.
Wir ernten aber eben auch die Nachteile dessen, was geschehen ist auf dem Gebiet der Energiepolitik. Die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen, insbesondere Erdgaslieferungen, ist nach Auffassung der Internationalen Energieagentur schon heute zu hoch, und erst recht wird sie natürlich zu hoch sein - und deswegen darf das eigentlich nicht stattfinden -, wenn die Ostsee-Pipeline gebaut wird. Die deutsche Wirtschaft hingegen sagt, baut die Ostsee-Pipeline, dann können wir mehr Geschäfte machen. Aber wie gesagt: Das ist kurzfristiges, aus ihrer Sicht berechtigtes Denken. Eine verantwortliche Energiepolitik darf so kurzfristig nicht denken.
Remme: Hat denn Deutschland in Sachen Energieangebot Alternativen?
Lambsdorff: Wir haben Alternativen in verschiedenen Bereichen. Insbesondere müssen wir uns darum kümmern, Flüssiggasversorgung nach Deutschland zu bringen. Das haben wir in den 70er Jahren mehrmals untersucht; das war zu teuer, aber zu teuer auf der Basis eines Dollarpreises von 20 Dollar pro Barrel. Jetzt, wissen wir, liegt er bei 70 und darüber. Jetzt lohnt sich das. Jetzt muss die Erdgasanlieferungsanlage oder die Flüssiggasanlage, die für Wilhelmshaven geplant war, endlich gebaut werden. Das ist der Ausweg.
Richtig ist, Herr Remme, Ihre Frage. Das ist bedauerlicherweise ein Zustand der Abhängigkeit, der schnell nicht geändert werden kann. George Soros hat uns heute ausführlich darauf hingewiesen, dass das gefährlich ist, dass Energie und der Einsatz von Energiereserven das eigentliche Machtmittel der russischen Politik ist. Das stimmt auch. Die muss nicht unbedingt unfreundlich sein; sie kann aber unfreundlich sein. Denken Sie an die Ukraine und die Abschaltung, denken Sie an die Sprache, die Herr Miller von Gasprom uns und den Europäern gegenüber vor einigen Tagen an den Tag gelegt hat. Gemütlich kann man das nicht finden.
Remme: Herr Miller tut das ja nicht ohne Grund. Die russische Vorhand in Sachen Energie ist offenbar. Aber inwiefern ist Putin seinerseits auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland oder zu Westeuropa angewiesen?
Lambsdorff: Er ist es, und er ist es sicherlich auch deswegen, weil in Russland im Augenblick nur in Europa Politik gemacht wird, also im europäischen Teil Russlands Politik gemacht wird. Der ferne Osten spielt im Moment offenbar überhaupt keine Rolle. Das ist etwas verwunderlich, aber es ist nun einmal so. Die Interessen konzentrieren sich auf Europa. Da hat es einen schweren Rückschlag für Herrn Putin gegeben durch die orange Revolution in der Ukraine. Das wiederum ist eine Verpflichtung der EU und der Staatengemeinschaft des Westens, sich um die Ukraine zu kümmern. Das müssen wir tun. Und außerdem hat natürlich auch Herr Putin das Interesse, seine Energie zu verkaufen. Er möchte ja gerne Geld einnehmen.
Dazu hätte er allerdings in der letzten Zeit einiges tun müssen, um die Lieferfähigkeit der Russen zu verbessern. Es wird höhere Anforderungen geben, weil der Energieverbrauch weltweit steigt. Die Konjunktur zieht wieder an. Aber die Russen können nicht höher liefern, weil ihre Anlagen verrottet sind, weil sie den lieferfähigsten und besten Konzern Yukos einfach zerschlagen haben und weil sie nicht genug investiert haben in Pipelines, so dass die Versorgung gefährdet wird.
Remme: Wenn wir noch einmal auf das politische Feld schauen, Graf Lambsdorff. Das Entstehen einer Art Staatspartei, die Kontrolle der Medien und der Einfluss durch Konzerne wie Gazprom. Verschlafen wir hier die Entstehung einer lupenreinen Diktatur?
Lambsdorff: Mindestens eines sehr autoritären Systems. Ich bin höchst beunruhigt über das, was sich dort entwickelt. Ich sehe die Zentralisierung in Russland, die, wie Sie richtig gesagt haben, die Einschränkung oder beinahe Abschaffung der Medienfreiheit. Es werden ja immer nur Zeitungen zitiert. Die erscheinen in Moskau und meist auch noch in englischer Sprache und sind deswegen im Lande nicht verbreitet. Wir erleben eine Verstaatlichung der Wirtschaft. Herr Putin erklärt ganze Gebiete für Staatswirtschaftsgebiete und nicht mehr für die Privatwirtschaft zuständig. Also da entwickelt sich etwas, was uns beunruhigen muss und worauf wir aber deutlich hinweisen müssen. Nun gibt es eben leider, bisher jedenfalls in der früheren Bundesregierung, überhaupt keine Bereitschaft, das zu tun. Frau Merkel hat das bei ihrem ersten Besuch in Moskau getan. In der deutschen Wirtschaft gibt es leider oberblauäugige Vertreter, die alles gut finden, alles loben, nur damit sie ihre Auftragsbücher füllen können.
Remme: Graf Lambsdorff, nicht nur als Energielieferant ist Russland gefragt. Auch im Iran-Konflikt kommt man an Moskau nicht vorbei. Glauben Sie, die Abneigung gegen eine Nuklearmacht Iran reicht aus, um die Vetomächte zu einen?
Lambsdorff: Das ist die große Frage, die Sie eher an China richten müssen als an Russland. Bei Russland glaube ich, dass das der Fall ist. Russland möchte nach meiner Einschätzung und nach Einschätzung auch internationaler Beobachter, die ich jetzt gerade in einer Konferenz in Tokio erlebt habe, unter keinen Umständen, dass Iran eine Nuklearmacht wird. Das ist für Russland an seinen Grenzen ein ungemütlicher Zustand. Das will man nicht.
Aber bei China sieht das anders aus. China ist weit entfernt, und China ist natürlich interessiert an Erdöllieferungen. China kauft Erdöl überall auf der Welt und ist auf Iran, meint man, wahrscheinlich angewiesen. Das könnte auch so sein. Also von daher bin ich nicht ganz sicher, ob der Sicherheitsrat sich nicht nur mit der Sache befassen wird - das dürfte geschehen -, sondern ob auch eine Bereitschaft besteht, notwendige Schritte zu unternehmen, wie immer die aussehen können, bevor es zu der wirklich großen Katastrophe kommt, Herr Remme, dass die Entwicklung weiter geht, Iran eine Nuklearmacht wird. Er hat weiter erklärt, dass man Israel ins Mittelmeer jagen will und dass daraufhin militärische Optionen erwogen werden.
Remme: Macht denn der Irak-Krieg die militärische Karte in punkto Iran in Ihren Augen unglaubwürdig?
Lambsdorff: Jedenfalls außerordentlich schwierig, aber Sie wissen, dass der amerikanische Präsident gesagt hat, er nimmt diese Option nicht vom Tisch.
Remme: Das war die Meinung von Otto Graf Lambsdorff.
Otto Graf Lambsdorff: Beides ist richtig. Ich denke, dass die deutsche Wirtschaft die Früchte erntet, die sich in guten allgemeinen wirtschaftlichen Beziehungen und Handelsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland entwickelt haben. Das ist gut so, das ist überhaupt nicht zu beanstanden. Die Wirtschaft will ihre Geschäfte machen. Die Wirtschaft muss auch nicht langfristig denken. Das ist nicht unbedingt ihre Aufgabe.
Wir ernten aber eben auch die Nachteile dessen, was geschehen ist auf dem Gebiet der Energiepolitik. Die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen, insbesondere Erdgaslieferungen, ist nach Auffassung der Internationalen Energieagentur schon heute zu hoch, und erst recht wird sie natürlich zu hoch sein - und deswegen darf das eigentlich nicht stattfinden -, wenn die Ostsee-Pipeline gebaut wird. Die deutsche Wirtschaft hingegen sagt, baut die Ostsee-Pipeline, dann können wir mehr Geschäfte machen. Aber wie gesagt: Das ist kurzfristiges, aus ihrer Sicht berechtigtes Denken. Eine verantwortliche Energiepolitik darf so kurzfristig nicht denken.
Remme: Hat denn Deutschland in Sachen Energieangebot Alternativen?
Lambsdorff: Wir haben Alternativen in verschiedenen Bereichen. Insbesondere müssen wir uns darum kümmern, Flüssiggasversorgung nach Deutschland zu bringen. Das haben wir in den 70er Jahren mehrmals untersucht; das war zu teuer, aber zu teuer auf der Basis eines Dollarpreises von 20 Dollar pro Barrel. Jetzt, wissen wir, liegt er bei 70 und darüber. Jetzt lohnt sich das. Jetzt muss die Erdgasanlieferungsanlage oder die Flüssiggasanlage, die für Wilhelmshaven geplant war, endlich gebaut werden. Das ist der Ausweg.
Richtig ist, Herr Remme, Ihre Frage. Das ist bedauerlicherweise ein Zustand der Abhängigkeit, der schnell nicht geändert werden kann. George Soros hat uns heute ausführlich darauf hingewiesen, dass das gefährlich ist, dass Energie und der Einsatz von Energiereserven das eigentliche Machtmittel der russischen Politik ist. Das stimmt auch. Die muss nicht unbedingt unfreundlich sein; sie kann aber unfreundlich sein. Denken Sie an die Ukraine und die Abschaltung, denken Sie an die Sprache, die Herr Miller von Gasprom uns und den Europäern gegenüber vor einigen Tagen an den Tag gelegt hat. Gemütlich kann man das nicht finden.
Remme: Herr Miller tut das ja nicht ohne Grund. Die russische Vorhand in Sachen Energie ist offenbar. Aber inwiefern ist Putin seinerseits auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland oder zu Westeuropa angewiesen?
Lambsdorff: Er ist es, und er ist es sicherlich auch deswegen, weil in Russland im Augenblick nur in Europa Politik gemacht wird, also im europäischen Teil Russlands Politik gemacht wird. Der ferne Osten spielt im Moment offenbar überhaupt keine Rolle. Das ist etwas verwunderlich, aber es ist nun einmal so. Die Interessen konzentrieren sich auf Europa. Da hat es einen schweren Rückschlag für Herrn Putin gegeben durch die orange Revolution in der Ukraine. Das wiederum ist eine Verpflichtung der EU und der Staatengemeinschaft des Westens, sich um die Ukraine zu kümmern. Das müssen wir tun. Und außerdem hat natürlich auch Herr Putin das Interesse, seine Energie zu verkaufen. Er möchte ja gerne Geld einnehmen.
Dazu hätte er allerdings in der letzten Zeit einiges tun müssen, um die Lieferfähigkeit der Russen zu verbessern. Es wird höhere Anforderungen geben, weil der Energieverbrauch weltweit steigt. Die Konjunktur zieht wieder an. Aber die Russen können nicht höher liefern, weil ihre Anlagen verrottet sind, weil sie den lieferfähigsten und besten Konzern Yukos einfach zerschlagen haben und weil sie nicht genug investiert haben in Pipelines, so dass die Versorgung gefährdet wird.
Remme: Wenn wir noch einmal auf das politische Feld schauen, Graf Lambsdorff. Das Entstehen einer Art Staatspartei, die Kontrolle der Medien und der Einfluss durch Konzerne wie Gazprom. Verschlafen wir hier die Entstehung einer lupenreinen Diktatur?
Lambsdorff: Mindestens eines sehr autoritären Systems. Ich bin höchst beunruhigt über das, was sich dort entwickelt. Ich sehe die Zentralisierung in Russland, die, wie Sie richtig gesagt haben, die Einschränkung oder beinahe Abschaffung der Medienfreiheit. Es werden ja immer nur Zeitungen zitiert. Die erscheinen in Moskau und meist auch noch in englischer Sprache und sind deswegen im Lande nicht verbreitet. Wir erleben eine Verstaatlichung der Wirtschaft. Herr Putin erklärt ganze Gebiete für Staatswirtschaftsgebiete und nicht mehr für die Privatwirtschaft zuständig. Also da entwickelt sich etwas, was uns beunruhigen muss und worauf wir aber deutlich hinweisen müssen. Nun gibt es eben leider, bisher jedenfalls in der früheren Bundesregierung, überhaupt keine Bereitschaft, das zu tun. Frau Merkel hat das bei ihrem ersten Besuch in Moskau getan. In der deutschen Wirtschaft gibt es leider oberblauäugige Vertreter, die alles gut finden, alles loben, nur damit sie ihre Auftragsbücher füllen können.
Remme: Graf Lambsdorff, nicht nur als Energielieferant ist Russland gefragt. Auch im Iran-Konflikt kommt man an Moskau nicht vorbei. Glauben Sie, die Abneigung gegen eine Nuklearmacht Iran reicht aus, um die Vetomächte zu einen?
Lambsdorff: Das ist die große Frage, die Sie eher an China richten müssen als an Russland. Bei Russland glaube ich, dass das der Fall ist. Russland möchte nach meiner Einschätzung und nach Einschätzung auch internationaler Beobachter, die ich jetzt gerade in einer Konferenz in Tokio erlebt habe, unter keinen Umständen, dass Iran eine Nuklearmacht wird. Das ist für Russland an seinen Grenzen ein ungemütlicher Zustand. Das will man nicht.
Aber bei China sieht das anders aus. China ist weit entfernt, und China ist natürlich interessiert an Erdöllieferungen. China kauft Erdöl überall auf der Welt und ist auf Iran, meint man, wahrscheinlich angewiesen. Das könnte auch so sein. Also von daher bin ich nicht ganz sicher, ob der Sicherheitsrat sich nicht nur mit der Sache befassen wird - das dürfte geschehen -, sondern ob auch eine Bereitschaft besteht, notwendige Schritte zu unternehmen, wie immer die aussehen können, bevor es zu der wirklich großen Katastrophe kommt, Herr Remme, dass die Entwicklung weiter geht, Iran eine Nuklearmacht wird. Er hat weiter erklärt, dass man Israel ins Mittelmeer jagen will und dass daraufhin militärische Optionen erwogen werden.
Remme: Macht denn der Irak-Krieg die militärische Karte in punkto Iran in Ihren Augen unglaubwürdig?
Lambsdorff: Jedenfalls außerordentlich schwierig, aber Sie wissen, dass der amerikanische Präsident gesagt hat, er nimmt diese Option nicht vom Tisch.
Remme: Das war die Meinung von Otto Graf Lambsdorff.