Archiv


Land unter in Brandenburg

"An dieser Stelle muss energischer gearbeitet werden", fordert Dieter Dombrowski, amtierender CDU-Fraktionschef in Brandenburg. Er beurteilt die Hochwasserschutzmaßnahmen nach der Jahrhundertflut 1997 zwar als gut, dennoch seien diese noch ausbaufähig.

Interview mit Dieter Dombrowski, CDU |
    Dirk Müller: "Kein Grund zur Panik, wir haben alles im Griff", sagt die rot-rote Landesregierung in Brandenburg und meint damit die eigene Bevölkerung und das erneute Hochwasser an der Oder. Dabei ist noch vielen die Überschwemmungskatastrophe von 1997 allzu gut in Erinnerung, mit seinen verheerenden Folgen für Zehntausende. Die Landesregierung hatte über 200 Millionen Euro investiert, um die maroden Deiche zu sanieren. Diese bestehen nicht aus Stahl und Beton, sondern überwiegend aus Erde und anderen Baustoffen. Je länger sich also jetzt der hohe Pegel hält, desto wahrscheinlicher werden Einbrüche und Sickerstellen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz kritisiert hingegen, dass die Deiche nach der Flut von 1997 nicht konsequent zurückverlegt wurden, um Flüssen mehr Raum zu bieten. – Am Telefon ist nun Dieter Dombrowski, CDU-Generalsekretär und amtierender Fraktionschef in Brandenburg. Guten Morgen!

    Dieter Dombrowski: Guten Morgen! Ich grüße Sie.

    Müller: Herr Dombrowski, auch Sie beobachten derzeit das Hochwasser. Wo sind Sie genau?

    Dombrowski: Ich bin hier genau in Frankfurt/Oder im Lagezentrum beim Präsidenten des Landesumweltamtes und direkt vor Ort.

    Müller: Wie ist die Situation bei Ihnen im Moment?

    Dombrowski: Die Situation ist gespannt, aber doch deutlich entspannter als 1997, weil in den letzten Jahren doch, was den Katastrophen- und Deichschutz betrifft, in Brandenburg erheblich aufgerüstet wurde.

    Müller: So aufgerüstet, dass es schon Grund zur Entwarnung gibt?

    Dombrowski: Nein, es gibt keinen Grund zur Entwarnung, aber es sind in Brandenburg doch viele Kilometer Deiche gebaut worden. Es gibt nur noch wenige Schwachstellen. Das ist natürlich insbesondere für die Anwohner an den mehr betroffenen Gebieten doch eine sehr beunruhigende Angelegenheit, aber wir haben auch gestern den ganzen Tag vor Ort uns die Lage beguckt. Es ist alles getan, was nach menschlichem Ermessen möglich ist.

    Müller: Herr Dombrowski, nun fragen sich viele: warum gibt es 13 Jahre danach immer noch Schwachstellen?

    Dombrowski: Ja, ein bisschen schneller gehen könnte es sicherlich immer noch. In Brandenburg sind 13, 14 Kilometer, die noch nachgerüstet werden müssen. Aber es sind 130 Kilometer Deiche neu gebaut worden, es sind über 200 Millionen Euro verbaut worden, und im Moment wird das sicherlich noch mal ein Impuls sein, sich noch verstärkter um Überflutungsflächen und Polderflächen zu kümmern. Dafür gibt es Planungen. Aber ich denke trotzdem, dass in Brandenburg, wenn man auch mal vergleicht mit Polen, hier sehr, sehr viel schon geschaffen wurde. Schneller könnte es immer gehen, und Fakt ist auch eines – das hat sich ja durchgesetzt seit 97 -, dass der Schutz der Menschen auch Vorrang hat vor allem anderen.

    Müller: Also Sie sind da voll auf Linie mit Regierungschef Matthias Platzeck?

    Dombrowski: Voll auf Linie sind wir bei der technischen Ausstattung. Wir haben hier als CDU in Brandenburg ja zehn Jahre mitregiert und alle diese Maßnahmen ja mitgetragen und mit vorangebracht. Womit wir nicht zufrieden sind ist, dass sozusagen auch dieses Hochwasser genutzt wird als politische Showbühne. Das wollen wir nicht, sondern wir wollen eine sachliche Arbeit, damit die Menschen auch wissen, dass sie sicher sind, so wie das eben im Umgang mit Naturgewalten möglich ist.

    Müller: Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat ja kritisiert, es gibt zu wenig Rückraum für die Flüsse, zu wenig Polderflächen. Haben Sie da Fehler gemacht?

    Dombrowski: Ich glaube, der BUND hat insofern Recht, wenn er das gesamte betroffene Bundesgebiet meint. Brandenburg hat doch schon bei der Jahrhundertflut 1997 durch Flutung von Poldern und Öffnung von Deichen Entlastung gebracht für Niedersachsen und Hamburg. Dennoch haben wir hier auch in Brandenburg noch weitere Potenziale, weil wir ja von der Naturausstattung her bessere Möglichkeiten haben, und gerade hier in der Gegend, in der Neuzeller Niederung, ist ja das größte Poldergebiet in Europa geplant und das werden wir auch als CDU-Fraktion, auch als Opposition mit unterstützen, dass dies dann auch umgesetzt wird.

    Müller: Noch mal die Frage: war das ein Fehler, da nicht mehr zu investieren beziehungsweise darauf zu achten, dass mehr Freiflächen für den Rücklauf des Wassers entstehen?

    Dombrowski: Man hätte sicherlich bei den Freiflächen, bei den Überflutungsflächen zügiger sein können. Das ist aber vor allen Dingen keine finanzielle Frage, sondern eine bürokratische Frage, und da muss an dieser Stelle energischer gearbeitet werden.

    Müller: Das müssen Sie uns noch mal erklären. Warum ist das eine bürokratische Frage?

    Dombrowski: Es sind ja viele zu beteiligen und es fällt ja auch Verwaltung und Politik schwer, dann auch Landwirten zu erklären, dass ihre Flächen zukünftig nur noch eingeschränkt bewirtschaftet werden können, denn wenn ein Landwirt Grünlandwirtschaft macht, indem er dort Rinder züchtet, dann hat er eben diese Flächen nicht immer zur Verfügung, sie werden im Frühjahr und im Herbst auf jeden Fall in unserer Gegend immer geflutet werden, abgesehen mal von solchen Hochwassern, und das umgeht man dann gerne, diese Konflikte, aber diese Konflikte müssen dann ausgetragen werden.

    Müller: Können Sie das denn bestätigen, dass in diesen gefährdeten Flächen immer noch, also nach 1997, in den zurückliegenden Jahren, neue Häuser gebaut worden sind?

    Dombrowski: Ja, aber sehr abnehmend. Mittlerweile nicht mehr, aber auch das ist eines der Themen, die man dann ja mit den Menschen diskutieren muss, dass sie dann auch bis hin zu Umsiedlungen sich von ihrer alten Heimat trennen müssen.

    Müller: Also gibt es noch Gefahrenpotenzial in Brandenburg?

    Dombrowski: Es gibt selbstverständlich Gefahrenpotenzial in Brandenburg.

    Müller: Und wie geht das Ganze jetzt weiter?

    Dombrowski: Wir werden ja noch einige Tage hier zu tun haben. Wichtig ist schon einmal, einfach zu wissen, dass nach menschlichem Ermessen eine wirkliche Gefährdung von Leib, Leben und Gut ausgeschlossen werden kann. Aber wenn das Hochwasser zurückgeht, wird man dieses Hochwasser auch zum Anlass nehmen, noch einmal die Maßnahmen Revue passieren zu lassen und diesen Anschub auch zu nehmen zu sagen, wir können und wir müssen noch mehr tun. Das ist, glaube ich, das Entscheidende dabei. Und wie das eben so ist: wenn es lange gut gegangen ist, dann gewöhnen sich nicht nur die Politiker, sondern auch die Menschen daran, na ja, so schlimm wird es schon nicht mehr werden, aber es kommt doch immer ein weiteres Mal.

    Müller: Und wenn der sozialdemokratische Ministerpräsident nun auf Sie zukommt und sagt, wir müssen da noch weiter investieren, wir müssen diese Flächen bereitstellen und auch schaffen, dann machen Sie mit?

    Dombrowski: Aber selbstverständlich! – Aber selbstverständlich.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk Dieter Dombrowski, CDU-Generalsekretär und amtierender Fraktionschef in Brandenburg. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Dombrowski: Danke schön!