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Landtagswahl in Thüringen
Die SPD in der Zange

Bei der Wahl in Thüringen fällt der SPD die Rolle des Königsmachers zu: Sie kann entweder Christine Lieberknecht von der CDU oder Bodo Ramelow von den Linken ins Ministerpräsidentenamt hieven. Doch die Genossen sind zerrissen.

Von Henry Bernhard | 11.09.2014
    Die Bildkombo vom 20.08.2014 zeigt Großplakate der Parteien (von links oben im Uhrzeigersinn) CDU, Linke, FDP und SPD, die in Thüringen das Bild an den Straßen bestimmen.
    Wahlplakate der Parteien CDU, Linke, FDP und SPD in Thüringen beim Landtagswahlkampf (picture alliance / dpa / Michael Reichel)
    Christine Lieberknecht: "Die Thüringer können stolz sein auf ihr Land!"
    Björn Höcke: "Wir haben den Mut zur Wahrheit!"
    Christine Lieberknecht: "Wir leben in einer gefestigten Demokratie und haben eine wunderbare Landesverfassung."
    Björn Höcke: "Und ich verspreche ihnen..."
    Matthias Hey: "Gummibären laufen immer gut, Kugelschreiber! Viele Leute gehen trotzdem nicht zur Wahl. Aber egal: Wir versuchen's!"
    Bodo Ramelow: "Es geht am 14. September - in der Tat: Es geht um Lieberknecht oder Ramelow!"
    Christine Lieberknecht: "Die Frage stellt sich für mich gar nicht! Sondern für mich stellt sich die Frage, dass ich darum kämpfe, Ministerpräsidentin in Thüringen zu bleiben!"
    Manuela Schwesig: "Wir kämpfen darum, dass Heike Taubert Ministerpräsidentin wird!"
    Heike Taubert: "Ich muss mich dafür, glaube ich, auch nicht rechtfertigen, dass ich jetzt Spitzenkandidatin geworden bin!"
    Jörg Geibert: "Das kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine andere Landesregierung geben würde, der die CDU nicht angehören würde."
    Bodo Ramelow: "Sie hat ein Recht darauf - als Partei, die so viele Jahrzehnte hier schon wirksam war: Vor der Wende, nach der Wende - diese Partei hat ein Recht darauf, sich zu erholen! Und zwar in der Opposition!"
    Lieberknecht zieht positive Bilanz
    Innenminister Jörg Geibert kann sich nicht vorstellen, dass es in Thüringen eine Landesregierung ohne seine CDU geben könnte. Die Christdemokraten regieren den kleinen Freistaat mit seinen zwei Millionen Einwohnern seit 1990, ununterbrochen, mal allein, mal mit der FDP und zweimal mit der SPD - wie auch in der zu Ende gehenden Legislaturperiode. Und Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht zieht ausdrücklich eine positive Bilanz der schwarz-roten Regierung:
    "Es war spannende, intensive und vor allem erfolgreiche Arbeit: unsere Koalition aus CDU und SPD. Ein Koalitionsvertrag, der zu nahezu 90 Prozent abgearbeitet worden ist. Ich denke, das ist ein Wert, da muss man in Deutschland lange suchen unter Koalitionsregierungen."
    Und auch der Vize-Ministerpräsident, Kultusminister Christoph Matschie schätzt für seine SPD ein:
    "Dass wir das Land gemeinsam erfolgreich aus der Finanz- und Wirtschaftskrise geführt haben, dass wir dieses Land moderner gemacht haben, weltoffener und leistungsfähiger und dass es ein guter Platz für Familien ist."
    Und in der Tat steht Thüringen gut da: Eine florierende Wirtschaft, die niedrigste Arbeitslosigkeit im Osten, noch unter der von Hamburg und Nordrhein-Westfalen, intakte Verkehrswege, sanierte, schmucke Städte, niedrige, aber doch steigende Löhne, beste Plätze bei Bildungsrankings, erstmals wurden Schulden getilgt. Thüringen ist das Musterkind im Osten, neben Sachsen. Die CDU schreibt diese Erfolge gern sich zu und geht davon aus, dass sie - wie gewohnt - an der Macht bleibt, denn sie sei die "Thüringenpartei".
    "Unser Ziel ist klar: Eine Gestaltungsmehrheit im Thüringer Landtag zu haben, mit 40 + X, damit keine Regierung an uns vorbei gebildet werden kann."
    Aber danach sieht es, wenn man den Umfragen glauben will, nicht aus: Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ist zwar noch immer die beliebteste Politikerin im Freistaat. Dies liegt zum einen an ihrem ausgleichenden, mütterlich-pastoralen Führungsstil, zum anderen aber auch an der mäßigen Konkurrenz in der Thüringer Landespolitik. Aber: Eine Reihe von Skandalen hat den Ruf der schwarz-roten Landesregierung heftig ramponiert, vor allem den der CDU. Minister und Staatssekretäre, die doppelt abkassieren, ein Regierungssprecher, der mit 37 in die komfortable Pension geschickt wird, ein Staatskanzleiminister, der mit juristischen Taschenspielertricks den Staat abzuzocken versucht, den er repräsentieren soll. Bodo Ramelow, der linke Herausforderer Christine Lieberknechts bei der Landtagswahl, wusste manchmal gar nicht so recht, wie ihm geschah, wenn ihm die schwarz-rote Landesregierung immer wieder neue Steilvorlagen für die Oppositionsarbeit lieferte:
    "Die Bürger nehmen uns ja auch als Opposition mit in die Haftung und sagen: 'Guckt euch doch mal an: Die sind nur mit sich beschäftigt! Die stecken sich das Geld ein oder geben Geld nicht zurück oder finden, dass ihre Bescheide, die sie gekriegt haben, zurecht bestehen, obwohl die Staatsanwaltschaft gesagt hat, das sei Unrecht!' Und das sind Dinge, die verstehen Bürger nicht mehr."
    Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU)
    Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) (picture alliance / dpa - Michael Reichel)
    Grünen kritisieren "Selbstbedienungsmentalität" der CDU
    Auch Anja Siegesmund, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Erfurter Landtag, wird nicht müde zu betonen, dass 24 Jahre CDU genug sind für Thüringen, dass sich ein breiter Filz breitgemacht habe:
    "Diese Selbstbedienungsmentalität, die sich die CDU in 24 Jahren angeeignet hat, wie sie mit sich das Geld nimmt, wenn sie's braucht, die muss ein Ende haben. 16 Milliarden Euro Schulden kommen nicht von ungefähr!"
    Und die SPD? Zwar ist sie an der Regierung beteiligt, aber die Lust, die schwarz-rote Koalition fortzusetzen, scheint nicht allzu groß zu sein. Matthias Hey ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag und einer der Hoffnungsträger der Thüringer Sozialdemokraten:
    "Mit dem Koalitionspartner ist das in den letzten vier Jahren nicht zu dem Erfolg gekommen, den ich mir gewünscht hätte! Denn wir sagen: Vieles, was an finanziellen Problemen in Thüringen ist, hat auch seinen Grund darin, dass alles so klein und zersplittert und so kleinstaaterisch ist. Das sieht die CDU leider anders."
    Die schwarz-rote Koalition schleppte sich am Ende etwas müde hin: Die Tritte unter dem Kabinettstisch wurden heftiger, Minister duellierten sich über die Presse. Zwar will die Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht mangels Alternative wieder mit der SPD regieren, die aber ziert sich. Die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten, Sozialministerin Heike Taubert, lacht nur noch, wenn sie zum 100. Male die Frage nach ihrem Wunschkoalitionspartner gestellt bekommt, mehr oder weniger raffiniert verklausuliert:
    "Frau Rothe, guter Versuch! Also, wir haben jetzt keine Präferenzen, nach wie vor nicht. Wir wollen nach den Themenfeldern schauen. Und man wird ja sehen, wer unsere Prüfsteine mitgehen kann und inwieweit es da auch Differenzen gibt, die so unüberwindbar sind, dass es keine Koalition gibt."
    Die SPD wird es aller Voraussicht nach nach der Landtagswahl in der Hand haben, wer Ministerpräsident in Thüringen wird: weiter Lieberknecht oder Ramelow. Die SPD wird der Königsmacher sein. Eine ähnliche Lage wie 2009. Nach der letzten Landtagswahl war Rot-Rot-Grün schon einmal möglich, es scheiterte aber an Egoismen und Unerfahrenheit der Akteure. Die SPD wandte sich dann der CDU zu. Der linke Spitzenkandidat hieß auch damals Bodo Ramelow:
    "2009 wäre ich bereit gewesen, dann nicht als Ministerpräsident zu kandidieren, wenn die drei Partner - SPD, Grüne und wir - gemeinsam uns verständigt hätten, welche Person ein solches Reformlager hätte führen können. Jetzt gehen wir mit erhobenem Haupt in die Wahlkampfauseinandersetzung und sagen den Wählerinnen und Wählern: Wer die Linke wählt, wählt die CDU in die Opposition und den Vertreter der Linken, Bodo Ramelow, in die Staatskanzlei. Und die SPD wie auch die Grünen haben mittlerweile signalisiert, dass es keine Ausschließeritis mehr gibt."
    Zerrissenheit der Genossen
    Und in der Tat überbieten sich SPD wie Grüne in Berlin wie in Erfurt darin, der Linken in Thüringen Regierungsfähigkeit zu bescheinigen. Bodo Ramelow sei eigentlich Sozialdemokrat, ist von vielen zu hören. Auch in der Landtagsfraktion der SPD gibt es einige, die einen Politikwechsel wollen. Ob dies aber auch für die Basis gilt, ist ungewiss. Matthias Hey sieht aber auch die Zerrissenheit der Genossen in Fragen Rot-Rot-Grün:
    "Ja, zumindest bei mir im Ortsverein ist es schon so, dass es pari-pari ist. Also 50 Prozent der Leute sagen: Um Gottes Willen, nicht mit denen, die früher mal die SED vertreten haben! Das sind meist ältere Leute, die auch eine bestimmte biografische Erfahrung mit dieser Partei haben. Und die anderen sagen: Politik ist auch ein wechselndes Geschäft; Thüringen braucht irgendwann mal andere Bilder. Warum nicht Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün? Und ich denke, es ist am besten, dass man vielleicht nach den Wahlen auch mal die Basis befragt."
    Ähnlich haben sich auch die Spitzenkandidatin Heike Taubert und der Parteivorsitzende Christoph Matschie geäußert. Das Interessante an der Mitgliederbefragung wäre, dass sie nicht etwa nach, sondern vor den Koalitionsverhandlungen abgehalten werden soll. Die gut 4.000 SPD-Mitglieder in Thüringen würden also darüber bestimmen, mit wem ihre Partei eine Koalition eingehen, wem sie zur Macht verhelfen soll: Christine Lieberknecht oder Bodo Ramelow. Für Stefan Sandmann, ein junger SPD-Direktkandidat im Straßenwahlkampf in Ilmenau, ist eine Koalition mit den Linken undenkbar:
    "Weil die Linke ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat bis zum heutigen Tag! Das sieht man auch daran, dass zwei Stasi-Spitzel unter den ersten zehn Listenplätzen platziert sind auf der Landesliste; und damit kann man nicht in die Zukunft gehen, mit alten SED- und Stasi-Leuten, das geht gar nicht!"
    Für andere, wie den Erfurter Sozialdemokraten und Vordenker Peter Reif-Spirek, ist Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün unter linker Führung die Option der Gegenwart:
    "Das ist sicher für einige, die aus dem engeren Kreis der Opposition in der DDR kommen, bitter. Man muss allerdings sehen, dass die Linkspartei sich gewandelt hat über den Generationswechsel hinaus und dass die politischen Verhältnisse in Thüringen sich gewandelt haben. Die PDS ist über Transformation zur Linkspartei auch vom linken Rand in die Mitte des politischen Systems gerückt, während die Thüringer SPD - sie ist auf den Status einer Funktionspartei zurückgefallen."
    Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD)
    Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) (dpa / picture alliance / Michael Reichel )
    SPD ist der perfekte kleine Koalitionspartner
    Noch nie war die Thüringer SPD der CDU in der Wählergunst auch nur ansatzweise nahegekommen, selbst in den schlechtesten Zeiten der CDU nicht. Die Linke wuchs beständig und liegt seit zehn Jahren regelmäßig um die zehn Prozentpunkte vor der SPD. Und auch, wenn die SPD-Spitzenkandidatin Heike Taubert immer wieder tapfer verkündet:
    "Wir kämpfen dafür, dass wir eine Regierung-Option haben, auch an der Spitze stehen können."
    Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Die SPD liegt bei den letzten Wahlen und in aktuellen Umfragen immer an dritter Stelle und ist damit der perfekte kleine Koalitionspartner. Für CDU oder Linke. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ob es den Genossen gefällt oder nicht:
    "Ich finde es nicht gut, dass der SPD so etwas verwehrt bleibt. Wir waren auch schon mal Platz 2! Wir waren vor 25 Jahren die Partei gewesen, die gesagt hat: 'Wir wollen neu anfangen!' Die anderen haben sich einfach unter die Flügel ihrer Altparteien gestellt oder haben mit Umwandlung ihre Partei fortgeführt."
    Von jahrelangen internen Streitigkeiten gelähmt, ob man sich nun eher zur Linken oder zur CDU wenden soll, hat die Thüringer SPD keinen Kopf hervorgebracht, der die Wähler von sich überzeugen kann. Und das gewachsene sozialdemokratische Milieu, wie es sich heute auch im Westen auflöst, hat es in Thüringen nach 1990 gar nicht erst gegeben. Dazu passt, dass sich mit dem Ende dieser Legislaturperiode der letzte Arbeiter aus der SPD-Fraktion verabschiedet. Peter Reif-Spirek sieht noch einen anderen Grund für den dauerhaften Misserfolg der Sozialdemokraten:
    "Und das ist die Tatsache, dass sie durch die Hartz-IV-Politik ihre Verbindungen zur sogenannten 'Unterschicht' gekappt hat. Und zwar so grundlegend, dass diese Milieus keinerlei politischen Hoffnungen mehr artikulieren."
    Und so könnte der Linke Bodo Ramelow Ministerpräsident werden und den Freistaat gemeinsam mit der SPD und eventuell den Grünen regieren:
    "Ja, wir wollen gestalten. Wir werden gestalten und wir werden die Kraft entwickeln, die Gestaltung, den Gestaltungswillen, den Bürgern so nahe zu bringen, damit wir einen Auftrag bekommen von den Wählerinnen und Wählern!"
    Grüne wollen sich nicht auf Koalition festlegen
    Zwar drücken sich auch die Thüringer Grünen darum, einen Wunschpartner zu benennen. Da es aber für das neuerdings schicke Schwarz-Grün vermutlich nicht reichen wird, bleibt für die Grünen nur die Rot-Rot-Grüne Option. Und die wäre auch aus bundespolitischem Blickwinkel recht verlockend, wie der grüne Landessprecher Dieter Lauinger zugibt:
    "Wir wissen, dass wir im Moment in sieben Landesregierungen sind. Eine achte Landesregierung würde bedeuten, dass im Bundesrat keine Entscheidungen mehr gegen Grüne gefällt werden können. Das ist ein Argument, das wir mit abwägen müssen. Das ist keine Frage!"
    Die grüne Spitzenkandidatin und derzeitige Fraktionsvorsitzende Anja Siegesmund hat ihre Partei bewusst auch Richtung CDU bewegt, um mehrere Optionen zu haben. Deswegen ziehen die Grünen mit Themen in den Wahlkampf, nicht mit Koalitionsaussagen:
    "Es gibt fünf Themen, die für uns ganz wichtig sind, an denen kein potenzieller Partner vorbeikommt: Das ist zum einen die Energiewende, das ist zum zweiten ein Klimaschutzgesetz für Thüringen, zum dritten die Massentierhaltung. Punkt vier ist eine gute Bildungspolitik, das heißt: Schulabschluss für jedes Kind und eine Gleichberechtigung freier und staatlicher Schulen, und als fünftes - das sage ich auch ganz bewusst Richtung CDU! - eine andere politische Kultur."
    Auch die Grünen befinden sich in einem Koalitionsdilemma, denn sowohl die Linke als auch die CDU-Option würde einen Teil der Mitglieder und Wähler verschrecken. Und so hat der potenzielle Ministerpräsident Bodo Ramelow zwei schwierige Verhandlungspartner am Tisch, wenn er nach der Wahl sondieren wird. Beide, SPD wie Grüne, werden den Preis einer Koalition hochtreiben. Doch gelänge die Rot-Rote oder Rot-Rot-Grüne Koalition, wäre das ein enormer Gewinn für Ramelow, der schon seit Jahren dafür kämpft, und für die Linke, die überall im Osten stark vertreten ist, in mehreren Bundesländern auch schon mitregiert hat, aber noch nie einen Ministerpräsidenten stellen durfte. Das Schmuddel-Image der SED-Nachfolger könnte so - Erfolg vorausgesetzt - verbessert werden. Bodo Ramelow:
    "Es geht um schwarze Traurigkeit oder um bunte Vielfalt, um ein 'Weiter so' mit CDU-Politik von Gottes Gnaden oder einer Politik der Vielfalt, bei der wir sagen, wir laden andere Parteien ein, diesen Prozess gemeinsam mit uns zu gestalten."
    Ramelow: "Bestimmte Form von Politikunfähigkeit beenden"
    Der 58-jährige Bodo Ramelow ist 1990 als junger Gewerkschaftler aus Hessen nach Thüringen gekommen, hat gegen Betriebsschließungen und für Abfindungen gekämpft. In Bischofferode aber, wo 1993 Kamerateams aus aller Welt die Bilder hungerstreikender Kalikumpel aufnahmen, hat er sich ein Denkmal gesetzt - mit einem Vertrag, den Kumpeln zwar nicht den Erhalt ihrer Grube, aber doch einen sanften Übergang verschaffte. Das hat man in Thüringen nicht vergessen. Mit fast landesväterlicher Gelassenheit verspricht Ramelow nun, nicht alles anders, aber vieles besser zu machen:
    "Und deshalb ist ganz klar: Wir streben ein rot-rot-grünes Reformbündnis an, damit eine bestimmte Form von Politikunfähigkeit beendet wird."
    Was die Thüringer von so einem Reformbündnis halten? Sie werden es zwar vielleicht durch ihre Wahl am Sonntag ermöglichen, aber laut jüngsten Umfragen würde nur ein Viertel der Wähler Rot-Rot-Grün begrüßen, knapp die Hälfte würde lieber weiter die Schwarz-Rote Koalition sehen. Das weiß auch die Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht:
    "Und dann, sage ich, waren es auch die Kommunisten, die ewig Gestrigen: Sie saßen sage und schreibe wirklich auf den Bäumen! Wie die Affen auf den Bäumen saßen sie! Und den können wir doch heute nicht das Land anvertrauen, meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Freunde!"
    Judith Rüber: "Das erinnert mich sehr an die Bundeswahlkämpfe in den 80er-Jahren: 'Freiheit oder Sozialismus'. Ich denke, da ist man weit drüber hinweg."
    Judith Rüber lebt seit neun Jahren in Thüringen und betreibt ein kleines Hotel. Sie sitzt - ohne Mitglied zu sein - für die Linke im Arnstädter Stadtrat:
    "Die Linke ist, zumindest im Osten, eine Volkspartei wie die SPD oder die CDU."
    Ihr Mann, Jan Kobel, engagiert sich in der CDU. Kritisch betrachtet er den Rote-Socken-Wahlkampf seiner Partei:
    "Mir kommt es eher vor als Ausdruck der Unfähigkeit der CDU, eigene, bessere Konzepte zu bieten. Und ich bin da auch ganz offen und sage: Ich halte diese Art von Wahlkampf für kontraproduktiv."
    Tiervergleiche haben Tradition in Thüringen
    Christine Lieberknecht: "Ich will es mal so sagen: Eher zieht der Wolf im Schafspelz seine Artgenossen nach sich, als dass noch junge, kreative Menschen kommen würden! Und ich will, dass im entlegensten Dorf in Thüringen weiter Menschen wohnen und nicht Wolfsrudel herumstreunen! Das wollen wir nicht!"
    Der Tiervergleich hat mittlerweile Tradition in der Thüringer Landespolitik. Für Lieberknecht sind Linke Affen oder Wölfe. Heike Taubert von der SPD bezeichnete den Linken Bodo Ramelow als einen "etwas rundlich gewordenen Stubenkater" - wofür sie sich von ihm mit einer "grauen Maus" vergleichen lassen musste. Dies verdeckt aber, dass das Thüringer Spitzenpersonal von Linke, CDU und SPD gut miteinander kann. Man duzt sich, man hilft sich. Einig ist man sich gegen Rechts, gegen die NPD. Auch die Ablehnung der AfD eint die Parteispitzen. Dahinter aber wird es brüchig. Sowohl der CDU-Fraktionsvorsitzende Mike Mohring - der auf der einen Seite seit Monaten die Grünen umschwänzelt, dass denen Angst und Bange wird, als auch andere CDU-Fraktionsmitglieder - schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Und so steht, gerade nach der für sie so erfolgreichen Sachsen-Wahl, die AfD als Gespenst zwischen den von ihr immer wieder als "etablierte" geschmähten Parteien. Björn Höcke ist Landessprecher und Spitzenkandidat:
    "Ich bin ein toleranter Mensch, aber ..."
    Höcke ist noch nicht lange AfD-Sprecher in Thüringen. Seine Vorgänger haben sich von der Partei distanziert beziehungsweise sich in der Öffentlichkeit mit christlich-fundamentalistischen und rassistischen Äußerungen disqualifiziert. Höcke sieht sich zwar auch auf einer historischen Mission, geht aber eleganter vor:
    "Ich bin ein toleranter Mensch, aber..."
    AfD mit Charme und einfachen Lösungen auf Stimmenfang
    Er agiert, ähnlich wie der Bundeschef Lucke, mit Charme und verspricht einfache Lösungen für schwierige Probleme. Höcke fordert das Ende des Euro, und warnt vor einer "unkontrollierten Masseneinwanderung", vor Ausländern, die uns "überrennen". Der demografischen Katastrophe will sie in Thüringen mit Geld und guten Worten beikommen: mit Bewahrung der - so wörtlich - "natürlichen Geschlechterordnung" und mit der Orientierung auf die Drei-Kind-Familie:
    "Es ist eine wunderbare Hochkultur in ihrem Bestand bedroht. Auch das möchte ich hier heute Abend mal deutlich machen!"
    Bei der Wahl könnte die Thüringer AfD um die sieben Prozent erreichen. Dort könnte sie - eine sehr starke CDU vorausgesetzt - Rot-Rot-Grün verhindern. Das triebe die SPD wieder in die Arme der CDU. Eine Notlage, wie sie nicht wenige in der SPD erhoffen. Denn bei der CDU, da weiß man, was man hat.
    Christine Lieberknecht: "Stabilität und Kontinuität."
    Die FDP wird aller Voraussicht nach auch den Thüringer Landtag verlassen. Passenderweise plakatiert sie schon seit Wochen: "Wir sind dann mal weg". Und möglicherweise war auch der Aussetzer des Spitzenkandidaten Uwe Barth bei einer Talkrunde prophetisch für den Zustand der FDP:
    "Wir haben 16 Milliarden Schulden, wie gesagt, und wir haben da Sinnloses und, und, und. Nee, jetzt ist der Faden weg! Herr Mentzel, können sie jemand anders drannehmen? Entschuldigung!"