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Landtagswahlen in Schleswig-Holstein
Alternativen zur Alternative für Deutschland

Am kommenden Sonntag wählt Schleswig-Holstein einen neuen Landtag: Die letzten Umfragen deuten auf ein enges Rennen zwischen Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und CDU-Herausforderer Daniel Günther hin. Die AfD in Schleswig-Holstein hat dagegen einen schweren Stand.

Von Johannes Kulms | 02.05.2017
    Wahlplakate für Torsten Albig (SPD,l) und Daniel Günther (CDU,r), die Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, stehen am 10.04.2017 in Boostedt (Schleswig-Holstein) am Straßenrand. Am 07.05.2017 sind die Bürger im Norden aufgerufen ihre Stimmen zur Landtagswahl abzugeben.
    Die Parteien unterscheiden sich deutlich, der Wahlkampf in Schleswig-Holstein verläuft polarisiert. (dpa/Carsten Rehder)
    Es ist windig und laut am Eingang der Media-Docks, am Rande der Lübecker Altstadt. Die Schleswig-Holsteinische AfD hat an diesem Abend zu einer Wahlveranstaltung geladen. Wer dort hin will, muss zunächst an einer Gruppe aus mehr als 100 Demonstranten und jeder Menge Polizeibeamter vorbei
    Im Saal ist von dieser Kulisse nur wenig zu hören – wohl aber von dem Herren auf dem Podium, der fast im Minutentakt Applaus und Lacher erntet:
    "Und die Grünen sind schon lange meine Freunde, das könnt ihr mir glauben Und ich komme aus der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie. Ja, glaubt mir mal, was wir da von den Grünen halten: Nämlich überhaupt nichts! Und unser Landesvater, der Johannes Rau, den ich noch erlebt habe, der würde sich im Grabe umdrehen, wenn der sehen würde, was heute Hannelore Kraft mit seinem Land gemacht hat – die hat das nämlich völlig runtergewirtschaftet!"
    Guido Reil ist an diesem Abend aus seiner Heimat Nordrhein-Westfalen nach Lübeck gekommen. Unüberhörbar und unübersehbar, dass der von der SPD in die AfD gewechselte Gewerkschafter aus dem Ruhrgebiet reden und einen Saal mitreißen kann.
    Ganz anders Jörg Nobis – der Spitzenkandidat der AfD in Schleswig-Holstein. Seine Rede klingt eher hölzern, zum Beispiel wenn es um die HSH-Nordbank geht und er den Ministerpräsidenten und die grüne Finanzministerin Heinold kritisiert:
    "Herr Albig hofft immer noch mal, dass der Bund vielleicht noch mal einspringt. Aber wenn er das nicht tut, dann ist der finanzielle Spielraum für Politiker in Zukunft massiv eingeschränkt. Kein Wunder, dass Frau Heinold lieber auf ihren Plakaten mit Möhren für Bio wirbt anstatt darüber zu sprechen – das kann ich mir gut vorstellen."
    Nobis lebt seit 10 Jahren in Norddeutschland, stammt aber wie Guido Reil selber aus dem Ruhrgebiet. Der etwas blass aussehende Nobis mit den kurzen blonden Haaren ist im Norden bisher kaum bekannt:
    "Herr Reil hat es nicht einfacher, weil er aus dem Ruhrgebiet kommt, er ist einfach ein Typ, der das entsprechend humorvoll vortragen kann, glaube ich. Also, er kommt einfach an. Und ich komme vielleicht ein bisschen nordisch kühl rüber, das weiß ich nicht."
    AfD gibt ein personell schräges Bild ab
    Die AfD hat es schwer im Norden. Schon lange gibt sie personell ein sehr schräges Bild ab, streitet darüber, wer die Partei vertreten darf und das auch gerne mal vor Gericht. Viel länger als in den anderen Bundesländern hätte es gedauert, damit die Menschen auch Gesichter mit der AfD im Norden verbinden, sagt Wilhelm Knelangen von der Uni Kiel:
    "Der zweite Punkt: Die Flüchtlingsproblematik ist nicht mehr ein herausragendes Thema. Das, was wir vor einem Jahr festgestellt haben, das ist hier in diesem Wahlkampf offensichtlich kein großes Thema mehr. Die AfD ist ja nicht bei zwei Prozent, immerhin wird sie bei fünf, sechs, sieben Prozent gehandelt, vielleicht bekommt sie auch mehr, aber das ist nicht zu vergleichen mit der polarisierten Diskussion in dieser Frage, die wir gehabt haben."
    Einen dritten Grund sieht der Politikwissenschaftler in der besonderen politischen Landschaft: In Schleswig-Holstein unterscheiden die Parteien sich deutlich, der Wahlkampf verläuft polarisiert. Das bedeutet: Die Leute haben Alternativen zur Alternative für Deutschland.
    Kubicki kämpft nicht nur für den Wahlerfolg der FDP
    Genau dieser Ansicht sind auch die wohl schärfsten wie bekanntesten Redner des Kieler Landtags: SPD-Landeschef Ralf Stegner und der FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki. Kubicki kämpft nicht nur für einen Wahlerfolg der FDP, er will noch etwas anderes:
    "In Verbund mit allen andere demokratischen Kräften, dass wir deutschlandweit beweisen können, dass es möglich ist, die AfD aus dem Parlament herauszuhalten."
    Es dürfte knapp werden am 7. Mai, der Einzug der AfD in den Kieler Landtag erscheint alles andere als sicher.
    Selbst Jörg Meuthen, das mächtige Mitglied aus dem Bundesvorstand, scheint das beim Besuch der Wahlveranstaltung in Lübeck zu ahnen. Auf die Frage, ob der Lauf der AfD im Falle eines Scheiterns in Schleswig-Holstein gestoppt wäre, sagt er:
    "Mit Gewissheit nicht. Auch das könnte im schlimmsten Fall mal irgendwo passieren aber das wird auf die Bundestagswahl relativ wenig Einfluss haben."