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Langzeitarbeitslose und Hartz IV
Ein harter Kern mit sehr geringen Chancen

Trotz guter Konjunktur sind Hartz-IV-Bezieher in den vergangenen Jahren im Schnitt immer länger ohne Job geblieben. Mit einem speziellen Programm sollen Langzeitarbeitslose nun in den sozialen Arbeitsmarkt integriert werden.

Von Paul Vorreiter | 16.04.2018
    Ein Mann steht hinter einer Stellwand für Stellenangebote.
    Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in den vergangenen Jahren gestiegen (dpa/Sebastian Gollnow)
    Die Wirtschaft boomt. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Höchste Zeit also, den harten Kern der Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen. So ungefähr begründete Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, kurz vor der Osterpause seine Pläne für diese Wahlperiode:
    "Verantwortung ist in der gemeinsam Koalition auch zu gemeinsamen konkreten Lösungen zu kommen und darauf werden wir uns auch konzentrieren."
    Eine konkrete Lösung soll die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes sein, mit dem 150.000 Langzeitarbeitslose in Beschäftigung gebracht werden sollen. Über Lohnkostenzuschüsse, die über fünf Jahre hinweg abgeschmolzen werden; für Jobs in der freien Wirtschaft, bei Wohlfahrtsverbänden oder für gemeinnützige Tätigkeit in Kommunen.
    Der Gesetzentwurf soll im Sommer fertig sein. Die Bundestagsfraktion der Linkspartei macht auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aufmerksam, die zeigen: Hartz-IV-Bezieher sind in den vergangenen Jahren im Schnitt immer länger ohne Job geblieben. Lag die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bei Beziehern der Grundsicherung 2011 noch bei 555 Tagen, so waren es vergangenes Jahr bereits 650 Tage. Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, kritisiert in diesem Zusammenhang unter anderem, dass seit 2010 die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit drastisch gekürzt worden seien.
    Förderprogramm für Langzeitarbeitslose
    Die ehemalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte im Herbst 2014 ein Konzept zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit auferlegt; dazu zählte ein Förderprogramm, mit dem bis Ende dieses Jahres 20.000 Langzeitarbeitslose beschäftigt werden sollen, unter ihnen vor allem diejenigen, die wegen gesundheitlicher Probleme Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden.
    Nach Angaben der Bundesagentur waren im Jahr 2011 rund 298.000 Hartz-IV-Bezieher länger als drei Jahre arbeitslos. Bis vergangenes Jahr stieg diese Zahl um noch mal um rund 20.000. Dagegen schrumpfte die Zahl derjenigen, die unter zwei Jahre in Hartz-IV-Bezug waren; sie gelten als leichter vermittelbar. Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit:
    "Das sind Erfolge, die kommen auch daher, weil wir vereinbart haben, dass wir enger mit Kommunen kooperieren, dass Jugendhilfe und Jobcenter gut zusammenarbeiten, wenn Familien betreut werden. Die kommen daher, dass wir in einigen Regionen mit einem besseren Vermittlerschlüssel arbeiten, aber ich finde, wir sind da auf einem ganz richtigen Wege."
    Ein harter Kern mit sehr, sehr geringen Chancen
    Die Debatte dreht sich um einen harten Kern von Langzeitarbeitslosen, die trotz Programmen und Eingliederungshilfen schwer zu vermitteln sind, erklärt Enzo Weber, Experte am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg gegenüber dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio:
    "Bei Langzeitarbeitslosigkeit, da darf man sich nicht vorstellen, dass das wirklich dieselben Personen über zehn oder 15 Jahren sind. Viele gehen aus der Langzeitarbeitslosigkeit wieder raus und viele kommen auch wieder neu rein. Dennoch gibt es einen harten Kern, wo man wirklich sagen kann, selbst bei der derzeitig wirklich sehr guten Arbeitsmarktlage werden die Leute unter den gegebenen Bedingungen nur sehr, sehr geringe Chancen haben, in den ersten Arbeitsmarkt hineinzukommen."
    Unterdessen wird in der Großen Koalition über das Pro und Contra einer grundlegenden Reform der sozialen Absicherung diskutiert. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte dem "Tagesspiegel", dass ihn die Agenda-2010-Debatte seiner Partei langweile.
    Der ehemalige Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement, der für die Umsetzung weiter Teile der Reform zuständig war, bezeichnete eine mögliche Abschaffung von Hartz-IV, über die Teile der Sozialdemokraten nachdenken, in der "Berliner Morgenpost" als: "verrückt".
    Debatte über Wohneigentum
    CSU-Generalsekretär Markus Blume kritisierte im "Straubinger Tagblatt", dass die SPD mit der Debatte Arbeitsplätze gefährde und sich mit ihren Forderungen außerhalb des Koalitionsvertrags befände. Was im Vertrag steht oder nicht, darüber scheint es bezüglich mehrerer Aspekte unterschiedliche Lesarten zu geben.
    CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wandte sich in der "Welt am Sonntag" gegen Pläne, beim Hartz-IV-Bezug Eigentumswohnungen in geringerem Umfang auf das Vermögen anzurechnen. Er sagte, "eine Vollkaskomentalität sei nicht die Grundlage unserer Gemeinschaft".
    Allerdings heißt es im Koalitionsvertrag, dass der Bezug sozialer staatlicher Leistungen nicht dazu führen solle, dass selbstgenutztes Wohneigentum aufgegeben werden müsse.